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"Wir erleben gerade starken Zusammenhalt"

Keine Gottesdienste, keine persönlichen Gespräche - Corona stellt auch die Kirche vor Herausforderungen. Superintendentin Antje Pech sieht aber auch Chancen.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Antje Pech ist die Superintendentin des Kirchenbezirks Löbau-Zittau.
Antje Pech ist die Superintendentin des Kirchenbezirks Löbau-Zittau. © Archivfoto: tompic

Frau Pech, wie organisiert sich der evangelisch-lutherische Kirchenbezirk Löbau-Zittau jetzt in Zeiten der Corona-Krise?

Digital. Und mit Anrufen. Ich sehe eine große Bereitschaft, sich zu beteiligen: mit Andachten, Spielmaterial, Tipps für Vernetzung. Die Mitarbeiter im Kirchenbezirk sind von der Landeskirche schon vor zwei Jahren innerhalb eines Modellprojekts zur Digitalisierung mit Laptops ausgestattet worden. Das hilft uns momentan sehr. Wir arbeiten über eine große Fläche verteilt zu Hause und sind doch jederzeit miteinander in Kontakt und im Austausch.

Das Landeskirchenamt in Dresden ist ebenfalls eine Hilfe. Von dort gibt es Angebote von Gottesdiensten, Hausandachten, Gebete, rechtliche Rahmenbedingungen und ganz konkrete Hinweise für die Organisation zum Beispiel bei der Arbeit mit Konfirmanden und bei Bestattungen.

Menschen dürfen nun nicht mehr zusammenkommen. Was unternehmen Sie jetzt, um das abzufedern, wie kann trotzdem eine Gemeinschaft entstehen?

Unsere Arbeitsabläufe haben sich innerhalb einer Woche grundlegend geändert. Die Werke der Barmherzigkeit, die in der Kirche seit Hunderten von Jahren praktiziert werden, sind in der uns „analogen“ Form gegenwärtig nicht möglich. Unsere einzige Möglichkeit ist momentan, mit den Menschen über E-Mail, Telefon, Skype, Zoom im Gespräch zu sein. Die Inhalte sind die Gleichen. Das klappt gut. Aufgabe von Seelsorge ist ja, in Krisenzeiten die Räume zu gestalten, in denen es keine Antworten gibt, und die ausgehalten werden müssen.

Das geschieht durch Rituale, die auf größere Zusammenhänge verweisen. Sie vermitteln Sicherheit. Momentan sind das Gebete, die zu einer bestimmten Uhrzeit von vielen gebetet werden. Es sind - wie aus den 1980er Jahren bekannt - die Kerzen im Fenster als Zeichen der Hoffnung. Übrigens auch ein sehr alter Brauch: Im Erzgebirge werden Schwibbögen und Lichterengel aufgestellt, hier in der Oberlausitz Herrnhuter Sterne. Und es ist das Balkonsingen mit „Der Mond ist aufgegangen“ jeden Abend um 19 Uhr. Dort findet sich die 7. Strophe: „Herr lass uns ruhig schlafen …und unsern kranken Nachbarn auch.“

Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen entfallen. Wohin können sich die Menschen wenden?

Sie wissen in der Regel, wo sie ihre Pfarrerin oder ihren Pfarrer finden. Sie wissen, dass an der Kirche ein Schaukasten mit allen Telefonnummern ist. Auch am Pfarrhaus. Alle Mitarbeiter sind über E-Mail erreichbar. Und wir sind in den Kirchgemeinden untereinander gut vernetzt und organisieren Hilfe, wo sie konkret gebraucht wird. Hinweise gibt es auch  auf der Internetseite unseres Kirchenbezirks und der Homepage der Landeskirche

Wie können Sie den Menschen Mut machen?

Im 2. Korintherbrief im 12. Kapitel heißt es: "Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig." Wenn wir uns - und vielleicht auch anderen - eingestehen, dass wir zweifeln, Angst haben, nicht weiter wissen, dann ist das mutig. Und nach kirchlicher Tradition geschieht gerade dort die Zuwendung Gottes. Wir sind kurz vor dem Osterfest, dem zentralen Fest der Kirchen. Gefeiert wird die Auferstehung Jesu am dritten Tag. Davor waren Schmerzen, Unsicherheit, Verzweiflung, Tod. Endgültig schien das zu sein. Doch es war nicht das Ende. Wo nach menschlichem Ermessen nichts mehr geht, geht es dennoch weiter - und zwar gut.

Doch dazwischen gibt es die Zeit, die ertragen werden muss, und die nach Gestaltung ruft. Am „Stillen Samstag“, dem Samstag zwischen Karfreitag und Ostersonntag, zeigt sich diese Ambivalenz. Im Alten Testament leitet sich das Wort „mutig sein“ von „stark/fest sein“ ab. Was dazu notwendig ist, ist die Hand. Immer wieder auch die helfende Hand. Mut-Machen geschieht durch Seelsorge: Anderen zuhören, nicht vorschnell sagen, das wird schon wieder, sondern der Klage Raum geben. Wenn wir aussprechen können, was bedrückt, und da hört jemand zu - das entlastet und lässt den Lebensmut wieder wachsen.

Wie wichtig sind jetzt Solidarität und Zusammenhalt?

In den zurückliegenden Jahren haben wir gesehen, dass es immer stärker werdende Tendenzen gab, sich von anderen Menschen abzugrenzen. Gemeinsamkeiten und gemeinsame Interessen sind in den Hintergrund getreten, geringfügige Unterschiede blockierten Gemeinschaft. Der Begriff einer „schizoiden Gesellschaft“ wurde geprägt (Friedrich und Fritz Riemann). Gegenwärtig erleben wir in dieser Krise einen starken Zusammenhalt. Neu tritt ins Bewusstsein, dass wir einander brauchen, dass keiner für sich alleine überleben kann. Eigentlich sollte dieses Bewusstsein nicht nur in Krisenzeiten lebendig sein. 

Welche Tipps und Ratschläge haben Sie, um die Krise gut zu meistern?

Die Regeln einhalten. Reflektieren, dass Krisenzeiten nicht geeignet sind, sich hervor zu tun und sich zu profilieren - indem zum Beispiel Veranstaltungen doch geplant werden, obwohl es jetzt dafür andere Vorgaben gibt. Zusammenhalten. Für sich selbst in der Krise eine Aufgabe finden.

Wie sehen Sie die Chancen, dass die Menschen gestärkt aus Krisen hervorgehen können?

Es gibt Menschen, die gegenwärtig schwer krank sind und an der Krankheit sterben. Es gibt Betriebe, die werden längerfristige Auftragseinbußen nicht verkraften. Und es gibt Einzelne und Familien, die durch die zusätzlichen finanziellen Belastungen an Grenzen geführt werden. Das ist Realität. Dort vorschnell von einer Stärkung zu sprechen, würde das Leiden und die Menschen in ihrer Bedrängnis nicht ernst nehmen. Aber es wird auch das geben, dass Menschen gute Erfahrungen mit Hilfe machen.

Es kann ein neues Vertrauen in unsere Regierung und in unser Land - auch in die Europäische Union - wachsen. Selbst die Weltgemeinschaft kann sich geeint in der Not sehen. All das wird zur Konfliktreduzierung in anderen Feldern beitragen. Es wird momentan oft an Kriegs- und Nachkriegszeiten erinnert. Wir sollten dabei nicht vergessen: Das, was wir in diesen Tagen erleben, ist nicht Krieg. In uns könnte jetzt aber eine Ahnung entstehen, wie schlimm Krieg ist. Und das kann uns für die Zeit nach Corona die Bereitschaft stärken, wieder auf friedliche Konfliktlösung zu setzen, außen- wie auch innenpolitisch.

Wie erleben Sie privat und in Ihrem Umfeld die Corona-Krise?

Ich erlebe Homeoffice. Und es zeigt sich, dass die Investition in Kommunikationstechnik ihre Berechtigung hat: Videokonferenzen mit Kollegen, E-Books, Informationen aus dem Internet sind hilfreich. Ich erlebe dauerhaft drei Personen in einer Dreiraumwohnung. Das erfordert klare Absprachen. Das ermöglicht aber auch gemeinsame Mahlzeiten, Musik hören und gegenseitiges Helfen im Homeoffice. Und wir erleben, wie schwer es ist, sich um die Eltern und die Kinder in anderen Städten nur noch digital und per Telefon kümmern zu können.

Was möchten Sie noch mitteilen?

Danke an alle, die die Regeln einhalten. Danke an alle, die zuhören, anrufen, schreiben, helfen.

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