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Görlitz schrumpft, aber die Innenstadt lebt

Fast fünf Jahre lang sind die Einwohnerzahlen gestiegen. 2019 erstmals nicht mehr. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Von Ingo Kramer
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Die belebte Berliner Straße im Zentrum der Innenstadt: 16.848 Menschen leben in diesem Stadtteil – weitaus mehr als in jedem anderen Viertel von Görlitz.
Die belebte Berliner Straße im Zentrum der Innenstadt: 16.848 Menschen leben in diesem Stadtteil – weitaus mehr als in jedem anderen Viertel von Görlitz. © André Schulze

Es war eine dramatische Entwicklung: Von Ende 1990 bis Ende 2013 sank die Bevölkerungszahl von Görlitz von 72.237 auf 54.042. Zuerst waren die Verluste jedes Jahr riesig, später immer kleiner – und nach 2013 kippte die Entwicklung: Erstmals seit der Wende ging es aufwärts – bis auf 56.551 im September 2018, was immerhin einem Plus von 2.500 Menschen in knapp fünf Jahren entspricht. Doch seither ist die Entwicklung wieder gekippt: Im September 2019 lebten nur noch 56.272 Menschen in der Neißestadt, ein Minus von 279 zum Vorjahr. Zählt man diejenigen dazu, die mit Nebenwohnsitz hier gemeldet sind, liegt Görlitz jetzt bei 56.878 und einem Minus von 236 zum Vorjahr. Das teilt die Stadt in ihren statistischen Monatszahlen mit. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was sind die Gründe für den Einwohnerrückgang?

Der Hauptgrund ist die Überalterung. Noch immer sterben viel mehr Menschen, als geboren werden. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres starben 679 Görlitzer, nur 329 wurden geboren. Das ergibt ein Minus von 350. In den Vorjahren konnte das durch Zuzug ausgeglichen werden, diesmal nicht, denn es zogen weniger Polen nach Görlitz als in den Vorjahren. So stieg die Zahl der Polen von September 2017 bis September 2018 um exakt 400, im darauffolgenden Jahr aber nur noch um 166 auf nunmehr 3 956. Damit machen Polen zwei Drittel der in Görlitz lebenden rund 6.000 Ausländer aus. Ein weiterer Grund für den Einwohnerrückgang: Einige Flüchtlinge haben Görlitz wieder verlassen. So sank die Zahl der Syrer in einem Jahr um 19, der Iraker um elf.

Verlassen weiterhin vor allem junge Menschen die Stadt?

Ja. Mit den größten Rückgang gab es in der Gruppe der 21- bis 30-Jährigen (minus 317 zum Vorjahr). Noch größer war der Rückgang nur in der Gruppe der 71- bis 80-Jährigen (minus 350). Dort gibt es aber einen ganz anderen Grund: Die Geburtsjahrgänge 1937/38 sind in Görlitz recht stark vertreten. Sie rücken jetzt auf in die Gruppe der über 80-Jährigen, wo es binnen eines Jahres ein Plus von 232 Menschen gab. Zuwachs verzeichnen auch die 61- bis 70-Jährigen (plus 219). Das ist die Altersgruppe, die für den Ruhestand in die alte Heimat zurückkehrt oder sich einen ganz neuen Wohnsitz sucht. Der heißt oft Görlitz.

Geht die Bevölkerung in allen Stadtteilen zurück?

Nein. Einige konnten in den vergangenen zwölf Monaten zulegen, darunter die Innenstadt (plus 17), aber auch eingemeindete Ortsteile, darunter Kunnerwitz und Klingewalde (jeweils plus 13), Schlauroth (plus 12) und Klein Neundorf (plus 4). Die größten Verluste gab es erneut in den Neubaugebieten: Weinhübel (minus 115), Rauschwalde (minus 59) und Königshufen (minus 55). Auch die Südstadt verliert (minus 52).

Interessant ist auch ein Blick auf die langfristige Entwicklung der Stadtteile. In der Innenstadt gingen die Zahlen von 2007 bis 2017 enorm aufwärts: Von 14 .000 auf 16.800. Seither steigen sie nur noch minimal. Trotzdem bleibt die Innenstadt mit Abstand der größte Stadtteil. Die Südstadt erlebte von 2014 bis 2018 eine durchweg positive Entwicklung, 2019 erstmals einen Rückgang. Rauschwalde war von 2013 bis 2017 recht konstant, doch seither sinkt die Zahl auch dort. Am konstantesten sind die Zahlen in Biesnitz: Schon seit 15 Jahren leben dort immer um die 4.000 Menschen.

Leben die Ausländer fast alle in der Innenstadt?

Jein. 3.632 leben in der Innenstadt. Das sind knapp 60 Prozent. Recht hoch ist der Anteil aber auch in der Südstadt (942 Ausländer/15 Prozent). Die restlichen 25 Prozent leben über die Stadt verteilt. 434 sind es in Königshufen, 426 in der Historischen Altstadt, 246 in Weinhübel, 117 in Rauschwalde. Sehr gering sind die Zahlen in den zuletzt eingemeindeten Ortsteilen (insgesamt 104), in Biesnitz (103) und Klingewalde (14).

Sehen die Zahlen in Bautzen besser aus als in Görlitz?

Nein. Bautzen ist jetzt erstmals unter die Grenze von 40.000 Einwohnern gefallen. 2018 lebten dort noch 39.087 Menschen. Das ist ein Rückgang um 15.000 Menschen oder mehr als 28 Prozent seit der Wende. In Görlitz liegt der Rückgang im gleichen Zeitraum „nur“ bei gut 24 Prozent.

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