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Nach Tod der Ehefrau: Mordanklage gegen in Radeberg lebenden Afghanen

Ein Familiendrama hatte Radeberg im Juni 2023 erschüttert. Ein Mann soll seine Ehefrau zu Tode stranguliert haben. Nun wird gegen den Afghanen Anklage wegen Mordes erhoben.

Von Verena Belzer
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Hier wohnte die fünfköpfige Familie in Radeberg - nun ist die Mutter tot und der Vater wegen Mordes angeklagt.
Hier wohnte die fünfköpfige Familie in Radeberg - nun ist die Mutter tot und der Vater wegen Mordes angeklagt. © René Meinig

Radeberg/Görlitz. Es war ein Sonntag im Juni des vergangenen Jahres, als aus der Röderstraße in Radeberg ein Notruf abgesetzt wurde. Am Telefon ein damals 31-jähriger Mann. Polizei und Notarzt eilten in seine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus - und konnten dort nur noch den Tod der 27-jährigen Ehefrau des Mannes feststellen, der die Polizei alarmiert hatte. Eine Reanimation blieb erfolglos. Die Obduktion bestätigte einige Tage später den Anfangsverdacht, dass die Frau stranguliert worden war.

Am Nachmittag des Folgetages nahmen Polizisten den Ehemann, einen Afghanen, fest. "Neben der Tatsache, dass solche Taten oft im sozialen Nahbereich stattfinden, waren die Hinweise ausreichend, dass der Mann der Täter sein kann", hatte Christopher Gerhardi, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Görlitz, damals mitgeteilt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ der zuständige Ermittlungsrichter am Amtsgericht Bautzen einen Untersuchungshaftbefehl. Polizisten brachten den Beschuldigten anschließend in U-Haft. Dort sitzt der Mann bis heute. Er dementiert die Vorwürfe und äußert sich nicht weiter zu den Geschehnissen des 11. Juni 2023.

Nun wird er sich voraussichtlich ab dem 11. März am Landgericht Görlitz verantworten müssen. Das Schwurgericht hat die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Mordes zugelassen. Als Schwurgericht bezeichnet man eine mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzte große Strafkammer des Landgerichts. Sie ist bei Strafprozessen für sogenannte Kapitalverbrechen zuständig.

Dem Tatverdächtigen werden niedere Beweggründe vorgeworfen

Nach dem Leichenfund hatten Staatsanwaltschaft und Polizei von "Totschlag" gesprochen - nun die Anklageerhebung wegen Mordes. "Dem Mann werden niedere Beweggründe vorgeworfen", teilt Christopher Gerhardi auf Nachfrage von Sächsische.de mit. Was das Motiv angehe, das müsse nun die Hauptverhandlung in Görlitz klären.

Eine Tat im Affekt schließt die Staatsanwaltschaft damit aus - das hätte eine Anklage wegen Totschlags zur Folge gehabt. Die Verhandlung in Görlitz wird mindestens vier Tage dauern. Es ist unter anderem ein Gutachter geladen, der sich mit der Frage beschäftigt, in welchem geistigen Zustand sich der 31-Jährige zur Tatzeit befand. "Auch das Dolmetschen nimmt in der Regel einige Zeit in Anspruch, sodass der Prozess auch länger als die anberaumten Verhandlungstage dauern kann", erklärt der Sprecher.

Zeugen der Tat werden nicht befragt - das könnten höchstens die drei minderjährigen Kinder des Paares gewesen sein. Sie befinden sich mittlerweile in Obhut des Jugendamts. Auf deren Befragung und Aussage verzichtet das Gericht. Sie hätten ansonsten als Kinder des Tatverdächtigen auch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen können.

Afghane arbeitete als Ortskraft für die Bundeswehr

Die fünfköpfige Familie war zum Tatzeitpunkt seit knapp zwei Jahren in Deutschland. Der Tatverdächtige hatte vor der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan für die deutsche Bundeswehr gearbeitet. Die sogenannten Ortskräfte wären unter den Taliban besonders in Gefahr gewesen, weil sie mit den westlichen Mächten zusammengearbeitet hatten. Die Bundeswehr und andere Nationen versuchten daher, so viele Ortskräfte wie möglich außer Landes zu bringen.

Aus dem Umfeld der Familie ist zu hören, dass es bereits in der Vergangenheit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sei - sowohl von der Frau als auch dem Mann ausgehend. Eine Trennung habe im Raum gestanden, heißt es. Ob das möglicherweise ein Motiv sein könnte, wird die Verhandlung in Görlitz zeigen.

Die 27-jährige Ehefrau hatte dem Vernehmen nach bereits länger mit psychischen Problemen zu kämpfen - schon vor ihrer Flucht aus Afghanistan nach Deutschland. Der Tatverdächtige hingegen sei regelmäßig zum Integrationskurs nach Dresden gefahren, heißt es.

Wie die Polizei berichtet hatte, war der 31-Jährige bis zur Tat bisher polizeilich nicht auffällig geworden. "Zumindest nicht in Deutschland."

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