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Mühsamer Kampf gegen Ruinen

Die Stadt sucht nach einer Zukunft für verwahrloste Immobilien und Brachen. Ein Beauftragter und eine Task Force kümmern sich darum.

Von Harald Daßler
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Tobias Geipel kümmert sich um die Ruinen von Meißen - vor allem darum, dass sie eine Zukunft bekommen.
Tobias Geipel kümmert sich um die Ruinen von Meißen - vor allem darum, dass sie eine Zukunft bekommen. © Claudia Hübschmann

Meißen. 104 Objekte umfasst die Liste. Jedes steht für ein Haus oder ein Grundstück, das schon vom äußeren Anschein her als verwahrlost zu betrachten ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird oft auch der Begriff "Schrottimmobilien" verwendet.  Die Liste zusammengestellt hat Tobias Geipel. Der Verwaltungswirt ist seit Februar im Rathaus angestellt. Hier ist er der Ansprechpartner für alles, was mit den Ruinen passiert. Er koordiniert die neue Task Force, die sich darum bemüht, den brach liegenden Immobilien im Stadtgebiet neues Leben einzuhauchen.

Was sich so poetisch umschreiben lässt, ist ein mühsamer und vor allem langwieriger Prozess. Er beginnt beim Ermitteln der Eigentumsverhältnisse. Da sind mitunter Recherchen bis nach Australien notwendig, wie Tobias Geipel berichtet. Ist der Eigentümer oder ein Ansprechpartner ermittelt, bemüht sich die Stadt um Kontakt.

In der Task Force kommen regelmäßig Mitarbeiter der Abteilung Liegenschaften, der Bauaufsicht, der Stadtplanung und des Ordnungsamtes zusammen. Dabei werden die einzelnen Objekte besprochen: Was ist zu tun? Welche Zukunft könnte das einzelne Haus oder Grundstück haben? Welche Nutzungskonzepte sind realistisch? Antworten lassen sich aber nur gemeinsam mit dem jeweiligen Eigentümer finden, sagt Tobias Geipel. Hierin liegt eine Ursache dafür, warum in der öffentlichen Wahrnehmung bei vielen der verwahrlosten Immobilien im Stadtgebiet nichts passiert.

Kontakt zu den Eigentümern

Der Kontakt zu den Eigentümern oder deren Beauftragten ist eine wesentliche Aufgabe der Task Force und ihres Koordinators. Nach dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ appellieren sie an die Besitzer, ihren Pflichten in Meißen nachzukommen. Das ist mühsam und zeitraubend. Und nicht immer finden Stadt und Eigentümer „einen Draht“ zueinander.

„Ich schaue danach, ob und wie die Eigentümer der Immobilien zum Beispiel die Pflichten aus der Meißner Straßenreinigungssatzung erfüllen“, erklärt Tobias Geipel. Da Meißen keine Gebühren für die Straßenreinigung erhebt, sind die Eigentümer aufgefordert, für Ordnung und Sauberkeit vor ihren Grundstücken zu sorgen und im Winter den Schnee zu räumen. Geschieht das nicht durch den Eigentümer oder eine vom ihm beauftragte Firma, fordert ihn die Stadt dazu auf.

Reagiert der Eigentümer darauf nicht, folgen weitere Aufforderungen. Schließlich kann die Stadt diese Leistungen selbst übernehmen und dann in Rechnung stellen. Jeder dieser Schritte ist mit Fristen versehen. Ähnlich geht die Stadt vor, wenn Gefahr im Verzug ist – etwa Dachziegel, die herunter zu fallen drohen oder Brandgefahr infolge von Vermüllung oder Baufälligkeit einer Ruine. 

Dann mahnt die Stadt bei den Besitzern die Pflicht zur Sicherung an – mit Fristen, die sich aus der Gefahrenlage ergeben. Ignoriert der Eigentümer eine solche Aufforderung, kann die Stadt androhen, dies selbst zu erledigen. Und es schließlich tun. Die Kosten dafür stellt sie dem Eigentümer in Rechnung. Amtlich wird dieses Verfahren als Ersatzvornahme bezeichnet.

Widerspricht ein Besitzer einem solchen Kostenbescheid, folgen weitere amtliche Schreiben. Ein Ergebnis kann sein, dass die Stadt mit ihrer Forderung ins Grundbuch kommt. In der Abteilung III sind finanzielle Lasten, die auf einem Grundstück liegen, verzeichnet. Das kann entscheidend sein für die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens, sagt Tobias Geipel.

Aber soweit muss es nicht kommen. Bezahlt der Eigentümer die Grundsteuern und kommt er seinen Pflichten zum Sauberhalten und Schneeräumen nach, bleibt der Verwaltung nur beharrliches Nachfragen: Was haben Sie mit Ihrer Immobilie vor? Kann die Stadt Ihnen behilflich sein – beim Entwickeln eines Konzepts, beim Planen, bei der Suche nach einem Kaufinteressenten? 

Die Hoffnung nicht aufgeben

Mit einer Zwangsversteigerung ist noch nicht gesichert, dass die Verwahrlosung endet. Der Hamburger Hof ist ein Beispiel dafür. Seit seiner Zwangsversteigerung im Jahr 2015 gibt es zwar einen neuen Eigentümer. Dem gelang es bislang aber nicht, ein umsetzbares Nutzungskonzept und einen Betreiber dafür zu finden. Dies aber ist die Voraussetzung für millionenschwere Investitionen zur Sanierung und zum Umbau des Gebäudekomplexes. Der Architekt, der seit vielen Jahren an Planungen für den Umbau des Hamburger Hofes arbeitet, hat in diesem Jahr bereits dreimal bei ihm in Meißen vorgesprochen, ist von OB Olaf Raschke zu erfahren. Er hat die Hoffnung, dass sich in Sachen Hamburger Hof etwas tut, noch nicht aufgegeben.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es für das Haus an der Görnischen Gasse 32. Hier ist die Verwahrlosung nicht nur sehr weit fortgeschritten – Hausschwamm droht, benachbarte Häuser zu beschädigen. Die Ruine ist einer der letzten Schandflecke auf der Straße in der historischen Altstadt. Dieser Tage erst ist ein neues Gutachten angefertigt worden, auf dessen Grundlage die Dachsicherung beginnen kann. Das lässt ebenso hoffen wie der kürzliche Verkauf des Hauses. Allerdings ist das Geld für den Kauf noch nicht geflossen, so dass der neue Eigentümer noch nicht im Grundbuch eingetragen ist. Ist der Übergang des Eigentums vollzogen, kann sich das Bild in der Görnischen Gasse 32 sehr schnell wandeln.

Ein Beispiel für den Erfolg der Mühen zeigt das frühere Druckereigelände an der Lorenzgasse. Hier hat es 18 Jahre gedauert, bis sich der frühere Eigentümer von der zunehmend verfallenden Immobilie trennte und den Weg freimachte für eine grundlegende Neugestaltung des Areals. In die Wohnanlage, die ein Dresdner Investor hier bauen lässt, sollen in diesem Herbst die ersten Mieter einziehen.

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