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Sparkasse in der Görlitzer Südstadt fehlt

Innerhalb kürzester Zeit war die Filiale auf der Kunnerwitzer Straße passé. Das Unverständnis darüber hält länger an.

Von Susanne Sodan
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Abgesehen von den Schildern an der Tür deutet nichts mehr auf die Filiale hin.
Abgesehen von den Schildern an der Tür deutet nichts mehr auf die Filiale hin. ©  Nikolai Schmidt

Bei Karin Bock kann man auch mit Karte zahlen. Die Technik dafür war eine der ersten Anschaffungen, nachdem sie 1993 „Karins Kinderstübchen“ an der Kunnerwitzer Straße eröffnet hat. Aber manche Kunden bezahlen trotzdem lieber mit Bargeld, erzählt Karin Bock, gerade ältere. „Zum Glück haben wir auf der Straße noch vielfältige Geschäfte“, sagt sie. Vom Bäcker bis zum Computergeschäft. Nicht bei jedem ist Kartenzahlung möglich, dann braucht man auf jeden Fall Bares.

Egal wie rum – die Sparkasse auf der Kunnerwitzer sei immer sinnvoll gewesen, wenn man doch mal mehr Bargeld brauchte, als man gerade in der Tasche hatte. Auch Karin Bock war mindestens jeden zweiten Tag in der Sparkassen-Filiale, für Überweisungen, um Kontoauszüge zu holen und das Geld aus ihrem Geschäft einzuzahlen. Jetzt gibt es die Sparkassen-Filiale seit knapp drei Wochen nicht mehr. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Möbel und alles andere ausgeräumt, erzählen mehrere, die die SZ auf der Kunnerwitzer gefragt hat. Hinter der Glastür steht jetzt nur noch ein einsamer Aufsteller, der für ein Girokonto wirbt: „Immer da, wo ich bin: mein Konto.“

Petition half nicht

Da, wo die Görlitzer Südstädter sind, ist die Sparkasse nun allerdings nicht mehr. An der Glastür hängen zwei Schilder. „Wiedersehen ist einfach“, behauptet das eine und verweist die Kunden auf die Sparkassen-Filiale in Rauschwalde. Das andere Schild sagt, wo die nächsten Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker zu finden sind, ebenfalls in Rauschwalde, auf der Berliner Straße und in Weinhübel. Bereits 2015 hatte die Sparkasse angekündigt, sechs Filialen zu schließen, darunter die in Uhyst, den Görlitzer Stadtteilen Hagenwerder und Südstadt. Vor allem drei Gründe wurden genannt: zum einen das veränderte Nutzungsverhalten der Kunden, sprich: Viele nutzen heute Online-Banking am heimischen Computer. Der zweite Grund liegt beim demografischen Wandel: Die Einwohner im Kreis werden älter – und weniger. Punkt drei liegt in der Niedrigzinspolitik, die das Geschäftsmodell des Bankinstituts gefährdet – und ein gutes Kostenmanagement verlange, erklärte Michael Bräuer, Vorstandschef der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, voriges Jahr gegenüber der SZ. Dennoch wolle man sich nicht aus der Fläche zurückziehen, die Sparkasse betreibt aktuell 31 Zweigstellen im Kreis, vier Selbstbedienungs-Stellen und den Sparkassenbus.

In Görlitz startete der Bürgerrat Südstadt eine Petition gegen die Schließung. Oder zumindest für einen Kompromiss wie ein Selbstbedienungs-Terminal. Der Bürgerrat verwies darauf, dass gerade in der Südstadt viele Menschen leben, für die ein naher Zugang zu einer Bankfiliale wichtig ist: Der Stadtteil gehört, demografisch gesehen, nicht zu den jüngsten von Görlitz und hat mehrere Seniorenwohnanlagen, darunter die auf der Pomologischen Gartenstraße, das Luisenstift an der Biesnitzer Straße oder das Frauenburg-Karree. Dazu kommen die Hotels in der Umgebung – auch Touristen würden die Südstadt-Filiale gerne nutzen, schrieb der Bürgerrat in seiner Petition. Eine Rolle spielt auch die Befürchtung, dass es der Kunnerwitzer ergehen könnte wie der Landeskronstraße, wo sich vor Jahren nach und nach das Geflecht aus Geschäften und anderen Institutionen wie eben Banken – das die einstige Handelsstraße früher ausmachte – auflöste.

Aber ändern konnte die Petition nun offenbar nichts. Davon ist Karin Bock enttäuscht. „Man hat den Eindruck: Was ist man denen wert?“ Sie selber nutzt nun die Filiale in Rauschwalde. Oder besser: Ihr Kind kommt auf dem Arbeitsweg dort vorbei und kann Überweisungen einwerfen. „Aber wie andere das machen, immer in die kleine Filiale nach Rauschwalde?“, fragt sie. „Und ab einem gewissen Alter überreden Sie auch keinen mehr zum Online-Banking.“ Jürgen Wenske hat nicht nur die Petition unterschrieben, er wandte sich auch selbst mit einem Schreiben an die Sparkasse. Er ist seit 1941 Kunde der hiesigen Sparkasse und kennt ihre Geschichte. Schon damals hatte sie in Görlitz ihre Hauptstelle auf der heutigen Berliner Straße. Drei Hauptzweigstellen gab es, am Klosterplatz, auf der Landeskronstraße und der Reichenberger Straße. Und jeder Stadtteil hatte eine Nebenkasse, so auch die Südstadt, deren Einwohnerzahl heute bei rund 9 000 Einwohnern liegt, von denen ein großer Teil die Filiale auf der Kunnerwitzer Straße nutze, schreibt er an die Sparkasse. Auch er geht darauf ein, dass die Südstadt zwar der zweitgrößte Stadtteil von Görlitz ist – aber nicht mehr der jüngste. „Nicht zu übersehen ist, dass, geschuldet dem demografischen Wandel, in diesem Stadtteil der Anteil der älteren und hilfsbedürftigen Bürger zunimmt.“ Die nun weitere und zeitaufwendigere Wege auf sich nehmen müssten, um ihre Geldangelegenheiten zu erledigen, so Jürgen Wenske.

Auch Straßenbahn kostet Geld

Die Antwort der Sparkasse ist freundlich, erklärt noch einmal die Gründe für die Schließung auf der Kunnerwitzer Straße. Trotzdem ist Jürgen Wenske damit nicht gerade glücklich. Denn: Die Sparkasse verweist darauf, dass er von der Südstadt aus mit der Linie 2 der Straßenbahn die Filiale auf der Berliner Straße in nur acht Minuten erreichen könne. „Diese fährt alle 10 Minuten aus unmittelbarer Nähe“, schreibt die Sparkasse. „Mal abgesehen davon, dass die Linie 2 nicht alle zehn, sondern alle zwanzig Minuten fährt, finde ich diese Antwort völlig unqualifiziert“, sagt Wenske, „Hier in der Südstadt wohnen auch viele Menschen, die nicht viel Geld haben und auf drei Euro achten müssen.“

Ähnlich sieht es Ingeburg Kastner, die beim Fleischer Richter auf der Kunnerwitzer Straße arbeitet. „Die Straßenbahn kostet auch Geld, und manche hier müssen rechnen.“, sagt sie. Auch in der Fleischerei war die Schließung der Sparkassen-Filiale ein paar Häuser weiter ein größeres Thema „Gerade bei den älteren Kunden“, sagt sie, „für sie ist es nicht schön.“ Die Fleischerei ist selbst auch betroffen: Manchmal holten die Verkäuferinnen Hartgeld zum Wechseln von der Sparkasse. „Die fehlt richtig“, sagt Manuela Grohman, von der benachbarten Bäckerei Tschirch. „Ganz viele Kunden haben gefragt, ob sie irgendwo gegen die Schließung unterschreiben können.“ Aber in der Bäckerei Tschirch hatte der Bürgerrat wohl keine Unterschriftenliste zum Auslegen vorbeigebracht. Gerade in der Südstadt kann auch Manuela Grohmann die Schließung der Filiale nicht verstehen. „Das dürfte hier nicht sein, wir sind ein Bezirk mit ganz vielen älteren Leuten.“ Und von Stammkunden weiß sie auch, dass viele von ihnen Geld dort geholt – und dann auch in den Geschäften auf der Kunnerwitzer Straße und Umgebung ausgegeben haben. Wenigstens ein Automat hätte bleiben können, sind sich die Verkäuferinnen bei Bäckerei und Fleischerei einig. So mancher habe die Schließung noch gar nicht mitbekommen – und stehe jetzt vor verschlossener Glastür, erzählt Manuela Grohmann.

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