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So läuft eine Inspektionstour auf der Elbe

Frank Lieber kontrolliert mit seinem Team Regenüberläufe – und entdeckt nicht nur Schäden, sondern auch Biber. 

Von Peter Hilbert
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Frank Lieber kontrolliert vom Boot aus die Regenauslaufkanäle.
Frank Lieber kontrolliert vom Boot aus die Regenauslaufkanäle. © Christian Juppe

Für Vorarbeiter Tschulik von der Stadtentwässerung geht es an diesem Tag nicht in den Kanal hinab, sondern aufs Wasser. Der 31-Jährige soll mit Kanalnetzmeister Frank Lieber vom Schlauchboot aus kontrollieren, ob die Regenüberläufe zur Elbe noch in Ordnung sind. Eigentlich müsste alles klappen. 

Am Vortag war das Boot aus dem Prohliser Kanalnetzstützpunkt geholt und der Motor getestet worden. Der springt an diesem Morgen auch an. Doch die Kühlwasserleitung ist offenbar verstopft – und das trotz mehrerer Startversuche. „Fahre doch mal eine kleine Runde mit Vollgas“, ruft Meister Lieber. Zwar ist Tschulik in vielen Bereichen fit. Aber als Bootsführer agiert er das erste Mal.

Erst lässt er noch die Fähre vorbei und dann den Motor bei der schnellen Runde aufheulen – mit Erfolg. Das Wasser läuft jetzt offensichtlich durch den Kühlschlauch. Wahrscheinlich war nur etwas Dreck drin, vermutet Meister Lieber. Die Inspektionstour bis zum Blauen Wunder kann starten. Vom Boot aus werden große Regenüberläufe kontrolliert. Das geschieht einmal jährlich. Bei extremem Starkregen läuft durch diese Auslässe stark verdünntes Abwasser in die Elbe. So wird das Kanalsystem vor dem Kollaps geschützt. Ímmerhin gibt es etwa 40-mal jährlich solche Starkregen. Schwillt der Fluss hingegen an, gehen an den Auslasskanälen die Schotten runter, damit die Kanäle nicht überflutet werden.

Vom Boot aus wird seit über 15 Jahren kontrolliert. Mit dem Auto wäre diese Tour viel komplizierter. „Da kämen wir nicht so gut an den Auslass ran“, sagt Lieber. An Land müssten sich die Kontrolleure nicht selten durch Gestrüpp und dornige Büsche kämpfen. Während so eine Tour vom Boot aus einen Vormittag dauert, wäre mit dem Einsatzfahrzeug eine Woche nötig.

Allerdings wurden die Kanalarbeiter dazu gezwungen, sich ein Boot anzuschaffen. 2002 war der Stützpunkt neben der Yenidze eine Insel. Also wurde gehandelt, erklärt Lieber. Und aus der Not später eine Tugend mit den Inspektionsfahrten gemacht.

Insgesamt 78 solcher Überläufe gibt es in Dresden an der Elbe, weitere an der Weißeritz, der Prießnitz oder dem Keppbach. Aber nicht nur mit diesen Abflüssen wird das Abwassersystem geschützt, sondern auch mit Stauraum-Kanälen, die wie kleine unterirdische Staudämme funktionieren, und mit Regenrückhaltebecken. Das tief unter der Elbwiese liegende Becken am Johannstädter Käthe-Kollwitz-Ufer fasst 12 000 Kubikmeter. Ohne die Überläufe zur Elbe wäre es bei starkem Regen in einer halben Stunde voll, erzählt Lieber, während er zum Ufer schaut.

Doch zuerst entdeckt er keinen Kanal, sondern ein Biberpärchen. Das räkelt sich ein kleines Stück elbabwärts des Fähranlegers am Ufer in der Sonne. Für Lieber keine Seltenheit. Sind doch die Nager bereits so weit ins Dresdner Zentrum vorgedrungen, dass sie es sich jetzt schon das zweite Jahr im kleinen Überlaufkanal an der Dampferanlegestelle am Terrassenufer gemütlich eingerichtet haben.

Gleich nach dem Kleinzschachwitzer Biber-Domizil kommt der Auslasskanal an der Hosterwitzer Straße in Sicht. „Das Auslassgerinne ist kaputt“, sagt Lieber und greift zum Stift, um den Schaden zu notieren. Offenbar sind die Steine so ausgespült worden, dass sie sich gelöst haben. Die Elbe steht niedrig. Also wird die Bauabteilung in Kürze den Schaden beseitigen. Den niedrigen Pegel bekommen aber auch die Inspekteure zu spüren. „Fahr nicht so weit ran, weiter weg vom Ufer“, rät Lieber seinem Vorarbeiter.

Der reagiert schnell und berichtet dann, dass die Auslässe nach Starkregen auch vom Kanal aus inspiziert werden. Die Gitter vor der Elbe, die Unrat zurückhalten, werden aber auch oft von Leuten rausgerissen, die weiter wollen. Sichtbar wird das letztlich daran, dass sie sich im Auslasskanal noch mit Graffiti verewigen. Solche Mutproben bescheren den Kanalarbeitern viel Arbeit. Gitter müssen wieder eingesetzt, beschädigte Stellen repariert werden.

Der nächste Auslass kommt in Laubegast in Sicht, Höhe Salzburger Straße. Er ist in Ordnung. Im vergangenen Jahr hatten aber Wirbel der Elbe so viel Kies dort hineingespült und ihn halb zugesetzt, dass der Reparaturtrupp anrücken musste.

An den großen Überläufen unterhalb der Tolkewitzer, der Schaufuß- und der Oehmestraße muss er das jetzt nicht. Die Gitter stehen, gemauerte Sohlen und Betonwände sind in Ordnung. Sie nähern sich dem Blaue Wunder „Es ist sehr erfreulich, dass alle Auslässe bis auf den an der Hosterwitzer Straße in Ordnung sind“, resümiert der Kanalnetzmeister.

„Justin, komm mal ran. Der Motor ist abgesoffen“, ruft Bootsführer Tschulik seinem wartenden Kollegen Justin Donner zu. Der naht in seiner grünen Wathose und hilft. An Land wird der Motor wieder flottgemacht. Das nächste Team startet zur Inspektionstour bis nach Johannstadt.