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Masken übern Gartenzaun

Bianca Krempler aus Glaubitz näht Mund-Nasen-Masken und bringt sie auf ungewöhnliche Weise unters Volk. Mit großer Nachfrage.

Von Jörg Richter
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Bianca Krempler hängt die Masken in Tüten an den Zaun vor ihrem Haus am Milchweg in Glaubitz.
Bianca Krempler hängt die Masken in Tüten an den Zaun vor ihrem Haus am Milchweg in Glaubitz. © Sebastian Schultz

Glaubitz. Bei Familie Krempler gibt es noch die gute, alte Nähstube. Das ist das Reich von Mutter Bianca. Überall, wo man hinguckt, sind Garnrollen, Bänder, Knöpfe und Stoffe in allerlei Farben und Mustern zu sehen. Hier verbringt die 39-Jährige ihre Freizeit zwischen Hausarbeit, Garten und Kinderbetreuung. 

Sie näht für ihr Leben gern. "Diese Leidenschaft habe ich wohl von meiner Mama geerbt", sagt die Glaubitzerin. Ihre Mutter arbeitete früher als Herrenmaßschneiderin. "Ich bin in selbst genähten Sachen aufgewachsen", erzählt Bianca Krempler weiter und kann sich noch gut an ihr Kleid zum Schulanfang erinnern. So eins hatte kein anderes Mädchen in ihrer Klasse, denn es war nicht von der Stange. Und zu DDR-Zeiten, wo es die besonderen Dinge nur unterm Ladentisch gab, war man ohnehin besser dran, wenn es in der Familie jemanden gab, der sich mit Nadel und Faden auskennt. 

Nähmaschinen gehörten früher zur Grundausstattung im Haushalt wie heute Spülmaschine und Wäschetrockner. Vor zehn Jahren hat sich Bianca Krempler ihre erste Nähmaschine gekauft. Seitdem näht sie für ihre Kinder und für sich die Sachen selber. "Das Einzige, was ich kaufe, sind Jacken, Jeans, Socken und Unterwäsche", sagt die zweifache Mutter. 

Geübt ist geübt. Mit gleichmäßigen Nähten entstehen die Masken.
Geübt ist geübt. Mit gleichmäßigen Nähten entstehen die Masken. © Sebastian Schultz

Seit ein paar Wochen näht sie aber nicht nur für die eigene Familie, sondern für andere. Und zwar Mund-Nasen-Masken. Die Anregung dazu erhielt sie aus der Bloggergruppe "Dresden näht", der sie seit geraumer Zeit angehört. Auf dieser Internetseite tauschen Frauen, die alle eine Nähmaschine besitzen, ihre Erfahrungen, Ideen und neueste Kreationen aus. Als die Nachfrage nach Masken immer größer wurde, folgten sie einem Aufruf Dresdner Kliniken, diese zu nähen, um für Nachschub zu sorgen. Seitdem haben die Bloggerinnen mehr als 1.700 Mund-Nasen-Masken selbst angefertigt und die meisten davon den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. 

Bianca Krempler hat als einzige Nicht-Dresdnerin der rund 20 Damen einen anderen Weg gesucht und gefunden, die Masken an den Mann oder die Frau zu bringen. Bei ihr hängen die Stoffmasken an einer Leine mit Wäscheklammern befestigt am Gartenzaun. Viele Glaubitzer, die am grünen Haus am Milchweg entlangkommen, haben sie schon gesehen. Und nicht wenige haben sie mitgenommen und dafür einen kleinen Obolus bezahlt. "Die meisten geben zwei bis drei Euro", sagt sie. Ohnehin gehe es ihr nicht darum, mit den Masken Geld zu verdienen.

Allerdings achtet sie darauf, dass sie nicht alle gleich aussehen. "Schließlich soll für jeden Geschmack etwas dabei sein", so die Hobbynäherin. Deshalb kauft sie mehrere Stoffe und hofft, dass mit Hilfe der Spendenbüchse wenigstens die Materialkosten reinkommen.

Die Nähstube ist Bianca Kremplers Reich, in dem sie sich wohl fühlt und für die Familie Sachen näht. Zurzeit häufen sich dort aber die ausgeschnittenen Tücher, die sie zu Masken verarbeitet.
Die Nähstube ist Bianca Kremplers Reich, in dem sie sich wohl fühlt und für die Familie Sachen näht. Zurzeit häufen sich dort aber die ausgeschnittenen Tücher, die sie zu Masken verarbeitet. © Sebastian Schultz

20 Mal 40 Zentimeter Stoff braucht sie für eine Maske. Weil Gummibänder überall ausverkauft seien, muss sie improvisieren. Sie nimmt Jersey-Stoff und schneidet ihn in Bänder. Auch da geben sich die Näh-Bloggerinnen gegenseitig Tipps. 

Eine von ihnen hat einen Handzettel entworfen, den Bianca Krempler zu jeder Maske in die Tüte legt, bevor sie sie an den Gartenzaun hängt. Auf dem Flyer wird darauf hingewiesen, dass die Maske kein medizinisches Produkt ist und auch nicht vor einer Infektion schützt. - Dieser wichtige Hinweis wurde notwendig, nachdem Nachrichten bekannt wurden, dass Anbieter mit Straf- und Bußgeldverfahren rechnen müssen, wenn sie ihre Masken mit der falschen Bezeichnung versehen. Und sei der Anlass auch noch so gut gemeint. Denn Medizinprodukte sind rechtlich geschützt. Zudem wird empfohlen, auf das Wort "Schutz" zu verzichten. Das sei irreführend. Deshalb hat sich der Begriff Mund-Nase-Maske statt Mundschutzmaske durchgesetzt. Zumindest auf dem Papier. Im täglichen Sprachgebrauch eher nicht.

Auch eine Spendenbüchse hängt am Zaun der Familie Krempler.
Auch eine Spendenbüchse hängt am Zaun der Familie Krempler. © Sebastian Schultz

In Glaubitz sind Kremplers Masken der Renner. Maximal zehn Stück hängen am Gartenzaun. Es sei schon vorgekommen, dass die Leine innerhalb einer Stunde leer war. Meist an sonnigen Tagen, wenn die Leute spazieren gehen. Mittlerweile hat Bianca Krempler mehr als 150 Exemplare geschneidert. "Ich nutze jede freie Minute", sagt sie. Neben ihrer Nähmaschine hat sie eine Strichliste gemacht.

Bald kommen noch viele Striche dazu. Denn es gebe eine Großbestellung aus dem Seniorenheim in Merschwitz. Und Masken für Kinder seien auch als Nächstes angedacht. Denn bisher hat Bianca Krempler nur welche für Erwachsene genäht. 

Und ihre Familie darf sie ja auch nicht vergessen. Ehemann Jens wünscht sich eine Dynamo-Dresden-Maske. Der Stoff, ein ehemaliger Bettbezug aus der SGD-Fanabteilung, liegt schon bereit.

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