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Er soll Dresdens Airport auf Kurs bringen

Götz Ahmelmann macht als Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG einiges anders als seine Vorgänger. Auch was Billigflieger angeht.

Von Michael Rothe
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Die Arme verschränkt Götz Ahmelmann, Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, nur auf Wunsch des Fotografen.
Die Arme verschränkt Götz Ahmelmann, Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, nur auf Wunsch des Fotografen. © Ronald Bonß

Auf dem runden Tisch stehen Wasserflaschen und eine Schüssel Gummibärchen. Ein Hauch von „Wetten, dass ...?“ und die Nachmittagssonne durchziehen den Konferenzraum Lilienthal im Dresdner Flughafen mit Top- Aussicht auf die Startbahn. Ein Stillleben. Doch genau diese Idylle ist das Problem, weshalb Götz Ahmelmann vor elf Monaten zum Vorstandschef der Mitteldeutschen Flughafen AG bestellt wurde. Der Manager hält sozusagen die Außenwette: „Wetten, dass der Dresdner Flughafen eine Existenzberechtigung hat!“

Erleichtert legt Ahmelmann sein Jackett ab. Der Fotograf ist weg, da kann das Interview auch ohne den blauen Schlips laufen, den er sich „extra dafür gekauft“ hat – sagt’s und lacht. Ein halbes Jahr hatte sich der Newcomer für den ersten Pressetermin Zeit gelassen, inklusive Fotoshooting vor einer Aeroflot-Maschine. Dabei ist sich der lockere Typ nicht zu schade, selbst anzupacken, Stativ und Lampe zu tragen. Sein Amtsvorgänger hatte zu derlei Präsentation meist ein Einstecktüchlein im Sakko. Ahmelmann macht manches anders als die erfolglose und vom Aufsichtsrat geschasste Crew aus dem einstigen Lufthanseaten Markus Kopp und Ex-Obi-Manager Johannes Jähn.

Besagtes Interview ist ein halbes Jahr her und einiges geschafft. „Ich bin stolz, dass wir in Dresden für touristische Ziele, die von der Germania-Pleite betroffen waren, in kürzester Zeit Ersatz beschaffen konnten“, sagt er. In 72 Stunden sei mit Sundair ein neuer Partner an Bord gewesen, wenig später auch die Billigflieger Corendon und Lauda. Und Ende Oktober hebt erstmals Ryanair nach London ab.

Sachsen hat Bedarf für zwei Airports

Auch der Landeshauptstadt sind die lange verschmähten Lowcoster nun salonfähig, der Passagierschwund lässt keine Wahl. Bis Ende Juli wurden in Klotzsche nur gut eine Million Reisende gezählt, über acht Prozent weniger als vor einem Jahr. 2018 waren insgesamt 1,76 Millionen Passagiere registriert worden, weniger als 2000 und die Hälfte der Kapazität – auch weil viele in Dresden gestartete Airlines nach kurzer Zeit vom Himmel verschwanden: Cirrus, Bonair, OLT Express, Air Berlin, Germania. Immerhin: Die Finanzen scheinen zu stimmen. Wie Leipzig-Halle sei auch Dresden „von keinerlei Betriebskostenzuschüssen abhängig“, heißt es vom Konzern, der zu 77 Prozent dem Freistaat gehört. Der Jahresfehlbetrag von 4,7 Millionen Euro 2018 in Dresden sei nur Abschreibungen auf die Infrastruktur geschuldet, „rein bilanziell und ohne Zahlungsverpflichtungen der Anteilseigner“. Der operative Gewinn habe auf sechs Millionen Euro zugelegt.

Der Druck auf Ahmelmann, Chef von 1 100 Mitarbeitern im Konzern, ist groß. Schon vor seinem Start hatte es Gegenwind gegeben – und beim Votum des Aufsichtsrats ein Patt. Nur die doppelte Stimme des Vorsitzenden hatte dem in Kiel geborenen und in Südamerika aufgewachsenen Luftverkehrskaufmann diesen Job gesichert. „Ich habe davon nicht abgeleitet, ob ich willkommen bin“, gibt sich der rotblonde Riese cool. „Nicht eine Sekunde“ habe er sich gefragt, was er sich da angetan habe. Der Manager, 20 Jahre bei Lufthansa und später bei Etihad und seiner Tochter Air Berlin, hatte nach deren Pleite und kurzer Auszeit die Seiten gewechselt. Er weiß, wie Flughäfen ticken, war er doch bei der Kranichlinie mal verantwortlich für die Schnittstelle zu Fraport, Betreiber des Frankfurter Airports. Nur der öffentliche Fokus sei jetzt „noch `nen Tick stärker, als erwartet“, gesteht er.

Dresdens Flughafen hat hohe Priorität in der Landesregierung und steht in Dauerkritik. 2014 waren Vertreter von Unternehmen, Hotels, Wissenschaftseinrichtungen und -unternehmen, Kammern und Verbänden in großen Zeitungsanzeigen verärgert, weil viele Verbindungen gestrichen werden, Abflugzeiten am Bedarf vorbeigehen und Unternehmen sich zurückziehen.

Das soll sich ändern. Ahmelmanns Zielvorgabe: lebendiger, attraktiver, effizienter. Das heißt: den Verkehr entwickeln, die Airports als Aushängeschilder und Eingangstore für Gäste verschönern, interne Prozesse beschleunigen, Kooperationen verstärken, kostengünstiger arbeiten – auch durch Fernsteuerung des Dresdner Airports ab 2022 durch Lotsen in Leipzig.

Der Traum weiterer Nonstop-Flüge

Es gehe ihm nicht um Abbau, betont der Manager. Dresden sei ein hervorragender innovativer Wirtschaftsstandort – auch der Luft- und Raumfahrt rund um Elbe Flugzeugwerke und IMA. Das müsse man Airlines vermitteln, sie holen und halten. „Das schaffen wir nur, wenn die, die über vermeintlich schlechte Anbindung meckern, auch fliegen“, sagt der zweifache Familienvater. Dresden und Leipzig-Halle seien die meistunterschätzten Flughäfen, in der Selbstvermarktung aber zu bescheiden.

„Wir können lauter“, verspricht er und trommelt auch unkonventionell wie beim Werbeslogan „Fliegen ohne wenn und aBER“, der mit Augenzwinkern auf den unfertigen Hauptstadtflughafen zielt. Braucht Sachsen zwei Flughäfen? „Für mich stellt sich die Frage nicht mal theoretisch“, sagt Ahmelmann. Es gebe Bedarf für beide. Sein Zweitwohnort Leipzig, von wo er zu seiner Frau und den Töchtern in Frankfurt pendelt, ist der zweitgrößte deutsche Frachtflughafen. Er profitiert vom Dominoeffekt des 2008 gestarteten DHL-Luftkreuzes. Der Logistik-Hub wächst und wird für 500 Millionen Euro ausgebaut. Ein US-Konzern will mit der modernisierten Dornier 328 wieder ein Passagierflugzeug in Deutschland bauen. Auch für die neue Frachtlinie Cargologic Germany gibt es mittlerweile Grünes Licht – trotz Widerstands von Lufthansa.

In Dresden landet von der Cessna, für die Ahmelmann den Pilotenschein hat, bis zum Airbus A380 alles. Noch passen dort auf die 32 Zeilen der Abflugtafel mehr als die Starts eines Tages. Dresden nennt sich seit 2008 „International“, hat mit Moskau, Basel, Zürich, Amsterdam und bald London aber nur noch fünf europäische Städteziele. Zwar gibt es Umsteigeverbindungen in die Welt, doch Ahmelmann träumt von Nonstop-Flügen nach Paris, Brüssel, Mailand, Wien, Rom. Wird der Traum wahr, und sind Billigflieger dafür nachhaltige Gehilfen? Der Absturz der Ex-Ryanair-Hochburg Hahn nährt Zweifel. Womöglich ist das Stoff für Ahmelmanns nächste Wette.