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Der Fluch auf Dynamos Kapitänsbinde

Weil Marco Hartmann oft verletzt war, brauchte er viele Vertreter – allein in dieser Saison waren es fünf.

Von Sven Geisler
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Dynamos Kapitäne in dieser Saison: Sören Gonther, Jannik Müller, Marco Hartmann, Philip Heise, Florian Ballas und Patrick Ebert (v.l.n.r.).
Dynamos Kapitäne in dieser Saison: Sören Gonther, Jannik Müller, Marco Hartmann, Philip Heise, Florian Ballas und Patrick Ebert (v.l.n.r.). © Robert Michael/Osnapix/Picture Point/ Frank Krucyz

Es ist nur ein Stück roter Stoff, eigentlich nicht so wichtig. Das beteuern Träger wie Trainer immer wieder. Wer die Kapitänsbinde überstreift, sei völlig egal, es müssten alle Verantwortung übernehmen. Nach dieser Interpretation wäre der Spielführer einer von elf, seine einzige herausragende Aufgabe die Wahl der Seiten vor dem Anstoß. Doch so ist es natürlich nicht, schon gar nicht bei Dynamo Dresden. Das hat diese Saison, die am Sonntag mit dem Heimspiel gegen den SC Paderborn zu Ende geht, mal wieder bewiesen.

Wer die Mannschaft dann auf den Rasen führt und um den linken Arm das Erkennungsmerkmal des Anführers trägt, ist offen. Der eigentliche Kapitän ist zwar wieder dabei, hat nach seiner Einwechslung beim 0:3 in Kiel auch die Schleife übernommen. Aber eigentlich will ihn Trainer Cristian Fiel sparsam einsetzen, damit sich Marco Hartmann nicht wieder verletzt. Wenn man seine Krankengeschichte liest, könnte man zu einem spirituellen Schluss kommen: Liegt etwa ein Fluch auf Dynamos Kapitänsbinde?

Ein Grund für die Berg- und Talfahrt

Nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 2016 hat er das Amt angetreten – und seitdem nur in gut 60 von möglichen 101 Spielen mitgewirkt. Waren es in der ersten Saison noch 28 von 34, sank seine Einsatzstatistik im zweiten Jahr auf 19 und steht nun bei 13. Das Dilemma in dieser Spielzeit begann gleich zum Auftakt, als Hartmann in der Partie gegen Duisburg nach 42 Minuten vom Platz humpelte: Muskelfaserriss im Oberschenkel. Als sein erster Vertreter übernahm Patrick Ebert, erfahrener Neuzugang, das äußere Zeichen für den, der intern das Wort führen soll. Er trug die Binde elfmal, also nur einmal weniger als Hartmann. Allerdings gelangen mit Ebert als Chef nur zwei Siege in Duisburg (3:1) und gegen St. Pauli (2:1), beide in sportlich prekärer Situation, sechsmal wurde verloren.

Es ist zweifellos unzulässig, allein aus den Ergebnissen auf die Führungsqualität des Kapitäns schließen zu wollen. Dafür spielen zu viele Faktoren im Mannschaftssport eine Rolle. Die von Profis gern gebrauchte Floskel stimmt: Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen. Auch wenn sie die vorzugsweise nach Niederlagen benutzen, damit keiner allein in der Kritik steht. Trotzdem ist es eine entscheidende Personalie. Dynamo fehlt ein klarer Leitwolf auf dem Platz, auch damit lässt sich die leistungsmäßige Berg- und Talfahrt erklären.

Fiel hat keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Hartmann Kapitän bleibt, als er bei seiner Vorstellung als neuer Chefcoach gefragt worden ist. Da war nicht absehbar, wie lange der Defensivspezialist diesmal ausfällt. Die anhaltenden Probleme im Oberschenkel erwiesen sich schließlich als Sehnenanriss, dreieinhalb Monate hat es bis zum Comeback gedauert.

Erst Kapitän, dann auf die Insel

In der Zwischenzeit war die Binde gewandert, aber auch davor hatte sie einer überraschend getragen. Für das Auswärtsspiel beim FC St. Pauli übertrug der damalige Trainer Maik Walpurgis die Verantwortung an Philip Heise. Nur drei Wochen später strich er den Verteidiger für das letzte Spiel vor Weihnachten aus dem Kader und im Wintertrainingslager aus dem Mannschaftsrat. Als Begründung warf er ihm indirekt unprofessionelles Verhalten vor. Heise machte den Abflug. Am Aufstieg seines neuen Klubs Norwich City in die englische Premier League hat er keinen Anteil, der Transfer bringt Dynamo trotzdem gut eine halbe Million Euro.

eise war als Spielführer sowieso bestenfalls die fünfte Wahl, denn die Reihenfolge ist klar: Auf Hartmann und Ebert folgen nämlich Sören Gonther und Florian Ballas. Für beide lief diese Saison jedoch auch suboptimal. Gonther kämpfte sich nach einem Kreuzbandriss zurück, war viermal hintereinander Kapitän, bevor er zuletzt wegen zwei angebrochener Rippen ausgefallen ist. Ballas trug das Schleifchen nur beim 0:0 in Fürth, nach einer Schulter-Operation konnte er erst im Dezember überhaupt eingreifen.

Die Liste ist nun zwar bereits lang, aber nicht vollständig. Als sechster Spieler steht auch noch Jannik Müller drauf. Er durfte die Schwarz-Gelben in den Schacht führen, also zum prestigeträchtigen Sachsenduell bei Erzgebirge Aue. Doch – kaum zu glauben, aber wahr – direkt nach dem 3:1-Sieg fiel er aus, weil im Oberschenkel einige kleinere Muskelbündel gerissen waren.

Ob Müller bei Dynamo einen neuen Vertrag unterschreibt, ist noch offen. Er wollte sichergehen, den Status eines guten Ersatzmannes überwinden zu können. Als ihn Fiel zum Kapitän bestimmte, war das sicher ein solches Signal. Wer glaubt schon an einen Fluch dieser verflixten Binde?