SZ + Update Politik
Merken

"Der Westen braucht mehr Osten"

Die AfD wählt den Malermeister Tino Chrupalla aus dem Landkreis Görlitz zum neuen Bundessprecher. Was hat der Mann jetzt vor?

Von Thilo Alexe
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Tino Chrupalla (r), neuer Bundessprecher der AfD, freut sich über seine Wahl beim Parteitag der AfD neben Alexander Gauland (2.v.r.), seinem Vorgänger.
Tino Chrupalla (r), neuer Bundessprecher der AfD, freut sich über seine Wahl beim Parteitag der AfD neben Alexander Gauland (2.v.r.), seinem Vorgänger. © Julian Stratenschulte/dpa

Braunschweig. Am Ende war es knapp. Tino Chrupalla benötigte auf dem AfD-Parteitag in Braunschweig die Stichwahl, um an die Spitze zu gelangen. Mit 54,5 Prozent setzte sich der Görlitzer Bundestagsabgeordnete gegen seinen Berliner Fraktionskollegen Gottfried Curio durch und ist nun einer von zwei AfD-Chefs.

Der 44-jährige Malermeister warb in seiner Bewerbungsrede am Samstag unter anderem damit, dass er aus dem Osten stammt. Dort fährt die AfD deutlich bessere Wahlergebnisse als im Westen ein. "Der Osten fordert zu Recht eine starke Stimme im Bundesvorstand", sagte Chrupalla.

Zudem sieht er im Mix aus Akademiker und Nicht-Akademiker, aus West- und Ostdeutschem an der Spitze eine gute Lösung. Zuvor hatten 584 Delegierte den in Essen geborenen Wirtschaftswissenschaftler Jörg Meuthen mit knapp 70 Prozent als Parteichef bestätigt.

Chrupalla ist nun Nachfolger von Alexander Gauland. Der 78-Jährige trat nicht mehr an und will sich auf seine Arbeit als Bundestagsfraktionschef konzentrieren. Er schlug Chrupalla für den Spitzenposten vor.

Der verheiratete Vater von drei Kindern sagte über sich selbst: "Ich bin kein Mann der vielen Worte. Ich bin ein Mann der Tat." Er wolle Politik für diejenigen machen, die im Dunklen aufstehen, zur Arbeit gehen und im Dunklen wieder nach Hause kommen. Zudem nahm er für sich in Anspruch, die Finanzen der Bundestagsfraktion geordnet zu haben. Wie andere Redner warb auch er für einen gemäßigten Kurs: "Die bürgerliche Mitte erreichen wir nur mit Vernunft."

Meuthen schwörte die AfD auf Regierungsverantwortung ein: "Wir müssen nun regierungswillig und -fähig werden", sagte er in seiner Bewerbungsrede. Die AfD müsse internen Streit beenden. Seine neue Amtszeit will Meuthen dazu nutzen, um die "Professionalisierung der Partei" voranzutreiben. Er bezeichnete seinen Kurs als konservativ, freiheitlich und patriotisch: "Für eine Rechtsaußenpartei stünde ich nicht zur Verfügung."

Zum Auftakt hatte Gauland die AfD als Partei charakterisiert, die erwachsen werde. Das bedeute aber nicht, dass sie angepasst oder gar angekommen sei. "Wir haben dieses Land verändert", sagte Gauland und beschwor die Idee des Nationalstaats.

Die AfD bezeichnete er als bürgerliche Volkspartei: "Dazu gibt es tatsächlich keine Alternative." Für den Fall, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachten will, kündigte Gauland den Gang vor das Bundesverfassungsgericht an. Karlsruhe müsse entscheiden "ob die Opposition gegen falsche Regierungspolitik verfassungswidrig ist".

Ausschlussverfahren gegen einen Kandidaten

Zu turbulenten Szenen kam es bei Meuthens Wahl. Gegen einen seiner Gegenkandidaten, den Stuttgarter Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, läuft ein Parteiausschlussverfahren. Er steht wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik. Etliche AfD-Mitglieder, darunter sächsische Delegierte, verließen bei seiner Rede den Saal oder zeigten ihm die rote Abstimmungskarte. Chrupalla distanzierte sich ebenfalls von dem Abgeordneten. Vor seiner Wahl sagte er, im Falle eines Erfolges werde er dafür sorgen, dass Redner wie Gedeon nie mehr bei Bundesparteitagen auftreten.

In seiner Bewerbung forderte Chrupalla den Verzicht auf drastische Sprache. Damit folgt der neue Parteichef der Linie Gaulands und Meuthens. Sie wollen die Partei regierungsfähig machen. „Es wird ohne uns in absehbarer Zeit nicht mehr gehen“, sagte Meuthen. Chrupalla sieht die AfD zuerst auf Landesebene in Regierungsverantwortung: „Die CDU muss sich überlegen, mit welcher Partei sie ihre Politik fortsetzen will.“ Ein Scheitern der großen Koalition im Bund käme für die AfD wohl zu früh. „Es geht uns nicht darum, jetzt so schnell wie möglich zu regieren“, konstatiert Meuthen.

Sächsische Delegierte wie AfD-Landeschef Jörg Urban zeigten sich erfreut über Chrupallas Wahl. Mehrere wiesen allerdings auch auf das knappe Ergebnis hin – und dass Chrupalla auch etwas Glück gehabt habe. Immerhin konnte der Sachse auf den Einfluss des ultrarechten Flügels bauen, dem Chrupalla nach eigenen Angaben aber nicht angehört. Auch Inszenierungen von Flügelchef Björn Höcke hatte er zuvor kritisiert. Dennoch: „Der Westen braucht mehr Osten“, sagte Höcke am Rande des Parteitages und unterstützte so Chrupalla. Freilich machte er auch eine Forderung auf. Chrupalla habe "Verständnis dafür, dass wir die Straße als Resonanzraum weiter bespielen müssen".

Das umreißt die Aufgabe, der sich der neue Chef stellt. Er will die Partei auf Regierungskurs bringen, darf aber weniger Gemäßigte nicht verprellen. Das wirft die Frage nach dem Zustand der AfD generell auf. Der in Braunschweig gewählte Vorstand ist vielschichtig. Gleichwohl fielen mehrere nicht flügelnahe Vertreter durch. So scheiterte der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski bei der Wahl zum Bundesvize. Er hatte unlängst ein Papier zu Bündnissen mit der CDU veröffentlicht. Ein Stellvertreter ist nun der im Bundestag als Ausschusschef abgewählte Stephan Brandner. Flügel-Vertreter Andreas Kalbitz schaffte es in der Stichwahl in den Vorstand.

Gescheitert ist der Versuch, Aktivisten der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften identitären Bewegung den Parteieintritt zu ermöglichen. Der Antrag, die Bewegung von der Unvereinbarkeitsliste der AfD zu kippen, wurde von der Mehrheit der Delegierten nicht auf die Tagesordnung genommen.

>> Abonnieren Sie den täglichen Newsletter "Politik in Sachsen - Die Morgenlage". Damit sind Sie immer bestens über das Geschehen in Sachsen informiert.<<