Radeberg
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Vierte Gemeinschaftsschule Sachsens kommt nach Radeberg

Der Bedarf an Schulen ist derzeit groß in Radeberg. Bereits ab Sommer 2024 soll eine Gemeinschaftsschule hinzukommen. Pädagogen, die die Schule mit planen wollen, werden noch gesucht.

Von Siri Rokosch
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Die Freie Evangelische Grundschule Radeberger Land in Großerkmannsdorf wird erweitert. Die neuen Oberstufen-Schüler werden künftig aber in einem Gebäude in Radeberg unterrichtet.
Die Freie Evangelische Grundschule Radeberger Land in Großerkmannsdorf wird erweitert. Die neuen Oberstufen-Schüler werden künftig aber in einem Gebäude in Radeberg unterrichtet. © Marion Doering

Großerkmannsdorf. Seit August 2020 sind Gemeinschaftsschulen auch in Sachsen möglich. Bislang gibt es zwei in Dresden und eine in Leipzig. Dort lernen die Kinder länger gemeinsam. Die vierte sächsische Gemeinschaftsschule entsteht nun in Radeberg.

Vergrößerung der Freien Evangelischen Grundschule Radeberger Land

Die Freie Evangelische Grundschule Radeberger Land in Großerkmannsdorf will sich nun erweitern und eine Gemeinschaftsschule werden. Bislang lernen die Grundschüler dort von der ersten bis zur vierten Klasse gemeinsam und verlassen die Schule danach, um in das Gymnasium oder die Oberschule zu wechseln. Antje Junghanß und Sebastian Beyer vom Vorstand des Christlichen Schulvereins Radeberger Land e. V. erklären im Gespräch mit Sächsische.de, wie sich das künftig ändern soll.

Bis zum 30. November dieses Jahres müsse der Antrag für die Schulerweiterung zur Gemeinschaftsschule beim Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) liegen. Das Konzept soll bis zum Mai fertiggestellt sein, sagt Antje Junghanß: "Wir wissen, dass wir zweizügig sein müssen. Da wir uns aber intern auf eine maximale Schülerzahl von 24 Kindern pro Klasse festgelegt haben, gehen wir davon aus, dass wir später insgesamt rund 400 Kinder in der weiterführenden Schule aufnehmen können. Es gehen aber auch weniger. Damals, 2015, sind wir hier mit der Grundschule in der zweiten Klasse mit nur drei Kindern gestartet." Als private Schule müssten keine bestimmten Schülerzahlen erfüllt werden, erklärt sie.

Die Erstellung des Konzepts sei sehr umfangreich, sagt Sebastian Beyer. So müsse natürlich der Lehrplan erfüllt werden, die entsprechenden Pädagogen müssten da sein, ebenso die Räumlichkeiten und sogar Muster-Stundenpläne seien gefordert. Zudem muss unter anderem ein Businessplan erstellt werden. Für die weiterführende Schule würden noch Pädagogen gesucht, die "ihre eigene Schule mit planen wollen" und Ideen, Visionen sowie reformpädagogische Konzepte einbringen wollen. Benötigt würden noch Lehrer, Fachlehrer und Sprachlehrer. Derzeit arbeiten in der Grundschule vier Klassenlehrer und fünf Fachlehrer. Hinzu kommen noch Erzieher, welche auch den Unterricht begleiten. Die Eltern haben ebenfalls die Möglichkeit sich in die Schulplanung einzubringen.

Gemeinsames Lernen bis zum Schulabschluss

Ziel der Schulerweiterung sei es vor allem, dass die Kinder von der ersten Klasse bis zum Schulabschluss zusammenbleiben können. Auch der Druck, nach der vierten Klasse zu entscheiden, ob die Kinder ans Gymnasium wechseln oder an eine Oberschule gehen, würde dadurch entfallen, erklärt Junghanß: "Kinder entwickeln sich individuell. In der Gemeinschaftsschule können sie sich auch später erst für das Gymnasium entscheiden."

An der Freien Evangelischen Grundschule in Großerkmannsdorf lernen die Kinder jetzt bereits alleine oder in Gruppen zu arbeiten. Sie hören nicht nur den Lehrern zu, sondern organisieren sich selbst. Dieses Konzept soll auch in der weiterführenden Schule beibehalten und ausgebaut werden. "Wir überlegen auch, ob wir eine differenzierte Leistungsmessung anbieten wollen, zum Beispiel per Raster", sagt Antje Junghanß. Das soziale Miteinander, das selbstbestimmte Lernen, eingebunden in die Gemeinschaft, sei ein wichtiger Punkt. Jedem Kind sollte es ermöglicht werden, in seinem eigenen Tempo zu lernen.

Auch ein Aspekt in der Umsetzung des Lehrplanes sei es, zu prüfen, ob Fachunterricht gebündelter stattfinden kann, sagt Beyer: "Wir sehen das zum Beispiel bei Physik. Wenn montags und freitags Physik auf dem Stundenplan steht, wissen die Kinder am Freitag nicht mehr, was am Montag durchgenommen wurde und der Lehrer muss freitags erst einmal alles wiederholen. Dort könnten wir zum Beispiel einen Blockunterricht von vielleicht drei Wochen Physik am Stück anbieten, damit die Kinder den Stoff besser behalten können und keine Lehrzeit durch Wiederholungen verloren geht."

In der neuen Gemeinschaftsschule sollen die Schüler über die Primarstufe hinaus weiterhin gemeinsam am gleichen Ort lernen und werden entsprechend ihren Leistungsmöglichkeiten, Begabungen und Bildungsabsichten im vorwiegend binnendifferenzierten Unterricht individuell gefördert.

Sie können am Ende der Klassenstufe neun den Hauptschulabschluss oder den qualifizierenden Hauptschulabschluss, am Ende der Klassenstufe zehn den Realschulabschluss und am Ende der Klassenstufe zwölf die allgemeine Hochschulreife erwerben.

Egal, welche Qualifikation die jungen Menschen dann haben, sie sollten "mit sich im Reinen sein, selbstständig lernen können, rücksichtsvoll sein und ihre eigene Meinung vertreten können" - so das Ziel des Schulvereins.

Die Gebäudefrage muss noch geklärt werden

Das Schulgebäude an der alten Hauptstraße in Großerkmannsdorf reicht allerdings nicht aus, um die zusätzlichen Schüler der oberen Klassenstufen zu beherbergen. Dort wird zwar derzeit das Dachgeschoss ausgebaut und es entstehen zwei neue Klassenzimmer, ein Vorbereitungsraum für die Lehrer, ein Integrationsraum sowie ein Teamraum, doch für die weiterführende Schule reicht der begrenzte Platz nicht aus.

Der Schulverein ist deshalb auch in Gespräche mit der Stadt Radeberg eingetreten, welche Eigentümer des Grundschulgebäudes ist. Drei Möglichkeiten für die Schulerweiterung gibt es derzeit im Stadtgebiet.

Zum einen steht ein Schul-Neubau auf dem Eschebachgelände im Fokus. Dort wird bereits die neue Außenstelle des Humboldt-Gymnasiums gebaut. In dieser Woche haben dazu die Beräumungsarbeiten begonnen.

Zweite Variante für die neue freie evangelische Gesamtschule wäre die Nutzung des bestehenden Hauses des ehemaligen Robotron-Gebäudes an der Heidestraße oder die Nutzung der alten Kolpingschule.

Start ist bereits für den Sommer 2024 geplant

Die ersten Schüler der fünften und sechsten Klassen sollen bereits im Schuljahr 2024/2025 in der neuen Gesamtschule unterrichtet werden. Sollte bis dahin noch kein Gebäude für die Schulnutzung fertiggestellt sein, würden vorerst Räume angemietet, sagen die Vorstände des Schulvereins.

Für die Stadt Radeberg kam die Ankündigung überraschend Mitte Januar. Wie Michael Weber, Referent des Oberbürgermeisters, sagt, sei "zum jetzigen Zeitpunkt der Bedarf an einer Mittelschule oder eben auch an einer erweiterten Gesamtschule definitiv vorhanden". Dies belegten die aktuellen Schülerzahlen, aber "bereits in einigen Jahren sind diese auch leicht rückläufig und vermutlich wird die geplante Erweiterung der Schule Jahre in Anspruch nehmen", schätzt Weber.

Es gelte auch zu bedenken, "dass beispielsweise der Schulneubau in Arnsdorf die Schülerzahlen der Pestalozzi-Schule in Radeberg entsprechend reduzieren wird".

Über die Aufnahme von Schülern in freier Trägerschaft entscheidet bekanntlich der Schulträger, betont Weber und "eine Zuteilung wie in Schulen unter städtischer Trägerschaft ist nicht möglich".

Er erklärt: "Somit besteht einerseits die Möglichkeit, dass auswärtige Schüler diese Schule besuchen. Es löst dadurch im Bedarfsfall andererseits jedoch eben nicht automatisch einen eventuellen Bedarf für Radeberger Schüler."

Dennoch unterstützt die Stadt Radeberg die Schulplanerweiterung, beispielsweise bei der Vermittlung von Kontakten zu Eigentümern geeigneter Grundstücke und Flächen.

In der Freien Evangelischen Grundschule Großerkmannsdorf wird derzeit ein monatliches Schulgeld in Höhe von 80 Euro erhoben. Wahrscheinlich wird auch der Besuch in der weiterführenden Gemeinschaftsschule mit ähnlichen Beträgen finanziert. Trotzdem scheint die Schule begehrt zu sein, denn für das kommende Schuljahr haben sich deutlich zu viele Kinder angemeldet. Sie stehen nun auf einer Warteliste.