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Krisentreffen der Linken in Leipzig soll Streit um Wagenknecht beenden

Die Linkenspitze verabschiedet ein Papier, das interne Konflikte entschärfen soll. Dabei geht sie auch auf Distanz zur prominenten Abgeordneten.

Von Thilo Alexe
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Janine Wissler, Bundesvorsitzende der Linken.
Janine Wissler, Bundesvorsitzende der Linken. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Leipzig. Mit der Leipziger Erklärung wollen Spitzenfunktionäre der Linken den innerparteilichen Richtungsstreit beenden. Bei einem internen Treffen in Leipzig, an dem die Bundesspitze um die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan, Landes- und Fraktionschefs teilnahmen, verabschiedeten die rund 60 Politiker ein Dokument, hinter dem sich die unterschiedlichen Strömungen in der Partei versammeln sollen. Anlass dafür ist die Debatte um die prominente Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht, die "Lifestyle-Linke" kritisierte und der Bundesregierung vorwarf, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun zu brechen.

Das vierseitige Papier enthält ein Bekenntnis zur Vielfalt: "Wir sind eine plurale Partei – und bleiben es." Beim Thema Russland kritisieren die Spitzengenossen den "Angriffskrieg" auf die Ukraine und bezeichnen ihn als völkerrechtswidrig. Allerdings sprechen sie auch von einer "geopolitischen Auseinandersetzung" unter der "Millionen Menschen leiden und von der vor allem die Rüstungs- und Rohstoffkonzerne profitieren". Kritik formulieren sie an der Grünen Annalena Baerbock: "Wenn eine Außenministerin sich öffentlich gegen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges ausspricht, ist das nicht akzeptabel." Die Linkenspitze fordert zudem diplomatische Initiativen des Westens gegenüber China und Indien, die Einfluss auf Russland ausüben können. Ziel müssten Waffenstillstand und Friedensverhandlungen sein.

Die Erklärung geht auch auf Spekulationen ein, Wagenknecht könnte beflügelt durch Umfragewerte eine eigene Partei gründen und damit zunächst 2024 zur Europa- und sächsischen Landtagswahl antreten. In der Öffentlichkeit werde über ein alternatives Parteiprojekt spekuliert. "Wir sind dagegen bereit für unsere Partei zu kämpfen, das historische Projekt einer geeinten, pluralen, sozialistischen Partei zu verteidigen und weiterzuentwickeln."

Klare Kante gegen rechts

Mit Blick auf steigende Energie- und Lebenshaltungskosten stärkt das Papier den Kurs des Vorstandes: "In der Preiskrise haben wir trotz aller Schwierigkeiten bereits gezeigt, wie wichtig eine Kraft links von SPD und Grünen ist." Hilfspakete seien auch durch Druck von links zustande gekommen.

Die Partei müsse Kräfte bündeln, dürfe aber Bündnispartner nicht vor den Kopf stoßen. Dieser Passus dürfte sich auf den Austritt des Hauptgeschäftsführers des paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, aus der Linken beziehen. Der Sozialexperte begründete den Austritt im September mit Wagenknechts Auftritt im Bundestag, bei dem sie den Rücktritt des Grünenministers Robert Habeck gefordert und Russlandsanktionen kritisiert hatte.

Nötig, heißt es in der Leipziger Erklärung weiter, sei "eine klare Kante gegen rechts". Zudem müsse sich die Partei auf die anstehenden Wahlen etwa in Berlin und Bremen, wo die Linke derzeit mitregiert, sowie in drei weiteren Ländern konzentrieren – "für all die Menschen, deren Interessen sonst niemand vertritt".

Geschlossener Kampf um die Partei

Ob die Erklärung Ruhe in die Partei bringt, die eine Reihe von Wahlschlappen verarbeiten muss, ist noch offen. Beobachter sehen, dass mit der Forderung nach Friedensverhandlungen und der Kritik an Baerbock durchaus Positionen von Wagenknecht in dem Papier enthalten sind. Allerdings wird auch die aktuelle Parteiführung gestärkt – etwa durch den Hinweis auf den Druck für Entlastungspakete. Dazu zählen mehrere Demonstrationen, in Leipzig trat dabei auch Bundeschef Schirdewan auf. Die Forderung, Bündnispartner aus der Zivilgesellschaft nicht vor den Kopf zu stoßen, dürfte eine klare Mahnung an Wagenknecht sein.

An der Ausarbeitung waren nach Informationen von Sächsische.de Vertreter mehrerer Strömungen beteiligt. Auch der langjährige Abgeordnete Gregor Gysi, der intern Wagenknecht offenbar zum Bleiben aufgefordert hatte, wurde dem Vernehmen nach zurate gezogen. Wagenknecht, die außer ihrem Mandat keine Parteifunktion hat, war in Leipzig nicht dabei.

Zu den sächsischen Teilnehmern zählten die Landeschefs Susanne Schaper und Stefan Hartmann sowie Fraktionschef Rico Gebhardt. Auch die Bundestagsfraktionschefs Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali nahmen an dem Treffen teil. Wissler betonte, „in Leipzig haben wir geschlossen gezeigt, dass wir bereit sind, um unsere Partei zu kämpfen“. Offensichtlich wollen die Führungskräfte der Linken mit dem Schulterschluss veranschaulichen, dass Wagenknecht mit Abspaltungsplänen isoliert wäre.