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AfD-Abgeordneter tritt aus Partei aus

Der Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann aus Pfaffendorf in der Sächsischen Schweiz verlässt die Partei. Er ist nicht der einzige, will seine Mandate aber behalten.

Von Thilo Alexe & Gunnar Klehm
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Ivo Teichmann vor dem Wohnmobil, mit dem er im Wahlkampf unterwegs war.
Ivo Teichmann vor dem Wohnmobil, mit dem er im Wahlkampf unterwegs war. © Egbert Kamprath

Für Außenstehende kam das jetzt doch überraschend. Der bisherige AfD-Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann aus der Sächsischen Schweiz erklärte am Mittwoch seinen Austritt aus Fraktion und Partei. "Die AfD grenzt sich viel zu wenig öffentlich von extremistischen Personen, Vereinigungen oder Parteien wie zum Beispiel den 'Freien Sachsen' ab", heißt es in einem an Fraktionschef Jörg Urban gerichteten Schreiben, das Teichmann auf seinem Facebookprofil veröffentlichte.

Teichmann hatte zur Landtagswahl das Direktmandat in der Sächsischen Schweiz gewonnen. Mit 36,7 Prozent der Erststimmen sorgten die Wählerinnen und Wähler dafür, dass er statt des langjährigen CDU-Abgeordneten Jens Michel (CDU, 33,6 %) in den Landtag einzog. Erst am vergangenen Donnerstag hielt er noch eine Rede zum Thema Datenschutz für die AfD-Fraktion im Landtag.

"Die Rede würde ich inhaltlich heute genauso halten", sagte Teichmann gegenüber Sächsische.de. An seiner freiheitlich konservativen Haltung habe sich durch den Parteiaustritt nichts verändert. Allerdings habe es schon seit Monaten intern Gespräche gegeben, in der Partei etwas zu verändern. Er sei, auch von Führungskräften regionaler AfD-Gliederungen, "in sehr unsachlicher" Weise "bekämpft und zunehmend ausgegrenzt" worden. Die Parteiführung hätte davon Kenntnis gehabt.

"Ich habe viele positive Reaktionen bekommen, auch von Parteimitgliedern. Jetzt zeigt sich auch, wer die wahren Freunde sind", sagt Teichmann. Er ist auch aus der AfD-Fraktion im Kreistag ausgetreten. Seine Mandate in Landtag und Kreistag werde er aber als nun fraktionsloser Abgeordneter behalten. "Ich wurde direkt in den Landtag gewählt, meine Wählerinnen und Wähler aus der Region werde ich auch weiter vertreten", entgegnet er.

Neid und Missgunst in der Partei

Ivo Teichmanns unbequeme Art war im Wahlkampf hilfreich und passte in das Image der widerborstigen Oppositionspartei. Im Kreisverband soll es aber zunehmend auch Kritik an seinem Auftreten gegeben haben. Statt eines Wahlkreisbüros hatte er sich ein großes Wohnmobil als "mobiles Büro" angeschafft. Das sei viel zu protzig, ist aus der Partei zu hören.

Der Pfaffendorfer sieht das als Nichtigkeit an, zumal er das Mobil selbst finanziert hat und dafür auch einen Kredit aufnahm. Teichmann glaubt eher, dass er zunehmend in der Partei ungelitten war, weil er nicht in das Horn besonders Radikalerer stoßen wollte. "In AfD-Chatgruppen lese ich regelmäßig extreme Äußerungen, welche ich inhaltlich nicht teile. Die Einstufung der AfD als erwiesen rechtsextremistisch ist somit nur noch eine Frage der Zeit", schreibt Teichmann.

Entsetzt habe ihn auch, wie in der Partei mit seiner schweren Corona-Erkrankung umgegangen wurde. Teichmann musste im Krankenhaus stationär behandelt werden und machte das auch öffentlich. "Wenn sie dann an dem Sauerstoffgerät hängen und statt Genesungswünsche Vorwürfe bekommen, wie ich öffentlich über eine schwere Corona-Erkrankung schreiben könne, die es nicht geben dürfe, dann zeigt das, dass die menschliche Ebene in der Partei nicht funktioniert", erklärt Teichmann. Inzwischen herrsche in der AfD genauso Neid und Missgunst, wofür die anderen Parteien immer kritisiert wurden.

Vor seiner Wahl in den Landtag war Teichmann im sächsischen Wirtschaftsministerium beschäftigt. In den öffentlichen Dienst würde er als Beamter nach der Legislaturperiode wieder zurückkehren können. Für das Mandat ist er "freigestellt". Allerdings ist eine Rückkehr nicht mehr selbstverständlich. Auch der Dresdner Jens Maier wollte nach dem Verlust seines AfD-Bundestagsmandats zurück ins Richteramt, das er davor innehatte. Wegen extremistischer Äußerungen wurde er jedoch in den Ruhestand versetzt, was vom Dienstgericht für Richter kürzlich bestätigt wurde.

Mitarbeiter von André Barth geht ebenfalls

Ob das Urteil und die polizeilichen Maßnahmen in der Reichsbürgerszene nun zu neuerlichen Absetzbewegungen in der AfD führen, ist unklar. Auf jeden Fall ist Teichmann nicht der einzige, der aktuell aus der Partei ausgetreten ist. Auch ein Mitarbeiter des AfD-Landtagsabgeordneten André Barth, der im Wahlkreis in Dippoldiswalde und Altenberg angetreten war, Jan Endert, ist jetzt aus der Partei ausgetreten.

"Das war mir lange bekannt und ich kann nur im höchsten Respekt von Jan Endert sprechen", erklärt Barth gegenüber Sächsische.de. Endert gehe zurück nach Sachsen-Anhalt. Es soll am Donnerstag sogar noch eine kleine Abschiedsfeier geben, das sei mit dem Abgang von Teichmann nicht vergleichbar. "Nach meinem Wissensstand kann ich die Entscheidung von Ivo Teichmann nicht nachvollziehen", sagt Barth. Bekannt sei ihm aber, dass sich Teichmann mit öffentlichen Äußerungen auch im Kreisverband Unmut zugezogen habe.

Die Nachfolge von Endert ist schon geklärt. Ab Januar ist Julien Wiesemann wieder Mitarbeiter von André Barth. Das war er in der ersten Legislatur schon einmal. Wiesemann ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Kreistag Meißen.

Bereits im Oktober ist auch Kreisrat Michael Ullmann aus Müglitztal aus der AfD ausgetreten. Dieser machte aber keine inhaltlichen Differenzen dafür geltend. Ullmann will auch weiter in der Kreistagsfraktion mitarbeiten. Der Druck von Arbeitgeberseite sei aber zu groß geworden, erklärt er. Ullmann ist Bundespolizist. Gegen ihn ist ein Disziplinarverfahren wegen Äußerungen auf Social-Media-Plattformen anhängig.

Die AfD stellt nun nur noch 35 der 119 Abgeordneten im Sächsischen Landtag. In dieser Legislatur hatten mit Christoph Hahn und Wolfram Keil bereits zwei Politiker die Fraktion verlassen. Zuerst hatte die "Bild" über Teichmanns Schritt berichtet.