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Kleingärtner auf Probe in Dresden

Weil die Parzellen im Verein Friedland nicht neu verpachtet werden dürfen, probieren sich nun Gartenneulinge zwischen Laube und Kirschbaum aus. So wie Familie Hahn.

Von Henry Berndt
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Familie Hahn sammelt in diesen Wochen ihre ersten Kleingarten-Erfahrungen.
Familie Hahn sammelt in diesen Wochen ihre ersten Kleingarten-Erfahrungen. © Christian Juppe

Dresden. Es war eine ihrer ersten Entscheidungen: Diese komische Vogelbeere da vorn am Zaun muss raus. Wegen der Kinder. Der bemitleidenswerte Strauch lag schon im Abfallsack, als der Schwiegervater noch mal einen flüchtigen Blick drauf warf: "Was habt denn ihr da?", fragte er und schnell entpuppte sich die Vogelbeere als Rhododendron. Der durfte natürlich zurück in die Erde.

"Und jetzt blüht er sogar", freut sich Philipp Hahn. Gemeinsam mit seiner Frau Madlen und drei Kindern ist er seit Ostern jede freie Minute hier in der Parzelle in der Kleingartenanlage Friedland in Strehlen. Am Anfang der Corona-Zeit hatte sich die Familie auf die Suche nach einem Kleingarten in der Nähe gemacht. Und nun sind sie seit Ostern Probegärtner. Ohne Pachtvertrag, aber mit großer Motivation.

Da der Verein Friedland mitsamt aller Parzellen in den kommenden Jahren dem Wissenschaftspark Ost weichen muss, darf die Vereinsvorsitzende Grit Seifert freiwerdende Gärten nicht neu vergeben. Damit die Flächen in der Zwischenzeit aber nicht komplett verwildern, hatte der Stadtverband die Idee, sie Gartenanfängern zur Probe anzubieten. "So können die Leute ziemlich schnell herausfinden, ob die Kleingarten-Welt etwas für sie ist oder ob sie doch lieber bei ihrem Balkon bleiben", sagt die Vereinschefin.

Beim Unkraut jäten, Gießen und Pflanzen packen schon alle mit an.
Beim Unkraut jäten, Gießen und Pflanzen packen schon alle mit an. © Christian Juppe

Handelsvertreter Philipp hätte sich noch vor nicht all zu langer Zeit klar für den Balkon entschieden. "Meine Frau wollte schon länger einen Garten, aber für mich war die Vorstellung ein Graus, nach der Arbeit noch zum Gießen rausfahren zu müssen", sagt der 37-Jährige. 

Als die Familienbesuche im Großen Garten aber mit der Zeit doch eintönig wurden und das Coronavirus sowieso alles auf den Kopf stellte, ließ sich der Papa schließlich doch überzeugen. Und nun sind sie hier. Parzelle 26a. 200 Quadratmeter.

Die ersten Tage nach der Schlüsselübergabe verbrachten Madlen und Philipp damit, erst einmal das größte Chaos zu beseitigen. Sie riss kiloweise Unkraut aus der Erde, er kümmerte sich um das Gerümpel in der Laube. Unter anderem schmiss er eine komplette Küchenzeile raus. "Auf dem Wertstoffhof waren wir anfangs Stammgäste", sagt er. Der Vorbesitzer war bei der Rückgabe des Pachtlandes von der Stadt entschädigt worden hatte ganz offensichtlich kein Interesse daran gehabt, irgendetwas mitzunehmen. 

Und trotzdem ist die Basis für den Start alles andere als schlecht: Beete und Wege sind anlegt. Es gibt einen großen Pfirsichbaum und Obststräucher. Das Dach der Laube ist dicht und sogar ein Schaukelgerüst für die Kleinen stand schon bereit.

Testlauf vor dem Hausbau

Eine Erkenntnis ist nicht überraschend: Wer als junge Familie kleingärtnern will, der muss zunächst einmal die Kinder bespaßen. Also brachten die Hahns bald eine kleine Plastikrutsche mit. Ein Sandkasten soll folgen und auch in den Beeten dürfen Sophie (2,5), Markus (3) und Daniel (6) hier und da ein bisschen rumbuddeln.

Letztlich machen das die Eltern ja gerade auch nicht anders. "Beim Thema Blumen bin ich raus", sagt Philipp. Trotzdem habe auch er sich gefreut, als die ersten grüne Halme des eingesäten Grases zu sehen waren. "An der Stelle lag vorher ein grüner Teppich. Das war eine echte Stolperfalle." Also weg damit.

Dafür kamen innerhalb kürzester Zeit Erbsen, Kartoffeln, Bohnen, Zucchini und Gurken in die Erde. Hier konnte sich Madlen ausleben. Das Gewächshaus bepflanzte die 32-Jährige mit Tomaten und Paprika.

Vereinschefin Grit Seifert staunt: "Innerhalb weniger Tage ist hier mehr passiert, als in den ganzen Jahren zuvor." Ihr Plan scheint aufzugehen, auch wenn die Anfangsmotivation von Neugärtnern in den meisten Fällen sehr groß ist.

Sogar gebohrt und geschraubt hat Philipp Hahn schon einiges, auch wenn an ihm nicht gerade ein Heimwerker verloren gegangen ist, wie er selbst zugibt. "Aber man wird langsam zum Baumarktgänger."

Nach Probe sieht das hier schon kaum noch aus: In der Laube verlegte der Schwiegervater zuletzt einen neuen Fußboden. "Wir hatten überlegt, ob wir die Hütte gleich wegreißen, aber das wäre uns dann doch zu viel gewesen", sagt Philipp. Wer weiß, wie lange sie noch hier bleiben dürfen - oder wollen.

Über kurz oder lang möchte die Familie ein Haus kaufen oder bauen. Mit Garten natürlich. "Ich bin echt auf den Geschmack gekommen", sagt Philipp. "Und später können wir die Pflanzen gleich mitnehmen und haben genug Erfahrungen gesammelt, um ein größeres Grundstück bewirtschaften zu können."

Vorerst jedoch genießen die fünf ihre Zeit im Grünen. Die nächsten Projekte warten schon. Terrasse erneuern, Wege neu verlegen, Couch für die Laube kaufen. Aber alles zu seiner Zeit. Denn wenn es eine Sache hier draußen nicht gibt, dann ist es Eile.

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