SZ + Zittau
Merken

Warum der Turow-Streit noch nicht vom Tisch ist

Während der tschechische Premier Petr Fiala die Einigung zwischen Polen und Tschechien von vor einem Jahr lobt, sind EU-Beschwerden und Gerichtsverfahren noch offen. Auch Zittau ist dabei.

Von Anja Beutler
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das polnische Kohlekraftwerk Turow wird mit Kohle aus der angrenzenden Grube betrieben.
Das polnische Kohlekraftwerk Turow wird mit Kohle aus der angrenzenden Grube betrieben. © Archiv: Petr David Josek/AP/dpa

Ein Jahr nachdem sich Polen und Tschechien bilateral auf einen Vertrag zu Turow geeinigt haben, erklärt Tschechiens Premier Petr Fiala seine Zufriedenheit mit dem Stand der Dinge: Es gelinge, das Hauptziel des Vertrags umzusetzen, nämlich die Interessen der Bewohner im tschechischen Grenzgebiet zu wahren, erklärte er laut "Prager Zeitung" jetzt gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK. Er zeigte sich insgesamt zufrieden mit der Umsetzung des Vertrages, der Polen vor einem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofes bewahrte und den Weiterbetrieb der Kohlegrube Turow ermöglichen soll. Dafür versprach Polen den Tschechen Schadenersatzzahlungen und Sicherungsmaßnahmen in Höhe von etwa 45 Millionen Euro.

Gänzlich anders sehen diesen "Jahrestag" freilich Umweltorganisationen und Betroffene. Sie kritisieren vor allem, dass sich bei eingereichten Beschwerden gegen den Weiterbetrieb Turows bei der EU-Kommission nichts tue. Hintergrund dieser sogenannten EU-Beschwerden ist, dass im zunächst angelaufenen Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ja durchaus festgestellt worden war, dass Polen gegen EU-Recht verstoßen hatte. Just am Tage der polnisch-tschechischen Einigung wurden vor dem EuGH noch die Schlussanträge verlesen. Dabei machte Generalanwalt Priit Pikamäe klar, dass Polen mit seiner Lizenzverlängerung bis 2026 für den Tagebau Turow gegen EU-Recht verstoßen hatte. Dies solle nun geahndet werden, so die Forderung.

Drei EU-Beschwerden anhängig

Drei EU-Beschwerden mit teilweise etwas unterschiedlichen Schwerpunkten liegen nach SZ-Recherchen derzeit der EU-Kommission vor: eine von Liberec, eine von der Stadt Zittau mit Unterstützung des Grünen-Abgeordneten Daniel Gerber und eine von den Nichtregierungsorganisationen Frank Bold, dem Bund für Umwelt und Naturschutz und Greenpeace. Hinzu kommen noch weitere Widersprüche und Klagen vor polnischen Gerichten - auch hier hat sich Zittau zu einem solchen Schritt entschieden. Umwelt- und Nichtregierungsorganisationen strengen ebenfalls derartiges an. Momentan gibt es aber keine sichtbaren Fortschritte in der Sache.

Dennoch sieht man im Büro der sächsischen EU-Abgeordneten der Grünen, Anna Cavazzini, die Lage nicht zwingend pessimistisch und man bleibe dran - das zeigte unter anderem das neue Gutachten zu den Boden- und Grundwasserveränderungen in Zittau. "Solche Prozesse sind sehr langwierig", sagt Cavazzinis Chemnitzer Büroleiterin Jennifer Petzl auf SZ-Nachfrage. Und natürlich sei durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dieses Thema in den Hintergrund gerückt und stattdessen die Themen Energiesicherheit und europäische Einigkeit wichtiger geworden.