SZ + Pirna
Merken

SOE: AfD gewinnt klar, starke Verluste bei CDU und Linke

Steffen Janich holt für die AfD das Direktmandat für den Bundestag. Ob es noch jemand aus dem Landkreis ins Parlament schafft, ist noch unklar.

Von Annett Heyse & Gunnar Klehm & Thomas Möckel & Dirk Schulze & Domokos Szabó & Anja Weber
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jubelpose für Steffen Janich (AfD): Er holt das Direktmandat und wird in den nächsten vier Jahren den Landkreis SOE im Bundestag vertreten.
Jubelpose für Steffen Janich (AfD): Er holt das Direktmandat und wird in den nächsten vier Jahren den Landkreis SOE im Bundestag vertreten. © Marko Förster

Jetzt traut sich Lothar Hoffmann dann doch. Gegen 20.30 Uhr nimmt er das Mikro in die Hand, um den Wahlsieg im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge einzuläuten. Zweieinhalb Stunden zuvor war es noch ruhig im Restaurant Börse in Neustadt. Dort haben sich der Kreischef der AfD und drei Dutzend Sympathisanten verabredet, gemeinsam am Bildschirm die Wahlergebnisse zu verfolgen. Die zehn Prozent aus der Prognose für die AfD bundesweit sorgt für Verunsicherung.

Doch dann trudeln bei Hoffmann die Nachrichten ein. „Wir haben Wahlbeobachter bei der Auszählung in vielen Wahlbezirken“, sagt er. Überall liegt Janich weit vorn. Der Landkreis bleibt das Wohnzimmer der AfD, frohlockt Hoffmann. 20.45 Uhr gibt es die erste Saalrunde des designierten Bundestagsabgeordneten. Das endgültige Ergebnis wolle man natürlich abwarten. „Aber das, was uns hier gerade erreicht, ist ein Grund, schon mal mit dem Feiern anzufangen“, sagt Janich. Die AfD verliert zwar um die drei Prozent, bleibt aber Spitzenreiter im Landkreis. Janich kann das Ergebnis von Frauke Petry von 2017 nicht wiederholen. Seine gut 34 Prozent reichen aber dicke zum Sieg.

Schulterschluss bei der AfD-Wahlparty in Neustadt: Kreisvorsitzender Lothar Hoffmann und Steffen Janich.
Schulterschluss bei der AfD-Wahlparty in Neustadt: Kreisvorsitzender Lothar Hoffmann und Steffen Janich. © Marko Förster

Bei der CDU ist die Stimmung eine andere. Umfragen haben in Sachsen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD vorhergesagt. Im Landkreis ist man davon weit entfernt. Inzwischen ist es 21 Uhr. Die ersten Wahlkreise sind ausgezählt. Klingenberg 35 Prozent für die AfD, in Rabenau liegt sie bei 31 Prozent. Corinna Franke-Wöller tritt vor die CDU-Mitglieder im „Schafstall“ des Gutes Pesterwitz. Landrat Michael Geisler und Vize-Landrat Heiko Weigel waren da, auch der Wilsdruffer Bürgermeister Ralf Rother (alle CDU) ist gekommen.

Die Stimmung ist gedrückt. Aber irgendwie hatte man es wohl auch befürchtet. „Das wird zwar noch ein langer Abend, aber die bisherigen Ergebnisse in ganz Sachsen zeigen einen flächendeckenden Trend“, sagt Franke-Wöller. Sie mache sich nun Sorgen, wie es mit dem Land auch im Verhältnis zum Bund in Zukunft weitergehe.

CDU-Direktkandidatin Corinna Franke-Wöller mit ihrem Mann, Innenminister Roland Wöller, bei der Wahlparty in Pesterwitz. Für sie breche keine Welt zusammen, wenn sie nicht in den Bundestag einzieht, sagte Franke-Wöller. Am Dienstag gehe sie ohnehin normal
CDU-Direktkandidatin Corinna Franke-Wöller mit ihrem Mann, Innenminister Roland Wöller, bei der Wahlparty in Pesterwitz. Für sie breche keine Welt zusammen, wenn sie nicht in den Bundestag einzieht, sagte Franke-Wöller. Am Dienstag gehe sie ohnehin normal © Karl-Ludwig Oberthür

Am Ende dankt sie ihrem Wahlkampfteam, aber auch allen CDU-Mitgliedern für die Unterstützung in den vergangenen Wochen und muntert sie auf: „Wir müssen schauen, dass wir die bürgerlichen Elemente nicht verlieren und aufgeben.“ Mit nicht mal 20 Prozent hat die CDU mehr als zehn Prozent der Erststimmen mit ihr verloren. 2017 trat noch Klaus Brähmig für die Christdemokraten an.

Für ihn sprangen nur etwa fünf Prozent der Wählerstimmen heraus: Einzelkämpfer Klaus Brähmig.
Für ihn sprangen nur etwa fünf Prozent der Wählerstimmen heraus: Einzelkämpfer Klaus Brähmig. © Daniel Förster

Der versuchte es, inzwischen aus der CDU ausgetreten, noch mal als Einzelkandidat. Mehr als gut fünf Prozent der Erststimmen sprang aber nicht heraus. Er sei traurig, dass sein Engagement in den vergangenen vier Jahren für die Region nicht entsprechend gewürdigt wurde, klagt Brähmig. Er sei aber dennoch dankbar und zufrieden, was er im Vergleich zu Kandidaten mit Parteiapparat im Hintergrund erreicht hat. In den nächsten Tagen werde er erst mal seine Plakate wieder einsammeln gehen.

Um das SPD-Wahlergebnis zur Feier im Pirnaer SPD-Büro zu verdeutlichen, greift Kreischef Ralf Wätzig zu einem in diesem Jahr ungewöhnlichen Beispiel. Bei früheren Wahlkämpfen orderte er pro forma stets 100 Wahlprogramme der Partei, einfach, um welche da zu haben. Ein Großteil davon wanderte aber immer in die Tonne, weil sich keiner dafür interessierte. Doch diesmal waren sie derart schnell vergriffen, dass er nachbestellen musste. „Das haben wir so noch nicht erlebt“, sagt Wätzig.

Mehr als zufrieden mit dem Wahlergebnis: SPD-Kreischef Ralf Wätzig (l.), Bundestagskandidat Fabian Funke.
Mehr als zufrieden mit dem Wahlergebnis: SPD-Kreischef Ralf Wätzig (l.), Bundestagskandidat Fabian Funke. © Thomas Möckel

Entsprechend gelöst ist die Stimmung. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, sagt Bundestagskandidat Fabian Funke. Für ihn stimmten im Landkreis rund elf Prozent der Wähler. Im Vergleich zu 2017 habe man tolle Stimmenzuwächse bekommen. Für das Direktmandat reicht es nicht, aber er könnte über die Landesliste in den Bundestag einziehen. Funke steht dort auf Rang sieben. Ob es mit dem Mandat tatsächlich klappt, könnte am Ende sogar von Überhangmandaten abhängen.

Zitterpartie für André HahnIn der Geschäftsstelle der Linken in Pirna herrscht betretenes Schweigen, Partylaune sieht anders aus. „Das Ergebnis ist für mich extrem enttäuschend“, sagt Bundestagskandidat André Hahn, der dem Parlament seit acht Jahren angehört. Dieses Ergebnis, sagt er, habe er so nicht erwartet, erst recht nicht nach dem Wahlkampf, den er führte. „Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal an der Fünfprozent-Hürde kratzen“, sagt Hahn.

Betretenes Schweigen statt Partylaune: Linke-Kreisgeschäftsführerin Ina Richter (l.) und Bundestagskandidat André Hahn.
Betretenes Schweigen statt Partylaune: Linke-Kreisgeschäftsführerin Ina Richter (l.) und Bundestagskandidat André Hahn. © Thomas Möckel

Ob er erneut in den Bundestag einzieht, ist ungewiss. Seine knapp zehn Prozent sind zu wenig für das Direktmandat. Der Platz vier auf der Landesliste ist am Abend auch noch nicht sicher. „Noch bin ich optimistisch“, sagt Hahn, „aber es wird viel enger als angenommen.

Grund für Optimismus hat auch die FDP. „Das Zwischenergebnis und der Trend sind eine gute Bestätigung unserer Arbeit“, kommentiert der FDP-Kreisvorsitzende Norbert Bläsner das Abschneiden seiner Partei mit mehr als zehn Prozent im Landkreis. Man sei nicht überrascht von dem guten Ergebnis, da die Liberalen in den Umfragen immer relativ stabil dagestanden hätten.

FDP-Kreischef Norbert Bläsner: "Das jetzt vorliegende Zwischenergebnis und der Trend ist eine gute Bestätigung unserer Arbeit."
FDP-Kreischef Norbert Bläsner: "Das jetzt vorliegende Zwischenergebnis und der Trend ist eine gute Bestätigung unserer Arbeit." © Marko Förster

Bläsner geht davon aus, dass insbesondere junge Wähler der FDP ihre Stimmen gegeben haben. Das liege aus seiner Sicht an den Schwerpunkten Digitalisierung, Innovation und Bildung.

In Feierlaune zeigten sich die Grünen aus der Sächsischen Schweiz und dem Osterzgebirge, die den Wahlabend zusammen mit ihren Parteikollegen aus der Landeshauptstadt in der Dresdner Neustadt gefeiert haben. Dort war die Stimmung angesichts des Bundesergebnisses der Grünen bestens.

Wahlkampfteam für die Grünen in SOE: Kreisgeschäftsführer Tobias Döring, Direktkandidat Nino Haustein und der Sebnitzer Stadtrat Paul Löser (v.l.).
Wahlkampfteam für die Grünen in SOE: Kreisgeschäftsführer Tobias Döring, Direktkandidat Nino Haustein und der Sebnitzer Stadtrat Paul Löser (v.l.). © SZ/Dirk Schulze

Der Kreisverband ist von diesen Zahlen zwar weit, weit entfernt, aber trotzdem guter Dinge. „Für mich ist klar, dass wir in der nächsten Bundesregierung vertreten sein werden“, sagt Direktkandidat Nino Haustein.