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An der Oberleitung bis nach Weißig

Die Dresdner O-Busse waren vor 70 Jahren der letzte Schrei und wurden doch später ausrangiert. Jetzt könnten sie auf die Straße zurückkehren.

Von Ralf Hübner
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Bis 1975 sind die Oberleitungsbusse über das Blaue Wunder gerollt.
Bis 1975 sind die Oberleitungsbusse über das Blaue Wunder gerollt. © Archiv Dresdner Verkehrsbetriebe

Die Suche nach einem abgasarmen Nahverkehr macht es möglich. Elektrisch angetriebene Oberleitungsbusse sind wieder in den Blick der Verkehrsplaner geraten. Jene O-Busse gehörten nach dem Krieg schon einmal zum Dresdner Straßenbild. Vor 70 Jahren fuhren sie am 1. November 1949 erstmals bis nach Weißig. Etwa ein halbes Jahr später war im Mai 1950 die gesamte 14,5 Kilometer lange Strecke vom Fritz-Förster-Platz über die Grundstraße nach Weißig komplett.

Fast genau zwei Jahre zuvor waren im November 1947 die erste O-Busse aus den Depots auf die Straßen gerollt. Die „Sächsische Zeitung“ schwärmte von dem für Dresden „neuartigen Verkehrsmittel“, das die lange gewünschte Verbindung zwischen Loschwitz-Blasewitz und dem Südviertel herstelle und das für viele Werktätige eine deutliche Verkürzung des Arbeitsweges bedeute. Die Wagen seien mit allen technischen Neuerungen ausgestattet und hätten so starke Motoren, dass sie auch einen Anhänger mitnehmen könnten, hieß es. Die Höchstgeschwindigkeit liege bei 50 Kilometer je Stunde, 70 Passagiere könnten mitfahren.

Auch auf dieser alten Postkarte sind die Busse zu sehen. 
Auch auf dieser alten Postkarte sind die Busse zu sehen.  © Postkarte: Sammlung Holger Naumann

Fünf Busse fuhren im 20-Minuten-Takt. Die Fahrgäste wurden wohl nicht ohne Grund gemahnt, die Busse „in eigenem Interesse schonender zu behandeln als die Straßenbahn.“ Denn an vielen Haltestellen entbrannte zwischen den Fahrgästen ein Kampf um die wenigen Plätze. Deshalb wurden Anhänger angeschafft.

Die Mahnungen verhallten offensichtlich ungehört. Denn nur wenige Tage später berichtete das Blatt, dass die Wagen sehr starken Belastungen ausgesetzt seien und dass die Dresdner Verkehrs-Gesellschaft wegen der Unvernunft vieler Fahrgäste gezwungen sei, für jeden Wagen zwei Schaffner vorzusehen. Deren Anweisungen sei unbedingt Folge zu leisten.

Zudem wurde davon berichtet, dass am Münchner Platz ein O-Bus in Brand geraten sei. Nur weil Anwohner sofort eingriffen, sei das Feuer im Keim erstickt worden, hieß es in dem Bericht.

Schon 1901 hatte im Bielatal in der Sächsischen Schweiz mit der „Bielathal-Motorbahn Königstein“ eine der weltweit ersten regulären O-Bus-Linien den Betrieb aufgenommen. Diese führte 4,4 Kilometer von Königstein zum Kurbad Königsbrunn. Doch der Betrieb erwies sich als unwirtschaftlich und wurde drei Jahre später wieder eingestellt.

Der Einsatz von Oberleitungsbussen oder auch schienenlosen Straßenbahnen, wie sie damals hießen, wurde in der Regel dort versucht, wo wegen unsicheren Fahrgastaufkommens Investitionen in Straßenbahngleise gescheut wurden. Am nördlichen Stadtrand von Dresden etwa fuhr von 1903 an die „Dresdner Haide-Bahn“ des Unternehmers und Konstrukteurs Carl Stoll. Die Strecke führte vom Arsenal, dem jetzigen Olbrichtplatz, 5,2 Kilometer bis zum Gasthof „Deutsche Eiche“ am jetzigen Käthe-Kollwitz-Platz in Klotzsche-Königswald, damals ein Luftkurort vor den Toren der Stadt. Es gab sieben Haltestellen, eine Fahrt in den hölzernen Wagenkasten mit 16 Sitz- und 6 Stehplätzen dauerte 25 Minuten und kostete 20 Pfennige. Die anfängliche Begeisterung der Klotzscher wich zumindest bei den Anwohnern der Königsbrücker Landstraße schnell der Ernüchterung. Wenn die Bahn vorbeifahre, klirrten die Kronleuchter und falle der Stuck von der Zimmerdecke, hieß es in Beschwerden an den Amtshauptmann. Wegen finanzieller Schwierigkeiten kam für die Haide-Bahn schon 1904 das Aus.

© Archiv Dresdner Verkehrsbetriebe

Die große Stunde der Dresdner O-Busse schlug nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Omnibusse als Lastkraftwagen gebraucht wurden und für den Nahverkehr deshalb nicht verfügbar waren. Als bekannt wurde, dass in der Fahrzeugfabrik Schumann in Werdau Fahrgestelle und Ausrüstung für O-Busse lagerten, griffen die Dresdner zu. In der Ausstellung „Dresden baut auf“ war auch ein O-Bus-Netz vorgeschlagen worden und nun sollte es Wirklichkeit werden. Der Aufbau verlief schleppend, doch am 25. September 1947 ging der erste O-Bus auf Probefahrt. Die etwa zehn Kilometer lange Strecke führte von Blasewitz zum Münchner Platz an der damaligen Technischen Hochschule.

Akuter Reifenmangel erschwerte den Betrieb. Bei Verspätungen musste das Personal den Unmut der Fahrgäste über sich ergehen lassen. Bis 1949 wuchs der Bestand auf dreizehn O-Busse und acht Anhänger. Die Strecke führte schließlich von Löbtau über Strehlen, das Blaue Wunder und den Körnerplatz bis nach Bühlau und Weißig. Der Anstieg auf der Grundstraße verursachte bei den Fahrzeugen enormen Verschleiß. Wegen schlechter Instandhaltung und fehlender Ersatzteile wurde der Betrieb 1975 eingestellt.

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