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Darum wirken viele Erkältungsmittel nicht

Bei Schnupfen und Husten greifen viele zu rezeptfreien Mitteln. Die Stiftung Warentest hat 142 davon getestet. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Von Stephanie Wesely
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Was hilft denn nun gegen Erkältungen?
Was hilft denn nun gegen Erkältungen? © 123rf/ Roman Samborskyi

Nasenprays, Husten- und Halstabletten oder auch vorbeugende Mittel fürs Immunsystem sind in Sachsens Apotheken derzeit stark gefragt. Sie kosten oft viel Geld, sind aber ohne Arztbesuch erhältlich. Ein Autorenteam aus Apothekern, Ärzten und Gutachtern hat für die Stiftung Warentest 142 dieser rezeptfreien Mittel gegen grippale Beschwerden auf ihre Wirksamkeit untersucht. 

Ergebnis: Nicht mal die Hälfte davon sei sinnvoll und zur Behandlung von Erkältung und Grippe empfehlenswert.

1. Ein Mittel gegen alles braucht es nicht

Auf kombinierte Medikamente, die mehrere Symptome zugleich lindern sollen, könne man getrost verzichten. Die gezielte Behandlung der jeweils am stärksten belastenden Symptome sei zielführender. Zudem könnten Kombi-Präparate schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Aspirin Complex zum Beispiel lasse Pulsschlag und Blutdruck ansteigen, wodurch Unwohlsein und Schwindel eintreten könnten, so die Autoren. Wenn Herzrasen mit einem Ruhepuls von mehr als 100 Schlägen pro Minute auftrete, raten sie deshalb zum Arztbesuch. Auch bei Wick DayMed und Wick MediNait seien Erregungszustände, Schlaflosigkeit und Schwindel beobachtet worden. Paracetamol als Tablette oder Trinklösung, um Kopf- und Gliederschmerzen zu lindern und das Fieber zu senken, wird von den Autoren ausdrücklich empfohlen. Doch dürfe man die empfohlene Höchstdosis nicht überschreiten, um Nierenschäden und Dauerkopfschmerzen zu vermeiden.

2. Ätherische Öle sind nicht für jeden geeignet

Erkältungsbalsam, -inhalat oder -bad enthalten meist Eukalyptusöl, Fichten- oder Kiefernnadelöl, Menthol und Pfefferminze. Sie sollen die Atemwege befreien, indem sie die Tätigkeit der Flimmerhärchen in der Nasen- und Bronchialschleimhaut anregen. Doch den Autoren zufolge erleichtern sie zwar das Atmen, haben aber keinen Einfluss auf den Verlauf einer Erkältung. Patienten, die Asthma oder schwere Atemwegserkrankungen wie Pseudokrupp hätten, dürften ätherische Öle gar nicht anwenden, da sie die Bronchialschleimhaut zu stark reizten. Für Säuglinge und Kinder unter zwei Jahren seien die Öle ebenfalls nicht geeignet, da es zu Krämpfen in den Atemwegen kommen könne.

3. Immunstärkung aus der Apotheke ist oft fragwürdig

Bakterienzubereitungen wie Symbioflor sollen das Immunsystem wie eine Art Impfung anregen, behaupten die Hersteller. Einige Studien hätten zwar gezeigt, dass Infekte damit seltener auftreten, es bedürfe aber noch weiterer Untersuchungen, um das besser belegen zu können. Nur mit Einschränkungen empfehlen die Autoren auch Extrakte aus dem Kraut des Sonnenhuts – Echinacea. Denn es bestünde das Risiko, dass damit ruhende Prozesse aktiviert würden und das Abwehrsystem eigene Körperzellen angreife. Die Datenlage zu Echinacea sei sehr uneinheitlich.

4. Abhusten darf nicht unterdrückt werden

Der Schleim in den Atemwegen ist ein guter Nährboden für Bakterien. Er sollte deshalb flüssig bleiben, um gut abgehustet werden zu können. Spezielle Hustentees und pflanzliche Hustenlöser seien dazu aber nicht unbedingt erforderlich, viel Flüssigkeit allein reiche aus. Die Wirkstoffe in den Hustentees seien zudem meist zu niedrig dosiert. Außerdem sei noch nicht ausreichend nachgewiesen, das Anis und Süßholzwurzel wirklich Sekret lösen könnten, so die Autoren. Wer Süßholztee über einen langen Zeitraum trinke, könne einen Kaliummangel erleiden, der zum Blutdruckanstieg und zu Wasseransammlungen führen könne. Kombinierte pflanzliche Hustenlöser enthalten meist mehrere ätherische Öle sowie zusätzlich Süßorangenöl und Primelextrakt. Mittel wie Bronchipret, Gelomyrtol oder Myrtol seien deshalb nur mit Einschränkungen empfehlenswert, weil die bisher vorliegenden Studien noch nicht ausreichten, um den therapeutischen Stellenwert zu bestimmen. 

Neben Hustenlösern gibt es auch Hustenblocker, die den Hustenreiz unterdrücken. Beide dürften nur mit entsprechendem zeitlichen Abstand eingenommen werden, um die Wirkung nicht gegenseitig aufzuheben. Apotheker empfehlen Hustenlöser deshalb morgens und Hustenblocker vor dem Schlafengehen. Denn viele Hustenblocker machten müde und beeinträchtigten die Konzentrationsfähigkeit. Die häufig dafür eingesetzten Wirkstoffe Dextromethorphan und Pentoxyverin unterdrückten den Hustenreiz, indem sie den Hustenreflex über das zentrale Nervensystem hemmen. Sie seien aber meist schwächer als opioidhaltige Hustenblocker. 

Eine ausdrückliche Empfehlung geben die Tester aber nur für Dextromethorphan, zum Beispiel in Wick-Hustenpastillen oder -sirup gegen Reizhusten, in Silomat DMP und in Dextromethorphan-Hustenstiller von Ratiopharm. Für Pentoxyverin, zum Beispiel in Larylin-Hustenstiller, sei die Studienlage zu dünn. Hustenblocker sollten immer nur für wenige Tage eingenommen werden, da sie zu einem Sekretstau in den Atemwegen führen und die Wirkung von Arzneimitteln gegen Schlafstörungen und Angstzustände verstärken könnten.

5. Lutschen kann Halsschmerzen lindern

Bei Halsschmerzen und Schluckbeschwerden sei vor allem ausreichend Speichel notwendig. Er befeuchte den Rachenraum, erleichtere das Schlucken und lindere die Entzündung. Zur Anregung der Speichelproduktion eignen sich den Autoren zufolge Lutschpastillen und -bonbons oder auch Kaugummi. Gurgeln mit lauwarmem Salzwasser, Kamillen- oder Salbeitee spült zusätzlich die mit Viren besetzten Beläge ab. Geeignet seien zum Beispiel Emser Pastillen. Kombinierte Präparate wie Dorithrizcin und Lemocin bestünden aus einem Antibiotikum, einem Antiseptikum und örtlich betäubenden Mitteln. Diese Zusammensetzung sei nicht sinnvoll, da häufig Viren die Ursache von Halsschmerzen seien, gegen die Antibiotika nicht helfen. 

Präparate mit betäubendem Lidokain seien den Kombi-Mitteln vorzuziehen. Medikamente, die Flurbiprofen enthalten, zum Beispiel Dobendan direkt, werden ebenfalls nicht empfohlen. Sie hätten ihre Wirksamkeit im Vergleich mit Schmerztabletten nicht ausreichend bewiesen, heißt es. Zudem seien Schädigungen der Mundschleimhaut möglich. Auch eine Kombination mit Rheumamedikamenten sei gefährlich, weil das Blutungen im Magen-Darmtrakt begünstigen könne.

6. Nasenspray ist nichts für die Dauerbehandlung

Wenn sich auf der Nasenschleimhaut Viren einnisten, schwillt die Haut an und sondert vermehrt Flüssigkeit ab – die Nase ist dicht. Behandlungsbedürftig sei Schnupfen eigentlich nicht, so die Autoren, weil er nach fünf bis sieben Tagen von allein abklingt. Tägliches Spülen mit Salzlösung mache die Schleimhaut im Vorfeld widerstandsfähiger. Um die Nasenatmung zu erleichtern, helfen Kopfdampfbäder und abschwellende Nasensprays. Geeignet seien den Testern zufolge Präparate mit den Wirkstoffen Xylometazolin und Oxymetazylin. Sie dürften aber nicht länger als fünf bis sieben Tage genutzt werden, um eine Gewöhnung zu vermeiden. 

Sämtliche Nasentropfen oder -sprays, die diese Wirkstoffe enthalten, wurden von den Testern zur Anwendung empfohlen. Ungeeignet hingegen seien Antiseptika, zum Beispiel Rhinoguttae, da sie antibakteriell und nicht gegen Schnupfenviren wirkten. Sie könnten zudem Eiweißstoffe ausfällen und damit die Nase zusätzlich abdichten. Eine Abfuhr bekamen auch schleimhautabschwellende Mittel zum Einnehmen wie Rhinopront kombi. Das Mittel enthalte zusätzlich ein Antihistamin gegen Allergien. Diese Kombination sei nicht sinnvoll. Zudem wirkten die schleimhautabschwellenden Mittel intensiver, wenn sie örtlich als Nasentropfen oder als Spray angewendet würden.

Fazit

„Ursächlich wirkende Mittel gibt es für Erkältung und Grippe nicht, wir können nur die Symptome lindern“, sagt die Allgemeinmedizinerin Ingrid Dänschel, zweite Vorsitzende des Hausärzteverbandes Sachsen. Ihr zufolge sei es am wichtigsten, sich viel Ruhe zu gönnen. Bis der Körper mit den Erregern fertig wird, dauert es ein paar Tage, bei der echten Grippe mitunter Wochen. Medikamente können zwar unterstützen, doch ihre Wirkung werde oft überschätzt, so die Hausärztin. Zum gleichen Schluss kommt die Stiftung Warentest.