Kommentar: Was heißt ein Landrat für alle?

Als sich am Sonntagabend die Karte mit den Wahlergebnissen füllte, war es fast so wie früher. Die CDU gewinnt die Landratswahl im Landkreis Bautzen. Zwar erst im zweiten Wahlgang, dafür aber mit deutlichem Vorsprung. Entsprechend groß war die Erleichterung bei Landrat Michael Harig und seinem Nachfolger Udo Witschas. Acht Jahre lang haben beide auf diesen Wechsel hingearbeitet.
Sicher sein, dass der Plan aufgeht, konnten sie sich nicht. Mehrfach war die CDU im Landkreis Bautzen zuletzt der AfD bei Bundes- und Landtagswahlen unterlegen. Auch im Kreistag stellt die Rechts-außen-Partei seit 2019 die stärkste Fraktion.
Umso bemerkenswerter ist es, dass Udo Witschas ein Wahlsieg aus eigner Kraft gelingt – ohne ein Bündnis „Alle gegen die AfD“, wie zuletzt bei der OB-Wahl in Görlitz. Der starke konservative Flügel des CDU-Kreisverbands dürfte darin eine Bestätigung sehen.
Die Gründe für den Wahlerfolg liegen aber nicht nur im politischen Profil des Kandidaten. So war es sicher kein Schaden für die CDU, dass sich der unabhängige Kandidat Jantsch mit seinem falschen Dr.-Titel selbst aus dem Rennen geschossen hat. Mit einem seriösen Mitbewerber aus dem bürgerlichen Lager hätte die Sache auch anders ausgehen können.
Linke hat Chance verpasst
So hatte Udo Witschas viele Vorteile auf seiner Seite: Er war der mit Abstand bekannteste der vier Bewerber, er hat die meiste Verwaltungserfahrung und die klare Unterstützung des Landrats. Die politischen Mitbewerber bemängeln zwar zurecht, dass zuletzt häufig nicht mehr klar war, wer da eigentlich agierte: der Vize-Landrat oder der CDU-Wahlkämpfer. Doch angesichts des klaren Wahlergebnisses kann auch niemand ernsthaft behaupten, dass es allein daran gelegen habe.
Das linke Bündnis muss sich hingegen selbstkritisch fragen, ob es nicht eine Chance verpasst hat. Erst spät – vermutlich zu spät – nominierte man mit dem parteilosen Richter Alex Theile einen gemeinsamen Kandidaten. Dieser ist durchaus in der Lage, ein breites Wählerspektrum zu mobilisieren, wie das Ergebnis in seiner Heimatstadt Kamenz zeigt. Nur sind ein paar Wochen Wahlkampf eben viel zu wenig Zeit, um sich kreisweit bekannt zu machen. Da nützt auch kein „Hackengas“ auf den letzten Metern.
Vorbehalte gegen Wahlgewinner unübersehbar
Die AfD wird weder in Bautzen noch sonst wo in Sachsen den Landrat stellen. Die Partei ist damit der klare Verlierer dieser Wahl. Denn ihr Wählerpotenzial ist zwar groß, sie kann es aber nicht in zählbare Erfolge ummünzen, auch weil ihr geeignete Köpfe fehlen.
Die größte Aufgabe für den neuen Landrat hat Udo Witschas am Wahlabend selbst beschrieben: Er wolle ein Landrat für alle Bürger sein. Was wie eine Politikerfloskel klingt, ist in seinem Fall eine besondere Herausforderung. Wegen seiner Kontakte zu einem rechtsextremen Parteifunktionär, nach seinen Äußerungen zur Impfpflicht und nach scharfer Kritik seiner Amtskollegin Birgit Weber sind die Vorbehalte – selbst in der eigenen Partei – unübersehbar. Nicht wenige im linken Lager halten ihn sogar für einen unsicheren Kantonisten, der am liebsten gemeinsame Sache mit der AfD machen will.
Die hat am Wahlabend schon mal Ansprüche auf den Posten des Vize-Landrats geltend gemacht, der ja nun neu zu besetzen ist. Die erste Bewährungsprobe für den "Neuen“ im Chefsessel der Kreisverwaltung ist also schon in Sicht. Sie ist eine Chance, Vorbehalte zu widerlegen – oder auch nicht.