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Dynamo hat neuen Doc - das steckt dahinter

13 Jahre lang hat Tino Lorenz die Mannschaft betreut, nun ist ein anderer auf dem Mannschaftsfoto.

Von Sven Geisler & Tino Meyer
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Dynamos neuer Arzt ist schon auf dem Mannschaftsfoto: Dr. Onays Al-Sadi vom Uniklinikum Dresden, neuer Partner des Vereins.
Dynamos neuer Arzt ist schon auf dem Mannschaftsfoto: Dr. Onays Al-Sadi vom Uniklinikum Dresden, neuer Partner des Vereins. © dpa/Robert Michael; Bearbeitung: SZ-Bildstelle/Uwe

Eine Mitteilung fehlt bisher, das neue Gesicht fällt selbst auf dem Mannschaftsfoto nicht besonders auf. Schließlich hat es bei Dynamo einige Wechsel gegeben vor der Saison, das betrifft auch den Betreuerstab. Die Physiotherapeuten werden beinahe genauso oft ausgetauscht wie die Spieler, einer wollte sich verändern, der andere musste gehen. Und nun traf es auch den Mannschaftsarzt. Dabei war er so etwas wie eine Institution.

Seit Mai 2006 betreute Dr. Tino Lorenz die Dresdner Fußballer. Bis sein Vertrag vom Verein unmittelbar nach der vorigen Saison gekündigt wurde. Per Brief. Mit besten Wünschen für die Zukunft und freundlichen Grüßen der Geschäftsführer.

Er sei überrascht gewesen, sagt Lorenz, mag sich aber zu den Umständen öffentlich nicht äußern. Sein Nachfolger steht jedoch bereits fest und wird auch offiziell auf der Internetseite des Vereins genannt: Dr. Onays Al-Sadi, Assistenzarzt am Dresdner Uniklinikum für Orthopädie und Unfallchirurgie. Das ist Dynamos neuer Partner in medizinischen Fragen, nicht mehr das Krankenhaus Friedrichstadt. Man verspricht sich offenbar breitere Expertisen und bessere Behandlungsmöglichkeiten.

Als Mannschaftsarzt hat Dr. Tino Lorenz bei Dynamo auch Justin Eilers medizinisch betreut. 
Als Mannschaftsarzt hat Dr. Tino Lorenz bei Dynamo auch Justin Eilers medizinisch betreut.  © Robert Michael

Auf Nachfrage der SZ gibt es vom Verein dazu keine offizielle Antwort mit dem Hinweis, der Vertrag sei noch nicht fix. Andererseits hatte Ralf Minge darüber bereits im Trainingslager gesprochen, eher beiläufig, sodass die Tragweite der Veränderungen kaum abzuschätzen war. „Wir sind bestrebt, auf das bestehende medizinische System noch eins draufzusetzen“, erklärte Minge und nannte zuerst die zwei neuen Physiotherapeuten. Julian Binder hat in Donaustauf in der Physiotherapie von Klaus Eder gearbeitet, der unter anderem die Nationalmannschaft betreut. Korbinian Dötter ist auch Osteopath und Heilpraktiker, bringt also neue Behandlungsansätze ein. „Sie haben unser Level noch einmal deutlich angehoben“, meinte Minge.

Außerdem kündigte er an, die seit 2017 bestehende Kooperation mit dem UKD, also dem Universitätsklinikum, ausweiten zu wollen. „Das ist nicht das große Geheimnis, aber wir sind noch nicht auf der Zielgeraden. Die haben tolle Institute und super Möglichkeiten“, sagte Minge – und lieferte eine Erklärung für die neue Orientierung: „Mit dem Ausscheiden von Felix Bonnaire in Friedrichstadt haben wir gesagt: Wir dehnen das mit UKD aus. Die Überschrift ist: Ich will das Beste für Dynamo, und da sind wir noch lange nicht am Ende.“

Lorenz versucht, seine Enttäuschung zu verbergen. Es ist weniger die Tatsache, nach 13 Jahren ausgetauscht zu werden, als vielmehr die Art und Weise. Sich vor dem Spiel gegen Paris St. Germain verabschieden zu lassen, kam nicht infrage. An dem Tag war er gar nicht in Dresden. Auf einen warmen Händedruck und lobende Worte legt er inzwischen keinen Wert mehr. Einige Spieler und nun ehemalige Mitstreiter haben den Weg zu ihm gefunden, um noch mal Danke zu sagen.

Er hätte weitermachen und abwechselnd als einer von vier Ärzten die Schwarz-Gelben an den Spieltagen betreuen können. Doch in der veränderten Struktur lehnt er das ab, wahrscheinlich wäre er in der Konstellation von sich aus gegangen. „Ich hätte mich damit schwergetan“, sagt er. Was keine Wertung sein soll, schon gar keine negative. Lorenz hat einfach über die lange Zeit ein medizinisches Netzwerk aufgebaut, in dem Dynamo-Spieler in Dresden eine gewisse Vorzugsbehandlung genossen haben. Untersuchungen, Operationen, Therapien – das soll nun bei der Uniklinik gebündelt werden. Diese Konsequenz erscheint aus Vereinssicht durchaus sinnvoll, es ist aber gerade deshalb zweifelhaft, warum bisherige Partner offenbar vor den Kopf gestoßen worden sind.

Kapitän Marco Hartmann hatte oft mit Tino Lorenz zu tun.
Kapitän Marco Hartmann hatte oft mit Tino Lorenz zu tun. © Robert Michael

Lorenz ist nicht nur ein Mediziner mit großer Erfahrung, zehn Jahre lang hat er als Notarzt im Rettungshubschrauber Menschenleben gerettet und diesen Einsatz für den bei Dynamo aufgegeben. Weil er der Sportgemeinschaft auf besondere Weise verbunden ist. Als kleiner Junge war er Torwart, hielt bei einem Sichtungsturnier ein paar Bälle – und spielte ab sofort im Nachwuchs für Dynamo. Bis er sich entscheiden musste. „Ich hatte die Wahl: Fernstudium Sport an der DHfK in Leipzig oder Direktstudium Ökonomie an der TU Dresden“, erzählte er in einem Gespräch mit der SZ.

Doch er interessierte sich damals schon dafür, was ein Mannschaftsarzt macht. Zumal er darin die Chance sah, ab und zu die engen Grenzen der DDR verlassen zu können. „Als Torwart geriet ich mit meinen 1,78 Metern an körperliche Grenzen und hätte gegen Bernd Jakubowski und Jörg Klimpel kaum eine Chance gehabt. Also entschied ich mich fürs Medizinstudium und spielte noch für Empor Tabak Dresden in der zweithöchsten DDR-Liga.“

Später verlor Lorenz durch seine Arbeit im Krankenhaus, aber auch wegen der Querelen um den kriminellen Präsidenten Rolf-Jürgen Otto den Kontakt zu Dynamo. Bis sich der Klub im Mai 2006 bei ihm meldete. Peter Pacult war zum ersten Mal Chefcoach in Dresden und wollte einen Arzt, der früher Fußball gespielt hat und weiß, wie die Jungs ticken. Seitdem hat Lorenz elf Trainer erlebt, nicht jeder hat seine Arbeit gewürdigt. Mancher glaubte, bei Verletzungen mit dem Finger auf die medizinische Abteilung zeigen zu können, anstatt sich selbst zu hinterfragen. Oft wurden Diagnosen von Leuten bewertet, denen jegliches Fachwissen fehlt. Lorenz hat das in Kauf genommen, weil es ihm um Dynamo ging.

Nun geht es bei Dynamo ohne ihn weiter. „Ich bin enttäuscht“, gibt Lorenz zu, „aber es sind damit auch tausende Steine von meinen Schultern genommen worden, was ich genieße.“ Er will sich jetzt bei den Volleyballerinnen des Dresdner SC, die er ebenfalls seit Jahren betreut, „ein bisschen mehr engagieren“, wie er sagt. Sie hätten zwar finanziell gar keine Möglichkeiten, „aber in puncto Wertschätzung, die wichtig ist für die Motivation, könnte Dynamo von ihnen einiges lernen“.