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AfD gewinnt erstmals Bürgermeisterwahl - Kretschmer warnt vor Polarisierung

Die AfD hat innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal einen kommunalpolitischen Wahlsieg erzielt. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer warnt nun vor einer Polarisierung. Ein CDU-Landrat rechnet mit weiteren Erfolgen der AfD.

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Angesichts des AfD-Höhenflugs warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nun vor einer zunehmenden Polarisierung in Deutschland. "In diesem Land gerät etwas ins Rutschen", sagt der CDU-Politiker.
Angesichts des AfD-Höhenflugs warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nun vor einer zunehmenden Polarisierung in Deutschland. "In diesem Land gerät etwas ins Rutschen", sagt der CDU-Politiker. © Jan Woitas/dpa (Archiv)

Raguhn-Jeßnitz/Berlin. Angesichts des AfD-Höhenflugs hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vor einer zunehmenden Polarisierung in Deutschland gewarnt. "In diesem Land gerät etwas ins Rutschen", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Als Erklärung für das AfD-Hoch nannte er, die Menschen seien verstört, wie Politik gemacht werde in Deutschland. "Wir sind auf dem Weg in eine Polarisierung, wie wir sie aus Amerika kennen. Die Debatte der vergangenen Woche hat nicht erkennen lassen, dass alle das begriffen haben."

Selbst bei der Wahl im thüringischen Sonneberg, wo erstmals ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt wurde, hätten vor allem Deutschlandthemen eine Rolle gespielt. "Energiewende, Heizungsgesetz, Flüchtlingspolitik und Russland-Embargo haben der AfD den Sieg gebracht. Diese Themen drohen die Gesellschaft zu zerreißen", meint Kretschmer. Politiker griffen zu "Schuldzuweisung und Abgrenzung, statt sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen". Das sei nicht verantwortungsvoll. "Es muss jetzt um Sachfragen gehen."

Angesprochen auf die Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz, der die Grünen zum Hauptgegner in der Bundesregierung erklärt hatte, sagte Kretschmer: "Bundesregierung und Opposition können in Krisenzeiten durchaus zusammenarbeiten. Dafür braucht es aber eine Bereitschaft der Ampel-Regierung." Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern sei noch nie so schlecht gewesen wie aktuell. "Die Bundesregierung muss einen anderen politischen Ansatz wählen. In Deutschland muss wieder mehr miteinander geredet werden." Die Situation sei ernst, mahnte Kretschmer. "Wir müssen anerkennen, dass es mehr als eine Meinung gibt."

AfD gewinnt erstmals Bürgermeisterwahl in Sachsen-Anhalt

Am Sonntag hatte die AfD erneut eine kommunale Wahl in Ostdeutschland für sich entschieden. Der AfD-Kandidat Hannes Loth gewann die Bürgermeisterwahl in der Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt Während Landespolitiker von Linken und Grünen in Sachsen-Anhalt besorgt reagierten, freute sich AfD-Landeschef Martin Reichardt über ein "Signal, dass wir den bundesweiten Aufwärtstrend (...) gerade auch hier in Mittel- und Ostdeutschland verstetigen können".

Erst vor einer Woche hatte im südthüringischen Sonneberg Robert Sesselmann als bundesweit erster AfD-Kandidat eine Landratswahl gewonnen. Das sorgte international für Aufsehen und fachte die Debatte über den Höhenflug der AfD weiter an. Der Verfassungsschutz stuft die Partei bundesweit als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus einstuft. In deutschlandweiten Umfragen rangiert die AfD bei um die 20 Prozent.

Nach der Stichwahl in der 8.800-Einwohner-Stadt Raguhn-Jeßnitz erklärten die Linken-Landesvorsitzenden Janina Böttger und Hendrik Lange: "Es ist beunruhigend, dass es nun Vertretern rechtsradikaler AfD-Landesverbände gelingt, kommunale Spitzenämter einzunehmen." Der Grünen-Landesvorsitzende Dennis Helmich bezeichnete das Ergebnis als "massiv enttäuschend".

CDU-Landrat aus Sachsen-Anhalt warnt vor weiteren Erfolgen der AfD

Der CDU-Landrat des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, in dem Raguhn-Jeßnitz liegt, warnte vor weiteren Erfolgen der AfD. "Wenn die Politik, die momentan die Ampel-Regierung vollzieht, so bestehen bleibt, werden das nicht der letzte Bürgermeister und der letzte Landrat der AfD gewesen sein", sagte Andy Grabner der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur in Ostdeutschland, auch bundesweit könnte das in Zukunft die politische Richtung sein, warnte er. "Das ist kein Sachsen-Anhalt-Phänomen." Loths Wählerinnen und Wähler seien keineswegs alle Rechtsradikale. "Da sind ganz normale Menschen von nebenan - wie du und ich."

Der AfD-Landtagsabgeordnete Loth setzte sich in der Stichwahl mit 51,13 Prozent gegen den parteilosen Kandidaten Nils Naumann durch. Der 42-Jährige wurde damit zum ersten hauptamtlichen AfD-Bürgermeister in Sachsen-Anhalt gewählt. Die AfD sprach auf Twitter sogar vom ersten AfD-Bürgermeister Deutschlands - wobei bis 2020 im baden-württembergischen Burladingen ein Bürgermeister amtierte, der zur AfD gewechselt war.

Loth betonte am Abend, sein Wahlkampf sei rein auf kommunalen Themen aufgebaut gewesen - es gehe um die Stärkung der Feuerwehr, um Kitas und mehr Bürgerbeteiligung. Ob ihm die Wahl Sesselmanns geholfen habe, wisse er nicht. Er stehe auch für diejenigen bereit, die ihn nicht gewählt hätten.

AfD-Wahlerfolge: Kein Effekt in Sachsen messbar

In Sachsen haben die Wahlsiege bisher kaum positiven Einfluss. Laut der aktuellen Sonntagsfrage von Sächsische.de und den Meinungsforschern von Civey verliert die AfD sogar zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat. Mit 30 Prozent liegt sie zwar noch hoch, die CDU (34 Prozent) kann ihren Vorsprung jedoch ausbauen. (dpa)