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Trauer und Wut über geschlossene Grenze

Vor allem Polen haben am Freitagabend in Zittau gegen die strengen Corona-Maßnahmen protestiert. Viele waren es aber nicht.

Von Rolf Hill
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Karolina und Kamil leben in Zittau und Porajow und gehörten gestern Abend mit ihrer Mutter zu den wenigen, die an der deutsch-polnischen Grenze in Zittau gegen die Grenzschließung protestierten.
Karolina und Kamil leben in Zittau und Porajow und gehörten gestern Abend mit ihrer Mutter zu den wenigen, die an der deutsch-polnischen Grenze in Zittau gegen die Grenzschließung protestierten. © Rafael Sampedro

Anders als in Städten wie Görlitz ist der Protest von Polen und Deutschen gegen die Grenzschließung gestern Abend in Zittau sehr überschaubar gewesen. An der Friedensstraße fanden sich nur rund 20 Privatleute - fast alles Polen - auf beiden Seite der Neiße ein. Prominent am Grenzübergang aufgestellt war eine auf einer Alutleiter sitzende, fast lebensgroße Puppe in Gestalt des „allmächtigen“ Jarosław  Kaczyński, dem Chef der Regierungspartei PIS. Vor der Brust hielt er ein Schild mit der Aufschrift: „Bez żadnego trybu“ (in etwa: völlig planlos). Dabei handelte es sich um das Werk mehrerer junger Männer aus Polen, die gegenwärtig in Oybin ein Ausweichquartier bewohnen. Sie plauderten gestern Abend in ihrer Muttersprache mit den wenigen Gleichgesinnten, die am anderem Neiße-Ufer standen. Dazu gehöre Mut, erfuhr die SZ vor Ort, denn die Kundgebung sei in Polen nicht offiziell angemeldet und damit de facto verboten. Und wie scharf die polnische Armee reagiert, haben erst Mittwoch zwei SZ-Journalisten erfahren müssen. In Deutschland war eine halbe Stunde erlaubt worden, nach der eine deutsche Beamtin die kleine Schar aufforderte, die Kundgebung zu beenden.

Verwandte reden - getrennt durch die Neiße - gestern Abend in der Nähe des Zittauer Grenzübergangs Friedensstraße während der Protestkundgebung miteinander.
Verwandte reden - getrennt durch die Neiße - gestern Abend in der Nähe des Zittauer Grenzübergangs Friedensstraße während der Protestkundgebung miteinander. ©  Rafael Sampedro

Ein ähnliches Schicksal wie die Oybiner muss gegenwärtig eine junge Familie bwältigen, die sich aufgrund der doppelten Staatsbürgerschaft sowohl deutsch als auch polnisch fühlt. „Mein Mann ist nur paar Kilometer von hier in unserem Haus in Porajów“, erzählte die junge Frau. Sie war mit ihren beiden Kindern, dem elfjährigen Kamil und seiner achtjährigen Schwester Karolina, zur Brücke gekommen. Beide Eltern arbeiten im Zittauer Klinikum, der Mann als Arzt, sie als Krankenschwester. „Es tut schon weh“, sagt sie, "wenn ich aus dem Dienstzimmer sehe und unser Haus drüben erkenne.“ Da sie auch Haustiere haben, muss nun immer einer von beiden 14 Tage Quarantäne auf sich nehmen, um sie zu versorgen. 

Bis jetzt ist alles gut gewesen: Zuerst hat das Paar zwölf Jahre in Zittau gewohnt. Als aber der Eigenheimstadtort in Porajów (Großporitsch) zwischen der Kirche und dem Neißeviadukt erschlossen wurde, bauten sie sich dort ein Häuschen. „Was ist das schon, drei Kilometer bis zur Arbeit?“, fragte die junge Polin. Die Kinder gehen in Zittau zur Schule, wachsen selbstverständlich zweisprachig auf. „Was sie jetzt mit uns machen, ist eine absolute Frechheit“, meinte sie und schüttelte ratlos den Kopf. 

An der B178-Brücke über die Neiße, die bereits weit vor dem Grenzfluss gesperrt ist, protestierte gestern Abend niemand. Das galt auch für die Brücke an der Chopinstraße. Auf deutscher Seite patrouillierten nur zwei offensichtlich enttäuschte Beobachter mit Ferngläsern.

In den vergangenen Tagen hatten in verschiedenen Medien Gerüchte die Runde gemacht, dass es an den polnisch-deutschen und auch polnisch-tschechischen Grenzübergängen entlang von Oder und Neiße zu Protesten gegen die rigorosen Maßnahmen der Regierung kommen würde. Aufgerufen hatte keine fest strukturiert Bewegung, sondern nur eine Gruppierung im Ausland arbeitender Polen, denen nun entweder der Arbeitsplatz oder das Heim im Kreise der Familie für längere Zeit in Gefahr geraten war. 

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