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Die Corona-infizierte Händlerin - wo ist sie?

Vergangene Woche schreckte eine Meldung über eine Frau mit Coronavirus auf, die weiter als Verkäuferin arbeitete. Jetzt gibt es neue Informationen.

Von Domokos Szabó
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Facebook Kommentare zu den Ermittlungen gegen eine Corona-infizierte Händlerin. "Diese Straftat wird ihr ein Leben lang hängen bleiben."
Facebook Kommentare zu den Ermittlungen gegen eine Corona-infizierte Händlerin. "Diese Straftat wird ihr ein Leben lang hängen bleiben." © SZ

Das muss man sich vorstellen: Eine Händlerin geht trotz eines positiven Corona-Tests in ihren Laden und bedient die Kunden, steckt von ihnen womöglich viele an. Und das, obwohl das Gesundheitsamt angeordnet hat, den Laden zu schließen. Passiert sein soll das in Pirna. So haben es Sächsische Zeitung und Sächsische.de berichtet. Alle Informationen dazu stammten von der Staatsanwaltschaft Dresden.

Eine kurze Meldung mit großer Wirkung. Allein auf Sächsische.de lasen zig Tausend Interessenten die Nachricht, auf Facebook wurde sie 135-mal kommentiert und ähnlich oft geteilt - zumeist mit wenig schmeichelhaften Bemerkungen. "Unverantwortlich" ist  noch die harmloseste davon. "Für mich gehört sie in den Knast", schreibt Mario Krause. Und ein anderer meint: "Diese Straftat wird ihr ein Leben lang hängen bleiben. Da kann die Geldstrafe nicht hoch genug ausfallen." Es gibt aber auch mäßigende Stimmen wie die von Carolin Bingel: "Also Wahnsinn - Wenn ihr könntet, würdet ihr die Frau gerne steinigen, so wie kommentiert wird. Es tun alle so, als hätte sie den Tod über Pirna gebracht - in etwa die Pest! Es sollten alle mal auf dem Teppich bleiben." 

Großen Konsens gibt es indes in einer Frage: Die Leser wollen wissen, um welche Händlerin und um welches Geschäft es geht. "Wer so egoistisch ist, sollte keinen Schutz mehr genießen. Der Name des Geschäfts sollte veröffentlicht werden, damit die Kunden sich testen lassen können", meint eine Dame, die sich als AN JA vorstellt.

Rathaus ist der Fall nicht bekannt

Die SZ hat den Fall recherchiert und neue Fakten herausbekommen. Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt sagt, die Ermittlungen laufen und werden noch knapp zwei Wochen in Anspruch nehmen. Ansonsten ist aber der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft sehr zurückhaltend. Das liegt in der Natur der Sache. Denn die Justiz ermittelt aufgrund einer anonymen Anzeige, die laut Schmidt zunächst beim Landratsamt in Pirna eingegangen sei und dann an die Staatsanwaltschaft weitergereicht wurde. "Wir ermitteln ergebnisoffen", sagt Schmidt. Und stellt auf Anfrage klar: Die Beschuldigte hat ihr Geschäft nicht unbedingt in der Stadt Pirna, sondern "im Bereich/in der Region Pirna". 

Nach jetzigem Stand der Dinge ist es sogar eher wahrscheinlich, dass sich der Laden nicht in Pirna befindet. Thomas Gockel, Sprecher der Stadt Pirna, sagt zumindest, im Rathaus habe man die Sache "mit Verwunderung" wahrgenommen. Dort sei von einem solchen Vorfall nichts bekannt und man habe auch von der Polizei nichts Gegenteiliges gehört. "Unsere Händler bekommen aber ein ernsthaftes Problem damit."

Offene Fragen bleiben

Wie kam es zu der Aussage von der Pirnaer Händlerin? Offenbar durch ein Missverständnis. Als Oberstaatsanwalt Schmidt im Gespräch mit dem SZ-Reporter "in Pirna" gesagt hat, meinte er wohl, dass die Pirnaer Zweigstelle der Staatsanwaltschaft den Fall bearbeitet. In deren Zuständigkeit fällt aber nicht nur die Stadt Pirna, sondern der komplette Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Auf schriftliche Nachfrage wird diese Möglichkeit von der Staatsanwaltschaft nicht dementiert. Mit anderen Worten: Die fragliche Händlerin kann in jeder der 36 Städte und Gemeinden im Landkreis gewesen sein. 

Näheres dazu wollen aber weder die Staatsanwaltschaft noch das Landratsamt mitteilen. Zum Teil ist das verständlich, denn keine Behörde darf persönliche Daten einfach mal so veröffentlichen, zumal es erst einmal nur um eine anonyme Beschuldigung geht. Schuldig bleibt aber das Landratsamt jegliche Informationen zu dem Fall. Wurde der Laden zum Schutz der Kunden tatsächlich geschlossen? Was habe man unternommen, um eventuelle Kontaktpersonen zu ermitteln? Welche Konsequenzen wurden aus dem Fall gezogen? All diese Fragen hat die SZ an die Landkreisbehörde gestellt, eine Antwort darauf jedoch auch nach Tagen nicht bekommen. 

Um welche Händlerin und um welches Geschäft es geht, das bleibt auch nach den Recherchen offen. Aber selbst wenn die SZ dies wüsste, gibt es Grenzen für eine Veröffentlichung. Dabei müssen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abgewogen werden. Bei der vorliegenden (allgemein angenommenen geringen) Schwere des Verstoßes geht eine von der SZ befragte Anwältin für Presserecht davon aus, dass eine Veröffentlichung unzulässig wäre. Anders sähe der Fall aus, wenn von dem Laden immer noch Gefahr ausgehen würde - und potenzielle Kunden gewarnt werden müssten. Ob das so ist, weiß wohl nur das Landratsamt.

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