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Russland-Krise wird zur teuren Zeitenwende für Deutschland

Gaspreise dürfen uns nicht mehr daran hindern, Putin und seinem kalten Machtspiel wirksam zu begegnen. Ein Kommentar von Tobias Wolf.

Von Tobias Wolf
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Es ist höchste Zeit, alle Sanktionsregister unterhalb militärischer Mittel zu ziehen, kommentiert SZ-Reporter Tobias Wolf. Sonst greift Russland irgendwann vielleicht auch nach dem Baltikum und damit nach EU-Mitgliedern.
Es ist höchste Zeit, alle Sanktionsregister unterhalb militärischer Mittel zu ziehen, kommentiert SZ-Reporter Tobias Wolf. Sonst greift Russland irgendwann vielleicht auch nach dem Baltikum und damit nach EU-Mitgliedern. ©  AP/dpa

Es hat etwas Überraschendes, wenn der bisher nicht durch klare Worte in Richtung Russland aufgefallene Bundeskanzler die Inbetriebnahme von Nordstream 2 aussetzt. Die Entscheidung ist richtig, überfällig und dürfte eine Zeitenwende einleiten. Weg vom Erpressungspotenzial einseitiger Energieabhängigkeit, hin zu mehr Versorgungssicherheit aus verschiedenen Quellen. Auch wenn das erst einmal teuer wird.

Deutschland agierte bisher zu gutgläubig und egoistisch im Umgang mit Russlands Herrscher Wladimir Putin. Billiges Gas war immer wichtiger als die Interessen Europas oder die Ängste unserer Nachbarn.

Noch jetzt stehen viele in naiver oder absichtsvoller Treue zum Despoten. Die Linke will allein auf Diplomatie setzen, während Putin die mögliche Invasion der Ukraine vorbereitet. Die AfD lehnt Sanktionen ab. Ihr Führungspersonal biedert sich gegen deutsche und europäische Interessen gern persönlich im Kreml an.

Putin ist alles zuzutrauen - außer echter Friedenswillen

Mit der Anerkennung der Separatistengebiete Donezk und Luhansk als "Volksrepubliken" macht Putin den nächsten Schritt im geplanten Schachspiel. Zug um Zug von der Annexion der Krim bis zur nicht mehr auszuschließenden vollständigen Invasion der Ukraine. Nun schickt er Truppen auf "Friedensmission" in die Ostukraine.

Was kommt als nächstes? Angebliche Angriffe aus der Ukraine inszenieren und dann darauf "reagieren"? Zuzutrauen ist Putin alles – außer echter Friedenswillen. Zu offensichtlich ist, dass außenpolitische Abenteuer und eine angebliche Bedrohung durch die Nato Putins innenpolitische Unfähigkeit seit Jahren kaschieren sollen.

Klar ist: Eine Konfrontation zwischen Russland und der Nato würde in einen Weltkrieg führen. Der Westen schließt ein militärisches Engagement in der Ukraine deshalb zurecht aus. Weil Putin das weiß und Regeln für ihn keine Rolle spielen, agiert er umso ungenierter.

Deshalb ist es höchste Zeit, alle Sanktionsregister unterhalb militärischer Mittel zu ziehen. Stück für Stück. Sonst greift Russland irgendwann vielleicht auch nach dem Baltikum oder dem Korridor zwischen Russland und Kaliningrad und damit nach EU-Mitgliedern. Denn Putins Russland ist längst kein ehrlicher Partner mehr.

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