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Weniger Zwangsräumungen in Dresden

Zwar haben viele Alleinerziehende und Senioren Probleme mit Mietschulden. Aber spezielle Hilfsangebote zeigen Wirkung.

Von Nora Domschke
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Katrin Kroupová, Juristin und Sprecherin des Mietervereins Dresden, überprüft eine Mietminderung. Weil diese oft zu hoch oder nicht gerechtfertigt sind, kommt es zu Mietschulden.
Katrin Kroupová, Juristin und Sprecherin des Mietervereins Dresden, überprüft eine Mietminderung. Weil diese oft zu hoch oder nicht gerechtfertigt sind, kommt es zu Mietschulden. © dpa/Sebastian Kahnert

So schnell kann es gehen: Nur zwei Monate im Rückstand mit der Miete, schon kann der Vermieter fristlos kündigen. Die Dresdner Schuldnerberatungen der freien Träger warnen: Wohnen darf nicht ungesteuert dem freien Markt überlassen werden. Sie fordern eine wirksame Mietpreisbremse, verstärkten sozialen Wohnungsbau und höheres Wohngeld.

Annett Gaumnitz und Petra Klinge sind zwei Frauen, die ganz nah dran sind an jenen Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können, denen zum Teil sogar die Wohnungslosigkeit droht. Annett Gaumnitz ist Schuldnerberaterin der Gemeinnützigen Gesellschaft Striesen Pentacon, Petra Klinge kümmert sich um die schweren Fälle, um Dresdner, die nicht selten schon eine Räumungsklage bekommen haben und ausziehen müssen. Petra Klinge verhandelt mit dem Vermieter, versucht, den Auszug zu verhindern. Klappt das nicht, sucht sie eine neue Wohnung. „Die soll natürlich preiswerter sein, aber das ist bei dem aktuellen Wohnungsmarkt in Dresden mehr als schwer.“ Auch Großvermieter wie Vonovia oder Wohnungsgenossenschaften lehnen Mieter mit einem Schuldenvorleben oder einem negativen Schufa-Eintrag heute ab. Dabei müsse der noch nicht einmal etwas mit Mietschulden zu tun haben, erklärt Annett Gaumnitz.

Viel zu wenige Sozialwohnungen

Die Großvermieter können sich mittlerweile aussuchen, welchen Interessenten sie für ihre Wohnung nehmen. Der Bedarf übersteigt bei Weitem das Angebot an bezahlbaren Wohnungen: Für 56 000 Wohnscheinberechtigte, also Menschen mit geringem Einkommen, gibt es in der Landeshauptstadt 10 000 Sozialwohnungen – der Großteil des Bestandes ist in privater Hand. Mit der Folge, dass Mieten schneller steigen als das Einkommen und damit den Menschen weniger Geld zum Leben bleibt. Experten sagen, dass die Miete nicht höher als 30 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens sein sollte. Bei geringem Einkommen ist das kaum möglich. Das ist ein Grund dafür, warum Menschen in finanzielle Not geraten. Dann kommen die Schuldnerberatungen ins Spiel. Annett Gaumnitz und Petra Klinge machen zwei große Gruppen bei den Hilfesuchenden aus: alleinerziehende Mütter und Senioren. „Alleinstehende Mütter gehen oft voll arbeiten, weil das Gehalt nicht reicht, stocken sie mit Arbeitslosengeld II auf“, sagt Petra Klinge. Allein diese Anträge würde Frauen, die sich allein um ihre Kinder kümmern müssen, nicht selten überfordern. „Dazu kommen dann weitere Anträge für das Bildungspaket für die Kinder, für kostenfreies Kita-Essen, Dresden-Pass, Unterhaltsvorauszahlungen – das ist zu viel Bürokratie.“ Zahlreiche Formulare, Termine auf Ämtern, dafür reiche schlichtweg oft die Zeit gar nicht aus. Ohne Unterstützung lauert die Schuldenfalle. Ähnlich sei das auch bei Senioren, deren Rente zu niedrig ist, um alle Kosten zu bestreiten.

Weil es in Dresden so viele Zwangsräumungen gab, richtete die Stadt vor vier Jahren die Beratungsstelle von Annett Gaumnitz und Petra Klinge ein. Sie sitzen in Striesen an der Schandauer Straße 60. Seitdem sind zwar die Mietschuldenfälle, die dem Dresdner Sozialamt bekannt sind, nicht gesunken, wohl aber die Zahl der Zwangsräumungen. Gab es 2012 noch 852 Zwangsräumungen, waren es 2015 insgesamt 686 und im vergangenen Jahr 415.

Der hohen Zahl der Zwangsräumungen standen damals nur wenige Vorsprachen im Sozialamt gegenüber. Dieses Verhältnis hat sich heute geändert. Zum Vergleich: 2015 waren dem Sozialamt 146 Mietschuldenfälle bekannt, es gab aber fast 700 Räumungen. 2018 haben sich 272 Dresdner an das Sozialamt gewandt, also mehr, aber es gab mit 415 deutlich weniger Räumungen. Offenbar nutzen mehr Menschen die Hilfe von Schuldnerberatungen, mit der Folge, dass es weniger Räumungen gibt.

Auch der Mieterverein Dresden hilft, wenn eine Räumung droht, aber nicht mit einer Schuldnerberatung, sondern juristisch. Sprecherin Katrin Kroupová fällt auf, dass es zunehmend Mietrückstände durch Mietminderungen der Bewohner gibt, etwa aufgrund von Wohnungsmängeln. „Das ist aber nicht immer rechtens, oder die Kürzung ist einfach zu hoch – und dann droht die Kündigung.“