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Mit dem Mühlensack aus der Corona-Krise

Die Gaststätten sind geschlossen, manche Wirte am Verzweifeln. Henry Firley von der „Margarethenmühle“ sehnt den Alltag herbei. Die Serie "Hier koche ich".

Von Dirk Westphal
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Koch Thomas Woggon hat die Spezialität der Margarethenmühle, den „Mühlsack“, für eine Bestellung außer Haus gekocht. Auf Kundenwunsch nicht mit Bratkartoffeln, sondern mit Pommes.
Koch Thomas Woggon hat die Spezialität der Margarethenmühle, den „Mühlsack“, für eine Bestellung außer Haus gekocht. Auf Kundenwunsch nicht mit Bratkartoffeln, sondern mit Pommes. © Lars Halbauer

Döbeln. Auf dem ersten Blick scheint alles normal am Land-gut-Hotel Waldgasthof „Zur Margarethenmühle“ im Zweiniger Grund, malerisch zwischen Döbeln und Roßwein gelegen. Der Parkplatz steht voll mit geparkten Autos. Spaziergänger, meist Großeltern oder Eltern mit kleinen Kindern, erfreuen sich bei herrlichem Frühlingswetter am kleinen Zoo der Familie Firley. Die betreibt den Gastronomiebetrieb in dritter Generation seit dem Jahr 1932. 

Wenige Meter weiter sieht es schon anders aus. Flatterband sperrt die Tische und Stühle des Biergartens ab. Nicht nur, weil sie frisch lasiert sind. An der Eingangstür zur Gaststube kündet vielmehr eine Tafel davon, dass das Lokal aufgrund der Corona-Krise geschlossen ist.

„Ich hatte noch nie so lange Urlaub, Zwangsurlaub“, sagt Wirt Henry Firley und fügt an: „Vier Wochen Stillstand: Gastronomie gleich null – Umsatz gleich null – Hotel gleich null. Das ist wie Berufsverbot. So etwas haben wir noch nie erlebt.“ Da die „Margarethenmühle“ eine Ausflugsgaststätte ist, sei die Entfernung zur Stadt eigentlich einfach zu weit, um einen Abholservice einzurichten. Deswegen verzichteten die Firleys zu Ostern darauf, zudem es da für die Bevölkerung auch noch die härteren Ausgangsbeschränkungen gegeben hätte.

Umsatzstärkste Zeit bricht weg

„Wir waren froh, den Winter überstanden zu haben, wollten in die Saison starten und nun ist alles gleich Null. Ostern ist weggefallen, viele Familienfeiern und nun wahrscheinlich auch noch der Mai als mit seinen Feiertagen als umsatzstärkster Monat“, sagt Henry Firley.

Um sich langsam wieder an die Arbeit zu gewöhnen, bietet der Waldgasthof seit 22. April nun doch einen Abholservice an. „Wir haben in der ganzen Zeit Renovierungsarbeiten durchgeführt, aber damit sind wir jetzt durch“, sagt Firley. „Nun wollen wir uns langsam wieder an die Gastronomie gewöhnen. Die Spargelzeit beginnt und mit tränendem Herz schauen wir in die Umsatzverluste rein.“ 

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Zusätzlich belasten würde dabei die Ungewissheit. Es wüsste niemand, wenn es wieder losgehen kann. „Das wird sicher in 14-tägigen Etappen erfolgen“, mutmaßt Firley. Irgendwann. So kommentiert er: „Die Gesundheit geht vor, aber für uns gibt es kein Planungsziel und wir wissen überhaupt nicht, wie es wird.“

Eigentlich könnten in seiner Gaststätte die Abstände, wie in Bau- oder Supermärkten vorgeschrieben, genauso eingehalten werden. Das sei einfach zu organisieren.

Verhältnismäßigkeit steht infrage

„Doch der Gesetzgeber will es anders. Ich habe Verständnis dafür, aber da muss die andere Seite auch Verständnis für uns zeigen. Damit wir die Sache überleben“, sagt Henry Firley und fügt an: „Mein Opa hat den Ersten Weltkrieg überstanden, mein Vater den Zweiten Weltkrieg und das sozialistische System. Ich hab versucht, in das kapitalistische System hineinzuwachsen. Und jetzt passiert so etwas.“ 

Zwei Hochwasser habe er als Gastronom überstanden, doch nun ginge auch irgendwo die Kraft zu Ende. „Man wird ja nicht jünger“, sagt der 63-Jährige, dessen Großvater die Wirtschaft als Dreiseithof ohne Stromanschluss und mit Wasser aus dem Brunnen übernahm und begann, die „Margarethenmühle“ in ihrer jetzigen Form als Ausflugsgaststätte aufzubauen.

Kontinuierlich wurde das Objekt nach der Wende weiter ausgebaut, und Henry Firley blickte eigentlich optimistisch in die Zukunft und war nach größeren Investitionen fast schuldenfrei. Bis jetzt. Denn da er mit über zehn Angestellten nicht die 9.000 Euro Soforthilfe der Sächsischen Landesregierung erhält, sieht er sich gezwungen, erneut Kredit aufzunehmen. „Die laufenden Kosten, die hier in diesem Großbetrieb entstehen, das summiert sich schon“, sagt Firley. „Die Gastronomie wurde zuerst zugemacht und sie wird das Letzte sein, was aufgemacht wird.“

Kein Licht am Ende des Tunnels

Einen Lichtblick gebe es noch nicht. „Da werden mal sehen, wie sich die Politik verhält mit den 280.000 Betreibern von Gastgewerbe von denen vielleicht 70.000 an der Insolvenz vorbeischlittern, wenn es keine Unterstützung gibt“, sagt Firley. Gerade auch der Tourismus würde ja mit von der Gastronomie leben. Und natürlich auch anders herum.

„Bei uns ist es ideal, gerade für Familien. Die Kinder können sich hier frei bewegen, die können Tiere schauen und es gibt einen Spielplatz. Und Gäste, die aus den alten Bundesländern kommen, die haben kurze Wege nach Dresden, Leipzig oder Chemnitz, aber danach auch Mildenstein oder Kriebstein“, erklärt Firley sein Hotelkonzept, das vor allem für Kurzurlaube ausgerichtet sei.

Längere Aufenthalte seien eher die Ausnahme. Aber auch diese Gäste würden nun fehlen. Die Auslastung des Hotels sei von 70 bis 80 auf fünf Prozent gefallen. Ein paar einzelne berufliche Übernachtungen würden noch gebucht. Aber auch die Absagen der ganzen Familienfeiern in der Mühle und dem Saal schlagen natürlich zu Buche. „Das Buch war voll, alles war belegt“, sagt Firley. Bis Jahresende sei das nicht aufzuholen. Und wann das 2021 passieren soll, das steht für den Wirt auch in den Sternen, da dann wiederum die Kapazitäten begrenzt sein werden. Und das wird auch wieder für Probleme sorgen, denkt der Gastronom.

„Man müsste einen Schalter umlegen können und alles ist wie Anfang Februar“, äußerst Henry Firley einen Wunsch. „Aber das wird wohl nicht so werden“, weiß er und hofft zumindest darauf, dass der Bundesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes (Dehoga) in seinem Kampf um die Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent im Gastronomiebereich erfolgreich ist. Denn die Steuern und der Aufwand seien immer größer geworden. „Deshalb muss man uns jetzt auch mal entgegenkommen. Denn in der Gastronomie wird keiner mehr reich“, sagt der Zweiniger.

Entgegenkommen werden Henry Firley und sein Team ab sofort ihren zahlreichen Stammgästen, für die sie auf einer Abholkarte die Klassiker der „Margarethenmühle“ anbieten.

Klassiker zum Abholen

Diese können telefonisch (03431 702845) oder per Internet ([email protected]) vorbestellt werden. Einer der Renner der Gaststätte ist der Mühlensack, dessen Zubereitung das Gastroteam der Magarethenmühle nachstehend auch unseren Lesern verrät. „Aber wer keine Lust zum Klopfen und Panieren hat, kann das Essen auch bestellen und abholen“, sagt Henry Firley augenzwinkernd.

Mühlensack

  • Zutaten: Schweinefleisch, Gouda, Kochschinken, Semmelmehl, Mehl, Eier, Kartoffeln, Zwiebeln, Marine, Gewürze, Zitronenecke, Lauchzwiebeln.
  • Zubereitung: Zwei dünn geklopfte Schweinesteaks mit Gouda und Kochschinken füllen (jeweils 1 Scheibe und zusammendrücken), in Mehl und geschlagenen Ei wälzen und anschließend in Semmelbrösel wenden. Danach das gefüllte Schnitzel in einem Tiegel/Pfanne braten. Die Margarine in der Pfanne sollte vorher gut erhitzt werden, damit die Panade auch knusprig wird. Währenddessen Pellkartoffeln in Scheiben schneiden, würzen und in einer anderen Pfanne braten. Kurz vorm Anrichten Zwiebelwürfel zu den Bratkartoffeln geben.

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