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Arevipharma: Ein Radebeuler Traditionsunternehmen geht neue Wege

Die Auftragsbücher vom Pharmaunternehmen Arevipharma in Radebeul sind voll, unter anderem auch wegen einer Drogenkrise in den USA. Doch wer stellt künftig die Wirkstoffe her?

Von Lucy Krille
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Junge Fachkräfte wie Chemielaborantin Marie Sommer sind immer schwerer zu finden. Das hat auch Arevipharma in Radebeul gemerkt, und mit einer großen Werbekampagne reagiert.
Junge Fachkräfte wie Chemielaborantin Marie Sommer sind immer schwerer zu finden. Das hat auch Arevipharma in Radebeul gemerkt, und mit einer großen Werbekampagne reagiert. © Arvid Müller

Radebeul. Die Laborantin Marie Sommer kann ihre Arbeit beim Radebeuler Wirkstoffhersteller Arevipharma zwischen 6 und 22 Uhr machen. Ein Vorteil der Gleitzeit, den nicht alle Mitarbeitenden beim Radebeuler Wirkstoffhersteller Arevipharma haben. Denn in der Produktion kann man nicht so einfach die Maschinen an- und ausschalten.

Das bedeutet aber auch: Schichtarbeit für die Chemikanten und Chemikantinnen. Und das, so beobachtet man bei Arevipharma, kommt nicht so gut an auf dem Arbeitsmarkt. Sich abwechselnde Früh-, Spät- und Nachtschichten, dazu Arbeit am Wochenende. Arbeitgeber wissen, was Geschäftsführer Dirk Jung meint, wenn er von einem "schwierigen Umfeld" spricht, indem man suchen muss. Die Arbeitswelt hat sich gewandelt, flexiblere Arbeitszeitmodelle sind gefragt. "Wir lassen die betroffenen Kollegen über ihr bevorzugtes Schichtmodell abstimmen", sagt Jung. So gibt es immer mal wieder Umfragen, beispielsweise in welcher Reihenfolge die Schichten im Dienstplan stehen sollen.

Die Fluktuation bei Arevipharma sei gering, dennoch ist das Unternehmen, das am Radebeuler Standort dieses Jahr 150-jähriges Jubiläum feiert, immer auf der Suche nach Fachkräften. Immerhin scheinen verstärkte Bemühungen Wirkung zu zeigen. Überall in der Region wurden Werbeflächen gebucht, dazu geht das Marketing gezielt auf "junge" Social-Media-Kanäle. Seit dem Start der Werbekampagne Mitte Dezember seien mehrere Hundert Bewerbungen bei den Radebeulern eingegangen.

Michael Limmert, Abteilungsleiter Chemische Entwicklung (l.), bespricht sich mit Chemiker Rostyslav Ukis. Wenn ein Patent abgelaufen ist, müssen die Wirkstoffhersteller bereit sein.
Michael Limmert, Abteilungsleiter Chemische Entwicklung (l.), bespricht sich mit Chemiker Rostyslav Ukis. Wenn ein Patent abgelaufen ist, müssen die Wirkstoffhersteller bereit sein. © Arvid Müller

Betäubungsmittel aus Radebeul gegen die Drogenkrise in den USA

Das Unternehmen sei durchaus offen, zu wachsen, sagt der kaufmännische Leiter Carsten Schröpfer. Die fünf Anlagen hätten auch für mehr als die derzeit 175 Mitarbeitenden und ein paar Auszubildende Kapazitäten. Auch die Auftragslage sei äußerst positiv. Denn auch, wenn die Konkurrenz in Asien wegen weniger Auflagen und günstigerer Produktionskosten billiger produziert, arbeiten Hersteller zunehmend gern mit dem Radebeuler Traditionsbetrieb zusammen. Seit Corona hat Deutschland als Pharmastandort viel Aufmerksamkeit bekommen, sagt Jung.

Themen wie Umweltschutz, die in Europa stärker berücksichtigt werden, als in Werken in China oder Indien würden immer mehr von den Abnehmern gewürdigt, beobachtet Schröpfer. Der wichtigste Wachstumsmarkt für Arevipharma liegt in den USA, wo sich das Unternehmen vor vier Jahren auch einen Vertriebsstandort aufgebaut hat. Dabei hat die große Nachfrage aus den Staaten bei einem Wirkstoff auch einen bitteren Beigeschmack.

Denn die USA hat ein Drogenproblem. Zahlen des Statistikportals Statista zufolge hat sich die Zahl der Drogentoten dort innerhalb von zwei Jahrzehnten versechsfacht. Abhilfe soll auch aus Radebeul kommen. Arevipharma stellt eine Wirkstoffgruppe namens Buprenorphin her. Diese werden in den USA als Betäubungsmittel immer häufiger beim Entzug von synthetischen Opioden eingesetzt. Die hoch dosierten Drogen bereiten Suchtexperten große Sorgen. Das wohl bekannteste, Fentanyl, wurde vereinzelt auch schon in Deutschland nachgewiesen.

Der Versuchsaufbau einer chemischen Reaktion im Labor des Radebeuler Wirkstoffherstellers Arevipharma.
Der Versuchsaufbau einer chemischen Reaktion im Labor des Radebeuler Wirkstoffherstellers Arevipharma. © Arvid Müller

Arevipharma geht wegen schwindender Profite neue Wege

Neben Buprenorphin stellt Arevipharma mehr als 20 weitere Wirkstoffe her. Allesamt landen in sogenannten Generika. Das sind Medikamente, deren Patent abgelaufen ist und die nun von den Herstellern nachgebaut werden. Seit drei Jahren schauen die Radebeuler aktiv nach solchen Produkten, wie etwa einem Nasenspray gegen Depression, dessen Patent bald abläuft. Die Vorbereitungen in den Laboren starten schon viele Jahre vorher. "Denn sobald das Patent abgelaufen ist, müssen wir bereit sein", erklärt Michael Limmert, der Abteilungsleiter der Chemischen Entwicklung bei Arevipharma.

Heute versucht das Unternehmen selbst, neue Märkte zu erschließen und neue Partnerschaften einzugehen, erzählt Carsten Schröpfer. So sollen beispielsweise Wirkstoffe für Krebsmedikamente ins Portfolio aufgenommen werden. Die Veränderungen sind üblich in der Branche und gleichzeitig auch notwendig.

Denn der Umsatz von Arevipharma wächst nicht so stark wie die Kosten. "Die Profitabilität leidet", sagt Schröpfer. Die Energieversorgungslage sei vor allem seit Russlands Krieg in der Ukraine schlecht, dabei läuft allein die werkseigene Verbrennungsanlage durchgehend auf 1.200 Grad Celsius. Dazu kommen CO₂-Zertifikate, eine höhere Lkw-Maut und deutlich höhere Lohnkosten als in Asien.

Abwartende Reaktion auf Pharmastrategie der Bundesregierung

Gleichzeitig können die Radebeuler ihre Preise nicht schlagartig erhöhen, weil Rabattverträge wenig Spielraum lassen. Eine Pharmastrategie soll den deutschen Markt wieder stärken. "Da müssen wir erstmal abwarten, wie sich das entwickelt", meint Dirk Jung. Der Radebeuler Zulieferer spürt zunächst nicht direkt etwas von den Maßnahmen der Bundesregierung, die unter anderem die Rahmenbedingungen für die einheimische Medikamentenherstellung verbessern sollen.

Das Ziel sei zunächst richtig, ob am Ende alle profitieren dagegen fraglich. Denn das Geld werde extrem ungleich ausgegeben, sagt Schröpfer. Obwohl 80 Prozent der Versorgung mit Arzneimitteln durch Generika erfolgt, fließen nur reichlich sieben Prozent, des von den Krankenkassen für Medikamente ausgegebenen Geldes, in diese Gruppe, moniert der Verband progenerika.