SZ + Görlitz
Merken

An Greta scheiden sich auch an der Neiße die Geister

Deutsche und Polen reden über den Klimawandel in der Neiße-Region. Und haben konkrete Vorschläge.

Von Susanne Sodan
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kurz vor dem Hochwasser 2010: Lang anhaltende Trockenheit ließ den Neißepegel extrem fallen. Sylwia Horska-Schwarz kennt viele solche Bilder.
Kurz vor dem Hochwasser 2010: Lang anhaltende Trockenheit ließ den Neißepegel extrem fallen. Sylwia Horska-Schwarz kennt viele solche Bilder. © Nikolai Schmidt/privat

Sylwia Horska-Schwarz mag Greta Thunberg. „Sie hat Mut, über Klimawandel zu reden.“ Womöglich könne sie ob ihres jungen Alters noch nicht alle wissenschaftlichen Hintergründe einordnen, „aber sie sieht die Gefahr durch den Klimawandel besser als vielleicht mancher Politiker“, sagt Sylwia Horska-Schwarz. Sie selbst hat zehn Jahre lang als Dozentin an der Uni Breslau zu Klimaentwicklungen gelehrt. Bereits 2010 war sie in der Arktis, wo sie gesehen habe, dass und wie das Eis schmilzt. Inzwischen hat die 40-Jährige ihr eigenes Unternehmen. Sie erstellt zum Beispiel Expertisen für das polnische Landeswassermanagement, berät Kommunen zum Klimaschutz, erarbeitet Pläne gegen Dürre.

Frank Fuchs von Sapos in Görlitz ist kein so großer Greta-Fan. „Es mag sein, dass ein gewisser Reichtum dazu führt, dass man sorgloser mit Ressourcen umgeht“, sagt er. „Es ist für mich auch keine Frage, dass wir mit der Welt, unseren Ressourcen sorgsamer umgehen müssen.“ Aber die Vorwürfe, die Greta Thunberg an die ältere Generation erhebt, findet er nicht gerechtfertigt. „Dieses Finger heben und sagen: ‚Ihr seid die Bösen‘. So wie sie es darstellt, habe ich nie gelebt“. Einig sind sich Sylwia Horska-Schwarz und Frank Fuchs in einem Punkt: Man kann im Kleinen viel für die Umwelt tun. Darum ging es am Montag im Zgorzelecer Dom Kultury bei der Transgea-Konferenz. Transgea ist ein grenzübergreifendes Projekt, an dem fünf Partner beteiligt sind: auf polnischer Seite das Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft, die beiden Umweltorganisationen „Grüne Aktion“sowie „Natura Polska“ und auf deutscher Seite der Güsa-Verein sowie die gemeinnützige Sapos-GmbH.

Nationale und darüber hinausgehende Untersuchungen zu Auswirkungen des Klimawandels gebe es viele, sagt Iwona Zdrakwicz vom Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft. Was fehle, seien lokale Untersuchungen. Damit hat nun das Institut in der Grenzregion angefangen. Die ersten Ergebnisse sind ähnlich wie auf überregionaler Ebene: die Häufigkeit von Extremereignissen steigt, zum Beispiel das Risiko für Starkniederschläge. Deren Häufigkeit wurde für Königswartha und Liegnitz untersucht: „Die Entwicklung von Starkniederschlägen ist steigend. Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Iwona Zdrakwicz. Auf der anderen Seite stehen Dürren. Die seien erstmal tatsächlich ein natürliches Ereignis, bekannt aus der Historie. Was nun aber auffalle, seien andere Formungen: tiefere, langanhaltendere Trockenheit bis hin zur hydrologischen Dürre, bei der die Pegel der Gewässer sowie die Wasserreserven unter Durchschnitt fallen.

Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Land- und Teichwirtschaft, sondern auch Städte wie Krakau, Warschau, Breslau oder auch Görlitz, sagt Sylwia Horska-Schwarz. Gerade in den Städten seien die Böden großflächig versiegelt. Das hat verstärkende Auswirkungen bei Hitze: „Die Steine heizen sich auf. Da merkt man, welche Bedeutung Grünanlagen haben“. Bei Starkniederschlägen kann das Wasser dagegen nicht versickern. Es fließt durch die Kanalisation ab. Sinnvoller wäre es, es zurückzuhalten – um es während Dürreperioden zu nutzen. Im Kleinen geht das zum Beispiel mit Regentonnen. Das hält sie privat auch so: In ihrem Garten hat sie Tomaten statt Rasen angepflanzt. Wasser bekommen sie aus der Regentonne. In größerer Form gibt es auch Wasserbehälter, die unter der Erde oder auf dem Dach montiert werden. Solch ein unterirdisches Reservoir hat zum Beispiel die Krakauer Jagiellonen-Bibliothek. Eine andere Möglichkeit ist, neue Gehwege möglichst niedrig und mit Absenkungen zu bauen, damit Wasser bei Starkregen auf angrenzenden Rasen fließen und versickern kann.

Wieder eine andere Möglichkeit ist mehr Grün, zum Beispiel begrünte Parkplätze. „Dachbegrünungen sind sehr teuer“, deshalb würden viele davor zurückschrecken. Sie sind aber nicht nur ein Wasserreservoir, sie halten auch Hitze im Sommer ab. Ähnlich funktioniert es mit grünen Wänden. Dass es die sehr kostengünstig gibt, haben das Förderschulzentrum Görlitz-Königshufen und Sapos bewiesen. „Wir wollen den Kindern bewusst machen, wie wir besser mit unseren Ressourcen umgehen können“, erklärt Frank Fuchs. Grundlage für die grüne Wand beim Förderschulzentrum ist ein Dach, das Wasser sammeln kann, es wird in einen Behälter geleitet. An den ist eine Pumpe angeschlossen, die über Solarstrom betrieben wird. Ein angeschlossenes Schlauchsystem führt an die Wand mit vielen Blumentöpfen. „Damit haben wir ein autarkes System, das funktioniert“, sagt Frank Fuchs. „Häufig hört man: Ökologisches Verhalten kostet mehr Geld. Das stimmt aber nicht immer.“

Das Interesse an solchen Aktionen sei durchaus da, in Deutschland mehr als in Polen, wo sich die Politik schwer tue mit Ideen zur CO2-Verringerung, sagt eine Mitarbeiterin der „Grünen Aktion“. Aktuell wird die Eröffnung eines neuen Steinkohlekraftwerks geplant. In den Lehrplänen stehe wenig zum Klimawandel. Aber Greta ist auch in Polen: In etwa 60 Städten demonstrierten Jugendliche bei Friday-for-Future, in Deutschland in rund 500 Städten.

Mehr Lokales unter:

www.sächsische.de/goerlitz

www.sächsische.de/niesky