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Leisnigs Bürgermeister-Kandidaten stellen sich den Fragen der Wähler

So gut besucht wie sonst nur zu Weihnachten war die Leisniger Stadtkirche am Dienstagabend. Die Kirchgemeinden hatten zum Wählerforum eingeladen. Das hätte gut noch ein oder zwei Stunden länger dauern können.

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Die Bürgermeister-Kandidaten für Leisnig Enrico Tappert-Freitag, Karsten Müller, Carsten Graf und Rüdiger Schulze (von links) stellen sich den Fragen der Wähler.
Die Bürgermeister-Kandidaten für Leisnig Enrico Tappert-Freitag, Karsten Müller, Carsten Graf und Rüdiger Schulze (von links) stellen sich den Fragen der Wähler. © Bildstelle

Leisnig. Was wollen sie für Leisnig und die Leisniger erreichen? Auf solche und andere Fragen und Themen, die die Leisniger bewegen, sollte es am Dienstagabend beim Wählerforum Antworten geben. Das Interesse daran war so groß, dass Superintendent Sven Petry, der den Abend moderierte, die Tür zur Stadtkirche aufschloss. Der Platz im Stadtgut hätte keinesfalls gereicht.

Den Fragen stellten sich die vier vom Gemeindewahlausschuss zugelassenen Bewerber um das Bürgermeisteramt von Leisnig: Carsten Graf (Kandidat von Wählervereinigung, SPD, Die Linke, Grüne, 50), Rüdiger Schulze (CDU, 48) Karsten Müller (Einzelbewerber, 52) und Enrico Tappert-Freitag (Einzelbewerber, 35). Zunächst konnte sich jeder Kandidat in fünf Minuten kurz vorstellen. Der eine las da schon sein Programm ab, der andere erzählte ein wenig mehr über sich selbst, ging erst später auf seine Vorhaben ein.

In der zweiten Runde sozusagen stellte Sven Petry fünf Fragen, einige davon griffen die Zuhörer dann noch einmal auf, wollen mehr dazu wissen.

Wie stehen die Kandidaten zum Zuzug Völkischer Siedler?

Karsten Müller findet, dass die Menschen dorthin ziehen können, wo sie wollen. Das sei deren freie Entscheidung. Wer nach Leisnig kommt, um Außenseiter sein zu sein, „dann ist das im Prinzip auch sein Problem.“

Rüdiger Schulze findet, das Leisnig sich nicht in eine Ecke gedrängt fühlen muss, sondern viel bunter ist, als in den Medien dargestellt. „Als Stadt werden wir das Problem nicht lösen können, das muss man mal ganz klar sagen. Wir müssen sehen, wie wir jedes Mal auf die jeweilige Situation reagieren.“

Carsten Graf meint, dass es bitter ist, als Kommune in eine rechte Ecke gedrängt zu werden. „Es gibt Grenzen, die einzuhalten sind“, meint er. Aus seiner Sicht bedürfe es mehr als der Forderung, dass der Bürgermeister oder die Stadträte vor die Rathaustür treten sollen. „Nein, das sollten alle und damit eine positive Entwicklung entgegenstellen.“

Enrico Tappert-Freitag denkt, dass jeder seinen Ort frei wählen kann, an dem er leben möchte. Und: „Man sollte auch nach vorn blicken“.

Mit der Frage bezog sich der Superintendent auf verschiedene Darstellungen in ganz unterschiedlichen Medien. Sie hatten 2021 über Zuzug von Völkischen Siedlern berichtet. Diese beschreibt Klaus-Dieter Kaiser von der evangelischen Akademie der Nordkirche Rostock in einem von ihm erstellten Dossier über Rechtsextremismus als „Gruppe von Rechtsextremen, welche im ländlichen Raum versuchen, ihre Kultur zu leben und zu etablieren“. Angehörige dieser Gruppe hatten sich bei Demonstrationen auf dem Leisniger Markt als Redner hervorgetan, andere sollen versucht haben, sich Vereinen anzuschließen und dort ihre Gesinnung zu verbreiten. Zum Umgang mit diesen Zuzüglern und zur Reaktion darauf gab es heftige Diskussionen. Bürgermeister und Stadträte standen wegen zu zögerlichen Handelns und eines vermeintlich zu defensiven Umgangs mit dem Problem in der Kritik.

Wie sind junge Leute zum Dableiben oder Zurückkommen zu bewegen?

Carsten Graf denkt, dass bei Jugendlichen das Gespür und das Interesse an Kommunalpolitik und am Mitgestalten geweckt werden müssten. Die Jugend müsste effektiver einbezogen werden, die sei die Zukunft der Stadt.

Enrico Tappert-Freitag will als noch junger Mensch mit gutem Beispiel vorgehen. Er hofft, dass junge Leute in Leisnig bleiben, wenn sie gut und fest in Vereine angebunden sind, hier eine Ausbildung finden oder zumindest durch Zuschüsse wie zu Fahrtkosten Anreize bekommen, „wieder den Weg zurückzufinden“.

Was kann gegen das Fehlen von IT-Anleitung in Schulen getan werden?

Karsten Müller ist der Meinung, dass die Kommunikation mit den Schulen besser werden muss und die Stadt in der Pflicht ist, IT-Kräfte zur Anleitung von Pädagogen und zur Hilfestellung zur Verfügung stellen muss.

Rüdiger Schulze hat als Stadtrat die Digitalisierung der Schulen begleitet. Von Schwierigkeiten bei der Anwendung höre er heute das erste Mal. Bei der weiteren Ausstattung der Schulen sei die Kommune als Schulträger auf einem guten Weg. Im Moment gehe es zum Beispiel bei der Anschaffung von digitalen Tafeln eher stockend weiter, weil es lange Lieferzeiten gibt.

Wie kann die ärztliche Versorgung auch in Zukunft gesichert werden?

Enrico Tappert-Freitag sei von der Schließung der Kinderklinik in Leisnig kürzlich selbst betroffen gewesen. Mit seinem Sohn, der sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen hatte, habe er schließlich nach Mittweida ins Krankenhaus fahren müssen. Letztlich sei die ärztliche Versorgung aber kein Problem, das die Kommune allein lösen. Da sehe er das Land und den Landkreis in der Pflicht, „damit wir wieder mehr junge Ärzte nach Leisnig kriegen, die sich bereiterklären, einen Hausarztposten zu übernehmen“.

Carsten Graf sieht den Ärztemangel als Problem, das den kompletten ländlichen Raum betrifft. Er erzählte von einem Projekt eines Nachbarlandkreises mit Universitäten. Mit Fördermitteln sollen Ärzte unterstützt werden, Praxen einrichten und ausstatten zu können. Das sei allerdings keine Garantie, dass dann wirklich Ärzte aufs Land kommen. Aus seiner Sicht müsse die Kommune da auch mit der Helios-Klinik in Kontakt bleiben.

Rüdiger Schulze will in diesem Punkt auch das Land in die Pflicht nehmen, denn Krankenhausplanung sei Landessache. Trotz der Einschränkungen, die die Helios-Klinik in den vergangenen Monaten gemacht hat, sieht Schulze den Klinikstandort als Chance. „Ohne einen privaten Betreiber hätten wir bestimmt kein Krankenhaus in Leisnig mehr“, denkt er. Das Hausarztproblem „treibt auch mich mit viel Sorge um“, gab Schulze zu. In günstigen Förderbedingungen sieht er ebenso eine Möglichkeit, junge Ärzte fürs Land zu begeistern.

Karsten Müller denkt ebenfalls, dass es der richtige Weg ist, Studierende zu fragen, welche Voraussetzungen sie brauchen, um in so eine ländliche Region wie Leisnig zu ziehen und dann darauf zu reagieren. Sei es mit Ausstattung oder Fahrzeugen, die finanziert werden. Nur auf diese Weise könne die Kommune den schleichenden Rückgang an Ärzten beziehungsweise den sich jetzt schon zeigenden Mangel stoppen.

Herr Graf, wie wollen Sie das mögliche neue Amt bewerkstelligen?

An Carsten Graf waren noch mehrere Einzelfragen gerichtet. Teilnehmer des Forums wollten wissen, wie er alle Parteiinteressen unter einen Hut bringen will, wenn er von vier Gruppen nominiert worden ist? Ob er nach Leisnig zieht, wenn er der neue Bürgermeister wird und wo er die zurückliegenden sieben Jahre seit seiner letzten Bewerbung um das Amt gewesen ist?

Graf war viele Jahre Bürgermeister von Mutzschen. Schon da sei ihm wichtig gewesen, Parteipolitik außen vor zu lassen: „Es geht um Probleme der Stadt, und die müssen so schnell wie möglich gelöst werden.“ Auch in den vergangenen Jahren habe er Kontakte zu Leisnig und Leisnigern gehabt. Auf seine erneute Kandidatur sei er von Unterstützern und weiteren Leisnigern angesprochen worden.

Und: Nein, auch als Bürgermeister werde er nicht nach Leisnig ziehen. Das begründete er mit emotionalen Bindungen an das Haus der Familie in Mutzschen. Das sei extra für den behinderten, mittlerweile aber leider verstorbenen Sohn seiner Frau umgebaut worden. „Es gibt eine Reihe von Bürgermeistern, die einen guten Job machen, auch wenn sie nicht in der Stadt leben, in der sie gewählt worden sind“, sagte Carsten Graf.