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Bürgerinitiative in Weinböhla: "Wir sehen uns als Alternative zur Alternative"

Seit 30 Jahren gibt es die Bürgerinitiative Weinböhla. Wie alles begann und mit welchen Themen sie bei der Gemeinderatswahl 2024 punkten will.

Von Martin Skurt
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Mirko Rackwitz, Vorsitzende Cornelia Fiedler und Dirk Ilmberger sind die Spitzenkandidaten der Bürgerinitiative Weinböhla.
Mirko Rackwitz, Vorsitzende Cornelia Fiedler und Dirk Ilmberger sind die Spitzenkandidaten der Bürgerinitiative Weinböhla. © BiW e. V.

Weinböhla. In den 1990er-Jahren entstand in Weinböhla eine Bewegung, die bis heute Bestand hat: die Bürgerinitiative Weinböhla e. V. (BiW). Ausgelöst durch den Unmut über ungerechte Abwassergebühren formierte sich eine engagierte Einwohnerschaft, die für ihre Rechte eintrat. Cornelia Fiedler, seit 2011 Vorsitzende der BiW und seit 2004 Gemeinderätin, erinnert sich an die Anfänge. "Damals hatten alle Häuser im Ort abflusslose Gruben. Es brauchte ein neues Abwasserkanalsystem. Dafür suchten Gemeinden nach Finanzierungsmöglichkeiten und wollten die Bürger beteiligen. Es wäre einer Enteignung nahegekommen."

Ein Höhepunkt der Initiative war zweifelsohne die Zeit, als sie 1999 als stärkste Fraktion im Gemeinderat von Weinböhla agierte. Sie schaffte es 2000, die Abwasserbeiträge zu verhindern. Der Kampf gegen diese "ruinösen" Gebühren vereinte die Menschen in Weinböhla und zeigte die Kraft der BiW. Doch die parteiunabhängige Fraktion wollte sich nicht ausruhen, nachdem sie mit ihrer damaligen Agenda erfolgreich gewesen ist. Trotz ihres Rückgangs auf nur noch drei Mitglieder im Gemeinderat seit 2019, will sie wieder mehr Einfluss und Bedeutung in Weinböhla gewinnen. Mit mehr Themen für die Jugend.

BiW will leere Versprechungen vermeiden

"Wir müssen die Jugendlichen besser einbeziehen, damit sie nicht auf dumme Ideen kommen", sagt Cornelia Fiedler. "Dafür brauchen wir einen eigenen Sozialarbeiter." Die Schaffung eines Jugendclubs, den Jugendliche mitorganisieren, wäre eine weitere Idee, die auch schon eine Bürgerumfrage im Rahmen des Ortsentwicklungskonzepts ergab. "Wenn die Verwaltung das in Angriff nimmt, würden wir sie sofort unterstützen." Daneben wäre für die Vorsitzende auch denkbar, zunächst ein ungezwungenes Angebot für Heranwachsende anzubieten, und zwar eine Jugenddisco im Zentraler ähnlich der Teenieparty in der Börse für 11- bis 16-Jährige. Das könnte gemeinsam mit Vereinen umgesetzt werden.

Die BiW will sich, wenn sie wieder in den Gemeinderat einzieht, aktiv für die Förderung von Jugendprojekten einsetzen. Das macht sie auch deshalb: Zur letzten Wahl haben hauptsächlich Menschen über 60 Jahren den Verein gewählt, so Fiedler. Die Älteren werden aber nicht vergessen. Die 64-Jährige könnte sich auch ein Gemeindezentrum im ehemaligen Bahnhof vorstellen, wo sich Senioren und Jüngere treffen können. "Wir wollen Wählern aber nichts versprechen, was wir nicht halten können." Das bedeutet, die Verwaltung müsse entsprechende Beschlussvorlagen formulieren und die BiW würde diese dann vollumfänglich mittragen, wenn sie ihrem Wahlprogramm entspreche.

Aber sie versucht, auch selbst Politik zu machen. 2021 stellte die Fraktion der BiW im Gemeinderat einen Antrag zur Bestandsaufnahme der Situation auf Spielplätzen sowie einer Zustandsprüfung der Spielgeräte. "Heute ist es einfach schön zu sehen, wie die Spielplätze im Gemeindegebiet ausgestattet sind", sagt Cornelia Fiedler. Auch die Beschaffenheit von gemeindeeigenen Straßen und Gehwegen wollte die BiW gern ändern. Es wurde dafür ein Antrag zur Schadensaufstellung an die Verwaltung eingereicht, der bislang aber nicht von Erfolg gekrönt war.

"Man kann nicht nur meckern"

Ein weiteres Anliegen der Bürgerinitiative Weinböhla e. V. ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten. Angesichts der steigenden Miet- und Immobilienpreise in der Region setzt sich die BiW dafür ein, dass auch Menschen mit niedrigerem Einkommen Zugang zu angemessenem Wohnraum haben. "Nicht jede Familie möchte in ein Eigenheim ziehen, sondern sucht einfach eine große Wohnung", betont Fiedler. Manche würden deshalb auch nach Coswig ausweichen. Die entstehende Bosch-Siedlung in Weinböhla sei deshalb ein richtiger Schritt. Es bräuchte aber noch weitere Mehrfamilienhäuser im Ort. Um das zu erreichen, könnte sich die Vorsitzende vorstellen, eine Wohnungsgesellschaft nach Coswiger Vorbild zu gründen.

Weitere Inhalte aus ihrem Wahlprogramm sind: weniger bauliche Verdichtung und mehr Durchgrünung im Ort, Erhalt des dörflichen Charakters von Weinböhla, vernünftige Verkehrslösungen wie ein Überweg über die Hauptstraße sowie weiterhin keine Straßenausbaubeiträge für Eigentümer ähnlich der Abwasserbeiträge in den 1990er-Jahren. Der Verein hofft, mit diesen Themen sowohl Ältere als auch Jüngere zu erreichen. "Mit einer Mehrheit im Gemeinderat könnten wir vieles umsetzen. Wir wollen eine Alternative für die Alternative sein."

Das Jubiläum der BiW ist für Cornelia Fiedler deshalb nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch eine Gelegenheit, die bisherigen Errungenschaften zu würdigen. "Demokratie lebt vom Mitmachen. Man kann nicht nur meckern, sondern muss sich aktiv einbringen." Mit insgesamt 15 Mitgliedern will die Bürgerinitiative die Menschen bei der Gemeinderatswahl zu einem Kreuz bei ihr bewegen.

  • Die BiW e. V. ist am Rande des Flohmarktes am 14. April 2024 an der Nassauhalle mit einem Informationsstand vertreten. Für die Kleinen gibt es eine Überraschung.