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Görlitz von oben

Die Firma Mittrach repariert in 60 Metern Höhe das Dach der Lutherkirche. Oben ist es viel windiger als unten – aber der Ausblick entschädigt.

Von Ingo Kramer
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Görlitz von oben mit dem Fischauge fotografiert: Im Vordergrund der Lutherplatz, im Hintergrund erhebt sich die Landeskrone.
Görlitz von oben mit dem Fischauge fotografiert: Im Vordergrund der Lutherplatz, im Hintergrund erhebt sich die Landeskrone. © André Schulze

Eine von außen gepolsterte Gondel und darin zwei Männer und zwei große Besen – das ist alles, was Passanten von unten beobachten können. Die Gondel hängt an einem großen Kran und schafft es am Turm der Lutherkirche bis hoch auf 60 Meter. Die Männer darin, Danilo Mittrach und Gerd Böttcher von der Ludwigsdorfer Dachdeckerei Mittrach, sind nicht nur zum Fotografieren oben: Sie reparieren das Dach des Kirchturms.

„Na ja, fotografiert haben wir natürlich auch“, sagt Dachdeckermeister und Geschäftsführer Danilo Mittrach. Die Chance, Görlitz mal aus 60 Metern Höhe zu sehen, bietet sich schließlich nicht jeden Tag. Gerade zwei Tage dauerten die Arbeiten, vorgestern und gestern. Der SZ-Fotograf durfte bis auf eine Höhe von 40 Metern mitfahren – und hat dort oben all die Fotos gemacht, die auf dieser Seite zu sehen sind.

Der Kirchturm wurde 1901 vollendet. „Die Dach- und Firstziegel sind noch die Originaleindeckung“, sagt Danilo Mittrach. Seit 118 Jahren sei sie nicht repariert worden. Die Dachziegel wurden damals mit Kupferdraht verbunden: „Das wurde ordentlich gemacht, es hält bis heute“, erklärt der 34-Jährige. Mehr noch: Für eventuelle Reparaturarbeiten wurden jede Menge zusätzliche Dach- und Firstziegel im Dachstuhl der Lutherkirche eingelagert: „Darauf können wir jetzt zurückgreifen.“ Das sei viel wert: „Heute bekämen wir diese Ziegel nicht mehr.“ Sie sind grün glasiert und wurden damals in Holland gebrannt. Das belegt die Prägung auf der Rückseite.

Danilo Mittrach repariert in luftiger Höhe das Dach der Lutherkirche.
Danilo Mittrach repariert in luftiger Höhe das Dach der Lutherkirche. © Fotos: André Schulze
Die Altstadt mit Peterskirche, Reichenbacher Turm und Kaisertrutz
Die Altstadt mit Peterskirche, Reichenbacher Turm und Kaisertrutz © undefined
Die Rabryka (Bautzener Straße), dahinter Bombardier
Die Rabryka (Bautzener Straße), dahinter Bombardier © undefined
Danilo Mittrach (l.) und Gerd Böttcher in der Gondel
Danilo Mittrach (l.) und Gerd Böttcher in der Gondel © undefined
Das Awo-Zentralhospital an der Krölstraße
Das Awo-Zentralhospital an der Krölstraße © undefined
Edeka mitten im Quartier an der Dresdener Straße
Edeka mitten im Quartier an der Dresdener Straße © undefined
Lutherkirche und Kran
Lutherkirche und Kran © undefined
Die Jakobuskirche thront hinter dem Bahnhof, im Hintergrund die Berge.
Die Jakobuskirche thront hinter dem Bahnhof, im Hintergrund die Berge. © undefined

Allzu viele davon benötigen die beiden Männer nicht: Gerade mal fünf Firststeine und ebenso viele Dachziegel waren so kaputt, dass die komplett getauscht werden mussten. Bei vielen weiteren Steinen war der Mörtel herausgefallen, sie mussten neu befestigt werden. Ursache der Schäden seien die zahlreichen Stürme der vergangenen Jahre, sagt der Dachdeckermeister: „Jetzt war es höchste Zeit, dass wir das Dach reparieren.“ Vor neun Jahren waren die Männer zwar schon einmal oben, aber längst nicht auf 60 Metern. Damals war die Kirche bis zur Unterkante des Turmes eingerüstet: „Wir haben vom Gerüst aus die Dachentwässerung erneuert und Ausstiegsfenster eingebaut.“ An den Dachziegeln aber wurde damals nichts gemacht, die Schäden waren noch nicht so schlimm. Jetzt kostet der zweitägige Einsatz etwa 5 000 bis 6 000 Euro , der Großteil davon für den Kran der in Holtendorf ansässigen Felbermayr Deutschland GmbH.

Ein Korb in 60 Metern Höhe ist nicht der gewöhnliche Arbeitsplatz der beiden. „So weit oben haben wir noch nie gearbeitet“, sagt Danilo Mittrach. Bei der Ludwigsdorfer Kunstmühle sei mal ein großer Kran nötig gewesen, um über das Dach zu kommen und dort ein Fallrohr anzubringen: „Aber das war nur halb so hoch.“ Mehr Einsätze im Arbeitskorb hat der Meister noch nicht erlebt. Nicht ganz harmlos war diese Woche der Wind. „Dort oben ist es deutlich windiger als unten am Boden“, hat Danilo Mittrach festgestellt. Das war der Grund, warum die Männer Besen mit nach oben genommen haben: Bei Windstärke 5 schwankte der Arbeitskorb, mit den Besen konnten sie sich am Turm entlanghangeln, ohne das Dach mit dem Korb zu zerschlagen. Viel windiger hätte es nicht sein dürfen, sonst hätten die Arbeiten abgebrochen werden müssen: Ab Windstärke 6 dürfen Kräne mit einem mehr als 25 Meter langen Ausleger nicht mehr eingesetzt werden.

Ganz abgeschlossen sind die Arbeiten noch nicht: Als Nächstes sind die niedrigeren Dächer über den Schiffen der Kirche dran. Dafür braucht es aber keinen großen Kran: „Das erledigen wir über Dachfenster und Dachluken.“ Die zwei Männer werden dafür noch einmal zwei Tage benötigen und 30 bis 40 Ziegel tauschen. Die Aussicht ist dort aber nicht mehr ganz so grandios.

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