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Zehn Jahre ohne Welterbe-Titel

Am 25. Juni 2009 wurde Dresden die Auszeichnung von der Unesco aberkannt. Der Image-Schaden war groß. Wirkt sich das bis heute aus?

Von Andreas Weller
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Der Bau der Waldschlößchenbrücke führte zur Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal.
Der Bau der Waldschlößchenbrücke führte zur Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal. © Marco Klinger

Dresden. Genau vor zehn Jahren versuchte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) persönlich, das Welterbekomitee der Unesco noch zu überzeugen. Aber vergebens: Das Gremium tagte im spanischen Sevilla, auf der Tagesordnung die Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal. Eine Streichung hatte es zuvor nur einmal gegeben. 2007 wurde das Wildschutzgebiet der Arabischen Oryx in Oman ausgelistet, wie es heißt. Dresden war 2006, wegen des geplanten Baus der Waldschlößchenbrücke, auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten gelandet.

Das entfachte ein riesiger Streit um die Brücke. In einem Bürgerentscheid hatten sich die Befürworter 2005 deutlich durchgesetzt. „Damals war nicht klar, dass wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke die Aberkennung des Titels droht“, erinnert sich Thomas Löser. Der war zu der Zeit Sprecher der Bürgerinitiative „Welterbe erhalten mittels Elbtunnel in Dresden“. Der vergebliche Kampf um den Titel hat ihn in die Politik gebracht, seit 2009 ist er Stadtrat für die Grünen und seit 2013 Fraktionschef. Ab 2006 demonstrierten regelmäßig mehrere Tausend Dresdner gegen den Bau der Brücke. Die Unesco forderte Alternativen zur geplanten Waldschlößchenbrücke. Diese würde das Elbtal zerschneiden. Aber in Dresden wurden Tunnel und andere Brücken verworfen, stattdessen begann 2007 der Brückenbau.

Eine große Protestdemonstration gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke gab es etwa am 25. März 2007.
Eine große Protestdemonstration gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke gab es etwa am 25. März 2007. © Archivbild: Steffen Unger

Im Juni 2009 dann die Aberkennung des prestigeträchtigen Titels, den die Stadt nur fünf Jahre vorher verliehen bekommen hatte. Dresden sorgte damit für Negativ-Schlagzeilen. „Dumm baut gut“, titelte „Die Zeit“. Das Image der Stadt galt als angekratzt. Denn Unesco-Weltkulturerbe und -Weltnaturerbe werden nur Stätten, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität weltbedeutend sind. Die Welterbeliste wurde 1978 mit zwölf Welterbestätten eröffnet. Mittlerweile gibt es 1092 Stätten in 167 Ländern.

„Die Aberkennung des Unesco-Welterbetitels 2009 aufgrund des Baus der Waldschlößchenbrücke ist für Dresden bedauerlich“, sagt Jürgen Amann, Chef der städtischen Marketinggesellschaft DMG. Aber der befürchtete Einbruch bei den Besucherzahlen blieb aus. „Unmittelbare Auswirkungen auf den Tourismus in der Landeshauptstadt können statistisch nicht belegt werden“, so Amann. „Vielmehr haben wir ab 2009 ein deutliches Wachstum an Ankünften und Übernachtungen verzeichnet.“

Blick auf die damals im Bau befindliche Waldschlößchenbrücke.
Blick auf die damals im Bau befindliche Waldschlößchenbrücke. © Wolfgang Wittchen

Rathaussprecher Kai Schulz erklärt: „Selbstverständlich ist der Verlust des Welterbetitels zu bedauern – auch zehn Jahre danach.“ Und: „Seriös“ lasse sich aber kein materieller Schaden beziffern. „Es gibt für Einzelprojekte Fördermittel bei der Bundesregierung, diese bewegen sich aber finanziell gemessen an der Zahl der Welterbestätten im unteren Bereich“, erläutert Schulz. Auf Städtebauförderung des Bundes oder der EU habe der Verlust des Titels keinen Einfluss. „Ideell hat es sicherlich einen Schaden gegeben“, räumt Schulz ein. „Allerdings zeigt die sehr gute Nutzung der Waldschlößchenbrücke, dass es eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gibt.“

Helma Orosz hatte unmittelbar nach der Aberkennung 2009 als Oberbürgermeisterin gesagt, Dresden könne sich erneut bewerben, wenn die Brücke fertig ist. Sie war überzeugt, dass diese mit dem Welterbe vereinbar sei. Die Stadt hat allerdings davon abgesehen.

Helma Orosz (Mitte) bei der Unesco-Tagung im spanischen Sevilla. Dort wurde Dresden der Titel aberkannt.
Helma Orosz (Mitte) bei der Unesco-Tagung im spanischen Sevilla. Dort wurde Dresden der Titel aberkannt. © Emilio San Martín

Deshalb müsse man nun nach vorne blicken. „Der Oberbürgermeister unterstützt seit Jahren die Bestrebungen einer Bewerbung Helleraus als Welterbe“, so Schulz. Der Stadtrat hat sich ebenfalls dazu bekannt, den Förderverein „Weltkulturerbe Hellerau“ und dessen Bewerbung als Welterbe zu unterstützen. Auch Amann sagt, dass er diese Bewerbung ausdrücklich begrüße. „Wir sind uns sicher, dass dies die Wahrnehmung und die Weiterentwicklung der Gartenstadt Hellerau deutlich erhöht und den Facettenreichtum Dresdens insgesamt noch sichtbarer macht.“

Löser meint, man könne viel aus der unrühmlichen Geschichte lernen. „So große Projekte wie die Brücke müssen künftig mit der Mehrheit der Stadtgesellschaft umgesetzt werden.“ Zwar habe es 2005 den Bürgerentscheid gegeben. Aber da seien die Folgen eben nicht klar gewesen. „Man darf die Stadt nicht in zwei Lager spalten, um seinen politischen Willen durchzusetzen.“

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