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Umweltschützer besetzen Waldstück bei Ottendorf

Bei Würschnitz haben Umweltschützer mehrere Baumhäuser errichtet. Das Kieswerk weist ihre Vorwürfe zurück. Sachsenforst will die Lage beruhigen.

Von Thomas Drendel & Manfred Müller
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In einem Waldstück bei Würschnitz haben Umweltschützer mehrere Baumhäuser errichtet. Mit der Aktion wollen sie auf drohende Rodungen und den fortschreitenden Kiesabbau hinweisen.
In einem Waldstück bei Würschnitz haben Umweltschützer mehrere Baumhäuser errichtet. Mit der Aktion wollen sie auf drohende Rodungen und den fortschreitenden Kiesabbau hinweisen. © Kristin Richter

Ottendorf-Okrilla. Die Plattformen der Baumhäuser sind in fünf, sechs Metern Höhe mit Seilen an den Stämmen befestigt. Dazwischen eine freischwebende Hängematte, die im Wind schaukelt. Sie ist der Schlafplatz von Markus (Name geändert), Anfang 20, Student, der mit etlichen anderen Umweltschützern nahe Würschnitz ein Stück Wald besetzt hat.

Mit der Aktion protestieren sie gegen die Erweiterung des Kiesabbaus in der Region sowie die Abholzung von Bäumen. „Die Aktionen der Naturschutzverbände und der Würschnitzer Bürgerinitiative, all die Petitionen und Presseartikel haben bisher nicht dazu geführt, dass die Abbaupläne geändert wurden“, sagt Markus. „Wir wollen das jetzt ganz praktisch angehen.“

Die Umweltaktivisten in der Laußnitzer Heide verstehen sich als unabhängige, sich selbst organisierende Gruppe. Es gebe schon personelle Überschneidungen mit der Fridays-for-Future-Bewegung, aber diese sei nicht in die Aktion involviert. Auch die lokale Bürgerinitiative kontra Kiesabbau ist nach eigenen Angaben nicht beteiligt. „Wir verfolgen die Aktivitäten der jungen Leute aber mit großer Sympathie“, erklärt die Kleinnaundorferin Elisabeth Lesche.

„Heibo“ steht auf einem Spruchband, das die Waldbesetzer an einem Baumhaus befestigt haben – die Abkürzung für den Dresdner Heidebogen. Dieser ist mit der Laußnitzer und Radeburger Heide eine Art grüne Lunge im Norden der Landeshauptstadt. Es seien bereits zu viele wertvolle Ökosysteme zerstört worden, sagt eine Aktivistin, die sich Freya Wald nennt. „Jetzt ist Schluss mit lustig: Wir wollen Gemeinwohl vor Profit!“

Kieswerke: Strenge Vorschriften werden eingehalten

Die Kieswerke Ottendorf-Okrilla weisen in einer Stellungnahme den Vorwurf zurück, wonach Raubbau mit der Natur betrieben werde. „Unsere Devise ist es, so viel wie nötig, so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen. Dies tun wir mit strengen Auflagen des Sächsischen Oberbergamtes, den Umweltbehörden und dem Forst“, so das Unternehmen.

Laut den Ottendorfer Kieswerken läuft aktuell das Planfeststellungsverfahren für die geplante Kiesgrube Würschnitz-West. „Hier haben die Bürger, die Gemeinde und Umweltschutzorganisationen die Möglichkeit, ihre Einwände den Behörden vorzubringen.“

Sachsenforst bestreitet Ultimatum an die Besetzer

Der Staatsbetrieb Sachsenforst, Eigentümer des besetzten Stückes Wald, bemüht sich derzeit um eine Beruhigung der Lage. „Wir prüfen die Hintergründe, auch im Gespräch mit den Protestierenden. Grundsätzlich sind wir um eine Deeskalation der Situation bemüht“, sagt Renke Coordes, Pressesprecher von Sachsenforst. Er verweist auf die unterschiedlichen bergrechtlichen Betriebs- und Zulassungsverfahren in dem Gebiet. „Wir werden zunächst klären, auf welche Aspekte die Protestaktion konkret gerichtet ist und welche Behörde dafür zuständig ist“, sagt er.

Angaben, wonach Sachsenforst den Besetzern ein Ultimatum bis Freitag gestellt haben soll, bestreitet Renke Coordes. „Ein Mitarbeiter des Forstbezirkes Dresden hatte mit den Protestlern Anfang der Woche ein Gespräch vor Ort geführt. Darin hatten die Protestler mitgeteilt, die Flächen bis zum Wochenende wieder räumen zu wollen. Ein Ultimatum vonseiten Sachsenforst gibt es gegenwärtig nicht“, sagte er.

Der Streit zwischen Naturschützern und dem Kieswerk hält seit langem an. Zuletzt hatte der Naturschutzbund Nabu Sachsen Beschwerde bei der Europäischen Kommission wegen angeblichen Verstoßes gegen EU-Recht eingereicht. Nabu bemängelte, dass die Auffüllung des Kiestagebaus mit ungeeignetem Material wie zerkleinertem Beton erfolgen würde. Das hätte Auswirkungen auf das Wasser in Bächen und Flüssen. Nach einem Gutachten würden sich die Leitfähigkeit und der Nitratwert im Pechfluss und in mehreren Seitengräben bei Medingen verändern. „Diese Werte bringen Tier- und Pflanzenarten in Gefahr“, so Joachim Schruth vom Nabu.

Aktuell keine Baumfällungen geplant

Außerdem würde im Zusammenhang mit dem Planverfahren für den neuen Kiessandtagebau „Würschnitz West“ ein hydrogeologisches Gutachten fehlen, das die Auswirkungen des neuen Tagebaus auf die gesamte Region untersucht. Die Naturschützer befürchten, dass alte Wälder sowie Quell- und Moorgebiete durch den großflächigen Kiesabbau in der Radeburg-Laußnitzer Heide in Gefahr sind. Insbesondere das EU-Vogelschutzgebiet „Laußnitzer Heide“ sowie besonders geschützte Moorwälder bei Großdittmannsdorf und am Pechfluss bei Medingen könnten verloren gehen.

Thomas Gruschka, Geschäftsführer der Ottendorfer Kieswerke, hatte die Beschwerde für unbegründet gehalten. Das Füllmaterial entspräche den Richtlinien und das angemahnte hydrogeologische Gutachten werde erarbeitet. Laut dem Unternehmen sind aktuell auch keine Baumfällungen geplant.

Die Besetzer wollen mit der Aktion mehr bewirken, als die Verhinderung von Rodungen bei Würschnitz. Das Camp soll auch als Ort der Begegnung, des Austausches und des praktischen Erlebens einer klimagerechteren Gesellschaftsform dienen. Besuche, Gespräche und Unterstützung jeglicher Art seien ausdrücklich erwünscht.