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Die Ost-Elite fällt ins Rentenloch

Eine Lücke im Einigungsvertrag wird den Professoren der Nachwendezeit zum Verhängnis. Dabei verlieren sie viel Geld und noch mehr an Anerkennung.

Von Stephan Schön
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Schwindelerregende Zustände. Jetzt soll der sächsische Landtag eine Ungleichbehandlung der Pprofessoren beenden.
Schwindelerregende Zustände. Jetzt soll der sächsische Landtag eine Ungleichbehandlung der Pprofessoren beenden. © dpa

Dresden. Es geht um die ersten Professoren nach der Wende. Kommen sie aus dem Osten, dann erhalten sie etwa nur ein Drittel bis die Hälfte der Pensionen ihrer damals hier vergleichbar angestellten Kollegen aus dem Westen.

Es geht um jene DDR-Wissenschaftler, die nach 1990 berufen wurden und dann Unis, Institute und Kliniken jahrelang leiteten. Wer über 50 Jahre alt war, wurde nicht mehr verbeamtet. Die aus Westdeutschland berufenen Kollegen indes waren bereits verbeamtet.

Am Mittwochabend bringt die Fraktion der Linken dieses Thema im sächsischen Landtag zur Abstimmung. Was die Altersversorgung der Ost-Kollegen betrifft, so fallen sie heute in eine Gesetzeslücke, sagt der Chemnitzer Professor Hartmut Enderlein, Vorstand des VAV, eines Vereins für die Altersversorgung von Professoren

Sie seien damit sogar noch gegenüber jenen Professoren benachteiligt, die in der DDR-Zeit als inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit tätig gewesen wären und entlassen worden seien. So bekomme der damalige Direktor des gesamten Leipziger Uni-Klinikums heute weniger Rente als ein Laborant dieser Klinik. Der langjährige Rektor der Bergakademie Freiberg erhalte weniger als ein Techniker seiner eigenen Universität. 

„Wir wurden Jahr um Jahr vertröstet“, sagt Enderlein. „Eigentlich sollte das zügig geregelt werden.“ Das war vor fast 30 Jahren. Enderlein setzt die bösen Wörter hinzu: „Das Problem soll offenbar biologisch gelöst werden.“ Lediglich rund 400 betroffene Professoren gebe es noch in Sachsen, die meisten seien inzwischen weit über 70, meist 80 Jahre alt. 

"Es ist beschämend"

Geht die Abstimmung am Mittwoch im Landtag jedoch so aus wie im Wissenschaftsausschuss bisher, dann ändert sich nichts. Dann lehnt die Koalition aus CDU und SPD alles ab. Die gesamte Opposition indes kommt mit ihren Forderungen nicht durch.

Insgesamt ist die Situation noch bizarrer: Klaus Bartl als Wissenschaftspolitiker der Linken ist eigentlich Vorkämpfer für die entlassenen DDR-Professoren. Jetzt verteidigt er jene, die damals die neuen Professortitel bekommen haben. Die Regierungsparteien, die damals die neuen Eliten aus der DDR berufen hatten, lassen diese heute indes ins Rentenloch fallen.

„Erniedrigend“ nennt Hartmut Enderlein diesen Zustand. Nicht nur er als Betroffener sieht das so. Manfred Curbach, Professor der TU Dresden, nennt diesen Umgang der Politik mit den einstigen Spitzenforschern und Eliten untragbar. Curbach hat den Deutschen Zukunftspreis bekommen und ist Miterfinder des Carbonbetons

Betroffen ist er selbst nicht, er kommt aus Westdeutschland. Trotzdem ist er extrem verärgert: „Es ist beschämend, wie von politischer Seite argumentiert wird.“ Ein Fonds-Modell von Bund und Länder sei aus seiner Sicht eine Chance, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Dass es beim Thema DDR-Renten nicht nur um Professoren geht, sieht Curbach auch: „Ein vergleichbares Modell sollte sich dann auch für die Personengruppen finden lassen, die ebenfalls durch Fehlentscheidungen in der Nachwendezeit benachteiligt wurden.“