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Warum sich Eishockeyspieler prügeln

Immer wieder gibt es beim Eishockey handfeste Keilereien. Wir haben Spieler der Dresdner Eislöwen und Lausitzer Füchse gefragt, wie es dazu kommt.

Von Sven Geisler
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Im Sachsenderby gerieten Weißwassers Daniel Schamberger (l.) und Dresdens Sebastian Zauner aneinander. Handgemenge haben ungeschriebene Regeln.
Im Sachsenderby gerieten Weißwassers Daniel Schamberger (l.) und Dresdens Sebastian Zauner aneinander. Handgemenge haben ungeschriebene Regeln. © Matthias Rietschel

Manchmal muss es einfach sein. Dann wechseln sie die Sportart. „Wenn i mit dir tanz“, erklingt dazu als musikalische Umrahmung in der Dresdner Halle; der Schlager von Nicki war in den 1980er-Jahren ein Gute-Laune-Hit. „Mir geht’s einfach guat und alle Sorgen san weit.“ In den Chor würden die beiden Streithähne auf dem Eis zwar kaum einstimmen, so eine handfeste Keilerei gehört aber zum Eishockey wie das Schlägerkreuzen beim Bully.

Strafen werden in Kauf genommen

Das bestätigt Alexander Dotzler. „Wenn es sein muss, muss man die Handschuhe ausziehen“, sagt der 35 Jahre alte Profi von den Eislöwen. Das gilt jetzt erst recht, wenn die Saison richtig beginnt – und doch schnell zu Ende sein könnte. Für die Dresdner geht es in den Pre-Play-offs der zweiten Liga gegen Bad Nauheim darum, sich fürs Viertelfinale zu qualifizieren. Dazu brauchen sie zwei Siege aus maximal drei Spielen: das erste am Freitagabend auswärts, das zweite am Sonntag, 17 Uhr, zu Hause, das dritte wäre am Dienstag.

Grundsätzlich, meint Dotzler, sollte man immer aggressiv spielen, um den Gegner müde zu kriegen. Aber in der nun entscheidenden Phase gehe es noch mal härter zur Sache. Das Besondere in der Meister- wie in der Abstiegsrunde: Man trifft im Zwei-Tage-Rhythmus bis zu sieben Mal auf den gleichen Gegner. „Man kennt die Charaktere und weiß, wen man reizen kann“, sagt Dotzler. Das bedeutet nicht, dass er den Faustkampf provozieren will. „Ich bin keiner, der die Schlägerei direkt sucht, aber wenn es dazu kommt, drehe ich dem auch nicht den Rücken zu.“

Wann es dazu kommt, ist beinahe genauso klar definiert wie Abseits oder Icing, der unerlaubt weite Befreiungsschlag. Allerdings steht das in keinem Regelwerk, darin sind für „übertriebene Härte“ nur die Strafzeiten von zwei Minuten bis zur Spieldauer festgeschrieben. Die nehmen die Kampfhähne in Kauf. „Bei Beleidigungen sollte man drüber stehen“, meint Dotzler, „aber wenn es unfaire Aktionen gibt, versteckte Fouls, die nicht geahndet werden, kann es eskalieren.“

Teamkollegen werden verteidigt

Es gehe darum, sich selbst oder seine Mitspieler zu verteidigen, besonders den Torwart, wenn der angegangen wird. Darin sieht auch Clarke Breitkreuz den Sinn der Boxeinlagen auf dem Eis: „Du musst dich und deine Kameraden verteidigen, beim Gegner sollte jeder wissen, dass er für einen unfairen Check bestraft wird.“ Der 28 Jahre alte Kanadier mit deutschem Pass ist Kapitän der Lausitzer Füchse. „Es ist mir wichtig, sagen zu können, dass ich für meine Teamkollegen einstehe.“

Weißwasser hat die Pre-Play-offs nach 52 Spielen in der Hauptrunde um einen Punkt hinter Dresden verpasst, muss gegen Landshut um den Klassenerhalt kämpfen. „Unsere Chancen stehen sehr gut, weil wir sehr heimstark sind“, gibt sich Breitkreuz zuversichtlich. Für beide sächsische Teams geht es darum, sich durchzuboxen, und das eben nicht nur im übertragenen Wortsinn.

Allerdings ist noch kein Spiel im Duell an der Bande entschieden worden. Es sei auch kein geeignetes Mittel, dem Gegner Respekt einzuflößen, meint Dotzler. „Das schafft man eher mit einer harten, aber fairen Spielweise“, betont der Dresdner, der aus Bayern stammt und viele Jahre in der höchsten deutschen Liga, der DEL, gespielt hat. Körpereinsatz ist durchaus erlaubt. „Es ist zermürbender zu wissen, man kriegt den Check, egal, was man macht. Das ist ungemütlich und unangenehm, es macht keinen Spaß, an der Bande zu kleben.“

Prügelknaben erleiden oft Depressionen

Mittlerweile kommt es seltener zum Fight, wie der Boxkampf in der nordamerikanischen Liga NHL heißt. Dort werden die Trends gesetzt fürs internationale Eishockey. Das Boxen sei ein Showelement gewesen, berichtet der Ex-Profi und TV-Kommentator Rick Goldmann in seinem Buch „Eiszeit!“ von seinen Amerika-Erfahrungen. „Manchmal … schien es, als würden die Zuschauer nur darauf warten, dass sich zwei Spieler in die Wolle kriegen.“

Weil jedoch bei Spielern, die sich oft beteiligt hatten, Spätfolgen sowohl physisch als auch psychisch wie Depressionen festgestellt wurden, habe man sich dort von dieser „Folklore“ weg entwickelt. „Wir fragen uns schon manchmal, ob wir bescheuert sind“, gibt Eislöwe Dotzler zu. „Das ist ja nicht wie beim Boxen, wir gehen mit bloßen Fäusten aufeinander los wie bei einer Straßenschlägerei.“ 

Wenn zudem der Helm nicht auf dem Kopf bleibt, setzen sie sich den Hieben komplett ungeschützt aus. „Ich hatte nicht so viele Kämpfe, habe – toi, toi, toi – aber bislang keinen klar verloren, bin nie zu Boden gegangen.“

Das soll nun auch im übertragenen Sinne nicht passieren: weder den Dresdnern in den Pre-Play-offs noch den Lausitzern ab nächster Woche in den Play-downs. „Es wird anders gespielt, wenn du weißt, dass im gegnerischen Team jemand ist, der dich möglicherweise zum Kampf auffordert, wenn du etwas machst, was sich nicht gehört“, meint Weißwassers Breitkreuz. So ist sie gemeint, die Aufforderung zum Tanz zu Nickis Schunkelsong.

Buchtipp: Rick Goldmann: Eiszeit. Warum Eishockey der geilste Sport der Welt ist. Verlag Edel Books, 18,95 Euro.