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Chaos-Tage bei Freitals AfD: Austritte, Intrigen, Machtspiele

Nach dem CDU-Debakel im Stadtrat sorgt die Entmachtung der AfD weiter für Gesprächsstoff. Sechs ehemalige Fraktionsmitglieder orientieren sich neu.

Von Roland Kaiser
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Comeback und Abschied: Norbert Mayer (li.) ist Spitzenkandidat der AfD zur Stadtratswahl, Torsten Heger fiel durch.
Comeback und Abschied: Norbert Mayer (li.) ist Spitzenkandidat der AfD zur Stadtratswahl, Torsten Heger fiel durch. © Daniel Förster

Der Stadtrat in Freital ist seit der Kommunalwahl vor fünf Jahren stets für Überraschungen gut. Viele in der Großen Kreisstadt erinnern sich noch gut an die Auflösung der Fraktion der Freien Wähler (FW), die Bildung der Konservativen Mitte (KM) aus frustrierten CDU-Stadtratsmitgliedern oder zuletzt den PR-trächtigen Fraktionswechsel des früheren Christdemokraten Candido Mahoche, der inzwischen ebenso der Konservativen Mitte angehört.

Was sich allerdings seit vergangenem Freitag in Freital abspielt, übertrifft das Vorangegangene klar. Es geht um die Dezimierung der AfD-Fraktion, die von acht auf zwei Mitglieder zusammengeschrumpft ist. Der bisherige Fraktionschef Torsten Heger hatte vergangene Woche im Gespräch mit der SZ, in dem es eigentlich um den Holocaust-Gedenktag und die abgesagte Kranzniederlegung durch Oberbürgermeister Uwe Rumberg ging, eher beiläufig erwähnt, dass er gemeinsam mit Yvonne Henzel, Steffen Frost, Ute-Maria Frost, Mathias Dylla und Michael Zscherper nicht länger der AfD-Stadtratsfraktion angehören wird.

Mehrere AfD-Stadträte bei Nominierung durchgefallen

Die Gründe dafür seien in der Nominierungsveranstaltung für die Stadtratswahl am 9. Juni zu suchen, hieß es. Bei dieser waren zahlreiche Fraktionsmitglieder durchgerauscht, darunter auch Fraktionsvorsitzender Heger. Es steht der Verdacht im Raum, dass Spitzenkandidat Norbert Mayer, der für die AfD aktuell neben seinem Landtags- auch ein Kreistagsmandat innehat, möglicherweise die Abstimmung beeinflusste.

Der SZ liegt ein anonymes Schreiben vor, aus dem hervorgeht, Zitat: "Herr Norbert Mayer wurde Spitzenkandidat für die neuen Stadträte. Bei der Abstimmung für die anderen Listenplätze ging er von Tisch zu Tisch und erklärte dem überwiegend älteren Publikum, wo sie ihre Kreuze zu setzen hätten. Das mutete sehr kurios an, beinahe wie im Altenheim."

Torsten Heger bestätigte auf Anfrage einen Teil dieser Aussage. "Es ist richtig, dass Herr Mayer von Platz zu Platz gegangen ist. Was er zu den Leuten gesagt hat, konnte ich nicht verstehen." Insgesamt hatten sich seinen Angaben zufolge am 24. Januar 29 Personen zur Nominierungsveranstaltung im Freitaler Hotel "Zur Linde" eingefunden. Norbert Mayer sagte auf Anfrage, wie die Abstimmung gelaufen ist: "Warum Kandidaten nicht gewählt wurden, kann ich aufgrund der geheimen Wahl nicht beantworten. Vermutlich konnten sie die Mehrheit der Freitaler AfD-Mitglieder nicht überzeugen."

Der neue Fraktionsvorsitzende der AfD im Stadtrat, Andreas Just, stellt die Situation etwas anders dar: "Während der Wahl haben Torsten Heger, Steffen Frost, Ute Maria Frost sowie Mathias Dylla, Michael Zscherper und Yvonne Henzel ihre Kandidatur überraschend zurückgezogen", schreibt Just auf Nachfrage.

So oder so - es stellt sich die Frage, mit wem die Alternativen neben ihrem Spitzenkandidaten Mayer nunmehr zur Stadtratswahl am 9. Juni antreten werden. Laut dem besagten Schreiben soll es sich dabei überwiegend um Rentner handeln und Leute, die für dieses Ehrenamt gar nicht geeignet scheinen. Konkrete Namen bleibt der Autor aber schuldig. Andreas Just nennt drei Namen: Neben Norbert Mayer werde er selbst und sein Fraktionskollege Ralf Langer kandidieren.

Ex-AfD-Fraktionsmitglieder suchen neue Heimat

Was im Anschluss passierte, kommt förmlich einer Entmachtung der zweitstärksten Fraktion im Freitaler Stadtrat gleich. Der gehören nunmehr nur noch Andreas Just und Ralf Langer an. Letzterer war zwar für den verstorbenen AfD-Mann Thomas Prinz ins Stadtparlament nachgerückt, jedoch erst Wochen später zum festen Bestandteil der Fraktion geworden - ob wegen interner Meinungsverschiedenheiten, blieb unklar.

Doch wie geht es mit den sechs Ex-AfD-Stadträten jetzt weiter? "Ich fühle mich mit jedem Tag besser", meint Torsten Heger fast eine Woche nach Bekanntwerden des Coups, "weil ich nun nicht mehr wegen der zunehmenden Spannungen innerhalb der Fraktion und der Ortsgruppe versuchen muss zu vermitteln."

"Ich persönlich könnte mir die Mitarbeit in einer anderen Fraktion vorstellen", führte Torsten Heger weiter aus. Gespräche dazu gäbe es bereits. Was die anderen fraktionslosen Stadträte anbelangt, könne er sich nicht anmaßen, für deren Intentionen zu sprechen. Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass sich die Gruppe unter einem eigenen Namen formiert. Egal wohin die Reise gehe, eine Entscheidung soll in Kürze erfolgen.

Folgen hat diese allemal: "Abhängig davon, ob wir uns einer Fraktion anschließen oder eine eigene Fraktion gründen, wird natürlich über die Besetzung der Ausschüsse und Aufsichtsräte in Freital neu zu befinden sein", betonte der ehemalige AfD-Fraktionschef.

Freitaler AfD-Ortsgruppe vom Kreisverband aufgelöst

Selbst für den Kreistag könnte die Dezimierung der Freitaler AfD-Stadtratsfraktion Konsequenzen haben: "Möglicherweise müssen wir, wie die damals ausgetretenen Mitglieder der CDU um OB Rumberg, eine eigene Gruppe bilden", sagte Torsten Heger, der wie zwei weitere frühere AfD-Stadträte gleichzeitig über ein Kreistagsmandat verfügt. "Das muss der Kreisverband entscheiden. Ich denke, die werden sich in den nächsten Tagen melden."

Und wie bewerten die anderen Parteien die jüngsten Entwicklungen? Die mit neun Abgeordneten stärkste Fraktion, die Konservative Mitte, hält sich vorerst bedeckt. "Wir haben keinerlei Kenntnis über die Vorgänge in der AfD-Fraktion", ließ deren Vorsitzender Uwe Jonas wissen.

Lars Tschirner von der Fraktion "Bürger für Freital" meinte hingegen: "Wenn sich die Informationen über die AfD bestätigen, wird die AfD im Freitaler Stadtrat bis zur Wahl mit zwei Vertretern kurzzeitig fast bedeutungslos." Den Ausgetretenen rechnet er an, dass sie bisher zum Wohle der Stadt entschieden hätten und keinerlei extreme Ansichten vertreten würden. Eine Aufnahme des Sextetts bei den "Bürgern für Freital" käme nicht in Betracht, da dies eine Pateiunabhängigkeit voraussetze. Noch aber haben Torsten Heger und Co. ihr Parteibuch inne.

Die CDU sieht gegenwärtig keinen Handlungsbedarf. Auch für die FDP stehe eine Anwerbung, wie es Fraktionschef Peter Weinholtz formuliert, nicht zur Debatte. "Hier gilt es erst einmal abzuwarten, ob sich die sechs Stadträte der Fraktion des OBs, der sogenannten Konservativen Mitte, anschließen oder ob sie eine eigene Fraktion gründen oder sich auf mehrere andere Fraktionen aufteilen, aus der AfD austreten und dem Bündnis Sahra Wagenknecht beitreten oder, oder, oder." Und er schob hinterher: "Dass es in der AfD-Fraktion mitunter disharmonisch zugegangen sein dürfte, war ersichtlich."

Nicht nur die AfD-Fraktion ist bei den Turbulenzen um die Kommunalwahl untergegangen. Seit dieser Woche gibt es auch keinen Freitaler AfD-Ortsverband mehr. Die unselbstständige Ortsgruppe, wie Norbert Mayer sie bezeichnet, existierte in Freital seit 2016 und wurde nunmehr laut seinen Schilderungen aufgelöst. Das sei am Montag per Beschluss des Kreisvorstandes der SOE-AfD geschehen. (mit hey)