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Eine erzwungene Versammlung

Sachsens Abgeordnete müssen trotz Corona-Krise in den Landtag. Die AfD spricht vom Katastrophenfall, die anderen von Panikmache.

Von Andrea Schawe
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Die AfD-Abgeordnete Doreen Schwietzer trägt im Landtag Mundschutz.
Die AfD-Abgeordnete Doreen Schwietzer trägt im Landtag Mundschutz. ©  Ronald Bonss

Dresden. Es ist irgendwie absurd: In ganz Sachsen schließen Kitas, Schulen und Geschäfte, die Menschen sollen soziale Kontakte vermeiden und Abstand halten, Sport- und Spielplätze werden gesperrt. Im sächsischen Landtag sieht es am Mittwochmorgen nicht wirklich danach aus. Die AfD war dagegen, das Plenum aus Sorge um eine Ausbreitung des Coronavirus mit verkleinerter Mannschaft durchzuführen oder zu verschieben und erzwang die Sitzung. Trotzdem ist die Krise im Landtag überall.

Am Eingang zum Gebäude steht die Aufforderung, Desinfektionsmittel zu benutzen. Jeder Besucher muss einen Fragebogen ausfüllen, ob man in den vergangenen 14 Tagen in einem Risikogebiet war, Kontakt zu einem Erkrankten hatten oder selbst grippeähnliche Symptome aufweist – wenn ja, darf man wieder gehen. „Bitte haltet Abstand zueinander“, sagt Landtagspräsident Matthias Rößler zu seinen CDU-Kollegen vor Beginn der Sitzung. Die Abgeordneten von SPD, Grünen, Linke und die Minister auf der Regierungsbank lassen zwischen sich immer einen Platz frei. Das geht, weil sich insgesamt 23 Abgeordnete entschuldigt haben, sechs gehören der AfD-Fraktion an.

Mundschutz und Handschuhe

Deren Abgeordnete sitzen eng beieinander und achten auch bei Gruppengesprächen nicht auf einen Mindestabstand. Da wirkt es schon fast komisch, dass die Bautzner AfD-Abgeordnete Doreen Schwietzer sogar einen Mundschutz trägt. Auch die stellvertretende Landtagspräsidentin Andrea Dombois (CDU) trägt weiße Handschuhe.

"Achtung Bitte Hände desinfizieren" steht im Foyer des Landtags vor Beginn der Plenarsitzung. 
"Achtung Bitte Hände desinfizieren" steht im Foyer des Landtags vor Beginn der Plenarsitzung.  © Sebastian Kahnert/dpa

„Diese Sitzung heute und hier ist unverantwortlich“, sagt Ministerpräsident Michael Kretschmer in seiner Regierungserklärung. „Es wäre vernünftig gewesen, dem Rat der anderen Fraktionsvorsitzenden zu folgen, die Sitzung kleiner zu machen, sie zu vertagen, ein anderes Gremium zu finden oder über ein Notparlament zu reden. All das haben sie verhindert.“ Die AfD habe sich mittlerweile so radikalisiert, dass sie nicht mehr für rationale Argumente erreichbar sei. „Scheinheilig“ und „Panikmache“ sei es, wenn die AfD beklage, dass die Regierung nicht genug für den Schutz der Bevölkerung tue, sagt Susanne Schaper (Linke). SPD-Fraktionschef Dirk Panter nennt die AfD „heuchlerisch“. Es folgen immer wieder lautstarke Wortgefechte zwischen der AfD und den anderen Fraktionen.

Dabei soll die Sitzung mit gekürzter Tagesordnung eigentlich dazu beitragen, die Bevölkerung zu informieren. Ministerpräsident Kretschmer ruft die Sachsen zur Besonnenheit auf. Es sei nicht Zeit für Hektik und „Übersprungsreaktionen“, sondern für ein „kluges, vorausschauendes Handeln“. Das, was Sachsen derzeit erlebe, sei eine große Herausforderung. So etwas habe es bislang noch nicht gegeben. „Wir wissen nicht, wie lange diese Krise anhalten wird, aber wir müssen uns auf einen längeren Zeitraum einstellen“, sagt Kretschmer. „Jeder und jede einzelne muss für sich und für die Mitmenschen Verantwortung übernehmen.“ Man wolle in zehn bis 14 Tagen einen Rückgang oder eine Stagnation bei den Erkrankungen erreichen. Wenn das nicht der Fall ist, müsse man weitere Einschränkungen vornehmen.

Allerdings sei Sachsen nicht „gänzlich unerfahren mit Krisen“, sagt Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Es gebe eine solide Basis an Krisenmanagement. Aber nur eine sofortige Änderung des Alltags verhindere eine weitere Ausbreitung des Virus. „Halten Sie Abstand zu Kollegen, Nachbarn und Freunden, Gästen und Kunden“, so die Ministerin. „Abstand zu allen Menschen außerhalb ihrer engsten Familie.“ 

Die aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens helfen dabei, die Krise zu überwinden und Leben zu retten. „Wichtig ist auch, dass wir alle die Nerven behalten und keine Hysterie entsteht.“ Es gelte, Zeit zu gewinnen, um künftige Fälle zu behandeln und einen Impfstoff zu entwickeln. Man rücke jetzt als Gesellschaft am besten zusammen, indem man körperlich Abstand halte.