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Über sein Tor jubelte die ganze DDR

Am 2. Mai 1987 schoss Tino Gottlöber seine Mannschaft zum sensationellen Sieg gegen den BFC. Seinem Verein ist er bis heute treu.

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© Steffen Unger

Von Jana Ulbrich

Bischofswerda. Auch wenn das jetzt schon reichlich 30 Jahre her ist, Tino Gottlöber sieht es noch vor sich, als wäre es gestern gewesen: Es ist die vierte Spielminute an jenem 2. Mai 1987 im Fußballstadion von Fortschritt Bischofswerda. Die Schiebocker, die in dieser Saison in die DDR-Oberliga aufgestiegen sind, müssen gegen den Spitzenreiter ran, Dynamo Berlin, verhasst und gefürchtet in ganz Sachsen.

Bischofswerda ist schon so gut wie abgestiegen aus der Oberliga, und keiner der Zuschauer im Stadion glaubt an ein Wunder. Bis zur vierten Spielminute, als Tino Gottlöber den Ball bekommt. Der erste Schuss prallt ab am BFC-Torhüter. Aber im Nachsetzen kann der 22-Jährige das Leder über die Torlinie schieben: 1:0 für Bischofswerda, eine Sensation. Am Ende geht der DDR-Meister mit einer 2:0-Niederlage vom Platz. Und das Tor von Tino Gottlöber geht in Schiebocks Fußballgeschichte ein. Es ist, wenn man so will, das größte Tor aller Zeiten für den Verein.

Das größte Spiel

Tino Gottlöber grinst verschmitzt. „Na, wenn man es so sehen will“, lacht er und winkt auch gleich ab. „Alles Geschichte!“ Der Bischofswerdaer hat auch noch ein anderes wichtiges Tor geschossen: Am 2. Oktober 1991, als er im Trikot des FC Rot-Weiß Erfurt im Europapokal-Spiel gegen die Niederländer aus Groningen auf dem Platz steht, schießt er die Erfurter zum 1:0-Sieg und eine Runde weiter. Der nächste Gegner ist kein geringerer als Ajax Amsterdam. „Da haben wir dann zwar verloren, aber eigentlich war dieses Spiel für mich das Größte“, sagt Gottlöber heute.

Seine Erinnerungen hat er zu Hause in einer Kiste verpackt. Die ist bis obenhin voll mit Zeitungsartikeln. Aber er sieht nur selten rein, sagt er. Er ist ja auch kaum zu Hause. Wer Tino Gottlöber sucht, muss am besten auf die „Kampfbahn“ kommen, Bischofswerdas Volksbank Arena. Hier ist der 52-Jährige hauptamtlicher Nachwuchstrainer des Bischofswerdaer FV 08, wie Fortschritt heute heißt. Seit sechs Jahren ist Tino Gottlöber wieder in der Heimat. Die zehn Jahre davor haben er, seine Frau und seine Kinder – drei Töchter und ein Sohn, inzwischen alle erwachsen – in Südfrankreich verbracht. Ein Lebenstraum, den sich die Familie erfüllt hat. Für eine kleine Biobäckerei hat er als Auslieferungsfahrer gearbeitet und „jeden Morgen diese grandiose Landschaft genossen“, wie er erzählt. Die Jahre in Frankreich seien eine großartige Erfahrung gewesen.

Euphorie und Sorgen

Der Fußball in Bischofswerda hat ihn aber doch nie ganz losgelassen. Als das Angebot für den Trainerjob kam, hat er zugesagt. 180 Kinder und Jugendliche trainieren regelmäßig im Verein. Tino Gottlöber selbst trainiert die D2-Junioren, die G-Jugend und die Frauenmannschaft. Er ist stolz auf seine Schützlinge. Und auch auf die Frauen. Dabei sei er anfangs eher widerwillig reingeschlittert in das Amt als Frauentrainer, gibt er zu, weil sich kein anderer gefunden hat. Er hat seine Meinung geändert: „Die Frauen spielen anders“, sagt er. „Aber sie sind genauso ehrgeizig und zielstrebig wie die Männer.“

Die erste Männermannschaft des BFV 08 ist derzeit souveräner Tabellenführer in der Oberliga und heißer Aufstiegskandidat. Die nächste Spielklasse wäre die vierthöchste in Deutschland. In die Euphorie mischen sich aber auch Sorgen. Tino Gottlöber wird nachdenklich, wenn er über die Zukunft des Vereins spricht, in dem er schon als Achtjähriger gespielt hat. So ein Aufstieg kostet richtig Geld, weiß er. Aber stolz machen würde ihn das schon.