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Dynamos Sorge vor dem Ex

Uwe Neuhaus könnte mit Arminia Bielefeld die Krise der Dresdner verschärfen. Wie er darüber denkt.

Von Sven Geisler
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Immer ein bisschen skeptisch: Der frühere Dynamo-Trainer Uwe Neuhaus hat Arminia Bielefeld zu einem Spitzenteam der zweiten Liga entwickelt.
Immer ein bisschen skeptisch: Der frühere Dynamo-Trainer Uwe Neuhaus hat Arminia Bielefeld zu einem Spitzenteam der zweiten Liga entwickelt. © Fotostand

Sie halten noch Kontakt, aber er ist seltener geworden, diese Woche sowieso tabu. Man sieht sich am Samstag im Stadion. Zum zweiten Mal wird Uwe Neuhaus als Trainer dorthin zurückkehren, wo er gut drei Jahre lang gearbeitet hat. Es wäre durchaus angebracht, ihn als Erfolgscoach zu bezeichnen, wobei der Aufstieg mit Dynamo in die zweite Liga 2016 sogar die kleinere Leistung war – im Vergleich zur Amtszeit. Denn länger hatte sich seit 1990 vor ihm nur Christoph Franke auf der Dresdner Bank gehalten.

Und jetzt, mit dem beinahe wehmütigen Blick zurück, lässt sich die Frage aufwerfen, ob man es bei Dynamo bereut, Neuhaus im August 2018 vor die Tür gesetzt zu haben. Schließlich gab es sportlich keinen akuten Handlungsbedarf nach je einem Sieg und einer Niederlage zum Saisonstart, gut, und dem Pokal-Aus beim Regionalligisten SV Rödinghausen. Es war eher eine latente Unzufriedenheit aus der Vorsaison, die sich über den Sommer geschleppt hatte – auf beiden Seiten. Wer meint, einem erfahrenen Chefcoach wie Neuhaus ein paar junge Theoretiker an die Seite stellen zu müssen, braucht sich nicht zu wundern, wenn der die Lust verliert.

Als Ralf Minge beim Besuch im Zwinger diese Woche darauf angesprochen wird, ob es nicht besser gewesen wäre, damals an Neuhaus festzuhalten, wehrt er ab. „Das mutet hier zwar wie ein Märchenschloss an“, sagt Dynamos Sportgeschäftsführer mit Blick auf die barocke Kulisse, „aber solche Sachen zu konstruieren, wäre der falsche Zeitpunkt. Wir sollten uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren.“ Genau das ist es aber, weshalb diese Diskussion überhaupt aufkommt, denn seit Neuhaus’ Rauswurf haben weder sein Nachfolger Maik Walpurgis noch dessen Nachfolger Cristian Fiel die Mannschaft nach vorn gebracht. Stattdessen steckt sie zum dritten Mal in Folge im Abstiegskampf.

Und Neuhaus? Seit Dezember 2018 ist er Chefcoach in Bielefeld, in diesem Jahr hat er mit der Arminia saisonübergreifend 50 Punkte aus 26 Ligaspielen geholt. Das ist die Quote eines Aufsteigers und nicht zufällig stehen die Ostwestfalen derzeit auf dem Relegationsplatz. Erst am Montag haben sie beim 1:1 im Spitzenspiel gegen den Hamburger SV ihren Anspruch untermauert, auch wenn Neuhaus so etwas ungern hört. Seine Einstellung: „Je länger man in diesem Punkt Ruhe hat, desto besser.“

Sportdirektor Ralf Minge (l.) hat Uwe Neuhaus im Frühjahr 2014 zu Dynamo geholt. 
Sportdirektor Ralf Minge (l.) hat Uwe Neuhaus im Frühjahr 2014 zu Dynamo geholt.  © Robert Michael

Assistenzcoach von Sammer in Dortmund

Im November wird er 60, ist mit 283 Spielen allein in der zweiten Liga einer der erfahrensten Trainer. Aber in der Bundesliga hat er bislang nur als Assistent gearbeitet: von 1998 bis 2004 bei Borussia Dortmund. Mit dem BVB wurde er 2002 sogar Meister. Chefcoach war aber ein anderer: Matthias Sammer, also ein Dresdner. Noch so ein Bezug, den man vor dem Wiedersehen bemühen könnte. Aber dafür ist die sportliche Lage einfach zu brisant, was in erster Linie für Dynamo gilt, aber irgendwie auch für die Arminia. Schließlich will man einen Rückschlag vermeiden, weshalb Neuhaus keine Gnade kennt.

„Ich denke nur daran, wie wir das Spiel gewinnen. Die Auswirkungen sind ja nicht mein Problem“, gibt er unumwunden zu. Bereits bei seiner ersten Rückkehr wurde es ein bitterer Abend für die Gastgeber, denn nach 3:1-Führung verloren die Schwarz-Gelben noch mit 3:4. „Wir hätten heute gegen jede andere Mannschaft spielen können, meine Freude wäre genauso groß oder gering über die drei Punkte gewesen“, sagte Neuhaus damals. Sofern er so etwas wie Genugtuung empfunden hätte, würde er sie sich nicht anmerken lassen. Aber so tickt er nicht. Vielmehr blickt er mit seiner Erfahrung gelassener auf solche vermeintlich besonderen Konstellationen. Letztlich ist es ein Spiel wie jedes andere, wobei das so doch nicht stimmt.

Etwas ist natürlich besonders, und das weiß Neuhaus eben auch: der Einfluss von außen. Die Atmosphäre im Rudolf-Harbig-Stadion nennt er „sowieso immer hitzig, aufgeheizt und frenetisch“. Wie die Stimmung der Fans wirken kann, hat er erlebt. Positiv bei Aufholjagden wie gegen RB Leipzig im Pokal oder Eintracht Braunschweig, als jeweils ein 0:2 wettgemacht wurde. Aber auch negativ wie beim Pfeifkonzert zum Saisonfinale 2018. „Jetzt steht die Mannschaft unter Druck“, sagt er – und warnt: „Ich weiß, dass es – gerade durch diese Konstellation – ein richtig ekliges Spiel wird. Darauf müssen wir uns gründlich vorbereiten.“

Bei Dynamo könnte man neidisch sein auf seinen Erfolg. „Ich gönne dem Uwe das“, entgegnet Minge, schränkt aber sofort ein: „Am Samstag natürlich nicht.“ Er habe die Arminia selbst zweimal live gesehen in Regensburg (3:1) und Hannover (2:0). „Man sieht seine Handschrift. Die Mannschaft spielt schon über einen längeren Zeitraum zusammen, passt von der Mischung richtig gut. Sie erzielt nicht zufällig die Ergebnisse, und mit den Ergebnissen wächst das Selbstvertrauen. Das war regelrecht spürbar.“

Bei Dynamo passiert gerade das Gegenteil. Und während Minge alles dafür tut, eine Trainerdiskussion abzuwürgen, steht Neuhaus in Bielefeld vor der Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrages. „Dass wir beide wissen, was wir aneinander haben, ist kein Geheimnis. Das machen wir ganz unaufgeregt“, sagte Arminia-Geschäftsführer Markus Rejek dem Westfalen Blatt – und ein möglicher Aufstieg in die Bundesliga spielt dabei durchaus eine Rolle. „Ich glaube, er hat erkannt, dass er hier einen Verein hat mit dem Potenzial, das hinzubekommen.“ (mit dpa)