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Radebeul: Fami hat mit Geldsorgen zu kämpfen

Das Familienzentrum in Radebeul stößt personell und finanziell an seine Grenzen. Ein sechsstelliger Betrag fehlt für das Bezahlen des Personals. Erstes Opfer ist der Kinderfasching.

Von Silvio Kuhnert
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Am Faschingsdienstag wird es dieses Mal keine Polonaise im Familienzentrum in Altkötzschenbroda wie im Vorjahr geben. Die Faschingssause wurde abgesagt.
Am Faschingsdienstag wird es dieses Mal keine Polonaise im Familienzentrum in Altkötzschenbroda wie im Vorjahr geben. Die Faschingssause wurde abgesagt. © Norbert Millauer

Radebeul. Radebeul ist keine Faschingshochburg. Außer in Kindergärten wurde alljährlich im Familienzentrum am Dorfanger Altkötzschenbroda ausgelassen und bunt kostümiert gefeiert. Es gab Pfannkuchen und ein Getränk. Mitarbeiter der Radebeuler Familieninitiative, die das Mehrgenerationenhaus mit den vielen Projekten und Angeboten für Jung und Alt betreiben, studierten jedes Jahr ein eigenes Theaterstück ein. Doch das wird es am diesjährigen Faschingsdiensttag alles nicht geben. Der Kinderfasching muss ausfallen.

Die Entscheidung dazu fiel Fami-Geschäftsführer Mathias Abraham und Maria Berg-Holldack, Projektleiterin Familienbildung, nicht leicht. Denn sie wissen, dass sie damit für viele enttäuschte Kinderaugen sorgen. Rund 400 Gäste zählte die Fami bislang auf ihrer Kinderfaschingsparty, die eigentlich zu einer festen Institution und Tradition im Veranstaltungskalender zählt. Das Familienzentrum kann im kommenden März auf sein 34-jähriges Bestehen zurückblicken. Seit mindestens 33 Jahren gibt es die Faschingsparty.

Großer Aufwand

"Um diese Veranstaltung zu wuppen", wie Maria Berg-Holldack erzählt, "werden allein am Faschingsdienstag 15 Personen benötigt." Neben Festangestellten packten vor allem immer Ehrenamtliche mit an. So konnte Maria Berg-Holldack in den vergangenen Jahren beispielsweise auf fünf Leute von den Junior-Rotariern aus Dresden bauen. Sie wären sicher auch dieses Mal wieder mit von der Partie gewesen. Doch Personal wird nicht nur am Faschingsdienstag benötigt.

Das Familienzentrum befindet sich am Dorfanger Altkötzschenbroda im Haus mit der Nummer 20.
Das Familienzentrum befindet sich am Dorfanger Altkötzschenbroda im Haus mit der Nummer 20. © Arvid Müller

"Die Vorbereitungen beginnen im Dezember", berichtet Maria Berg-Holldack. Mit bis zu fünf Leuten schreibt und erarbeitet sie das Theaterstück - eigentlich. Sie besorgen Kostüme, kümmern sich um Utensilien sowie Requisiten und proben regelmäßig. "Es ist ein großer Aufwand", fährt sie fort, der neben den vielen anderen Aufgaben bisher erledigt wurde.

Deutlich geringerer Lohn

Doch dieses Mal sind die Fami-Mitarbeiter an die Grenzen ihrer Kapazitäten gekommen. Im Bereich Familienbildung haben sich bisher zwei feste Beschäftigte die Arbeit geteilt, mit jeweils einer halben Stelle. Doch eine ist seit Herbst vorigen Jahres unbesetzt. "Der Fasching bindet viel Arbeitskraft und Zeit. Schweren Herzens haben wir uns entschieden, ihn abzusagen", informiert Abraham. Denn der Chef muss schauen, was personell noch zu stemmen geht.

Wie er weiter berichtet, gleicht die Leistung der 27 Angestellten, die zum Großteil in Teilzeit beschäftigt sind, an Selbstausbeutung. Denn ihre Gehälter hängen weit der Lohnentwicklung und den tatsächlich anfallenden Kosten hinterher. Langjährige Fami-Mitarbeiter verdienen im Monat 2.000 Euro weniger, als das, was nach Tarif in der Jugend-, Sozial- und Familienarbeit möglich wäre.

Unzureichende Förderung

Die Fami ist ein freier Träger. Zur Finanzierung von Kursen, Beratungen oder dem Familiencafé muss sie Fördermittel einwerben, beispielsweise von Bund, Land und dem Landkreis Meißen. Doch die Fördersätze sind oft fest fixiert, bleiben über Jahre unverändert und werden den tatsächlichen Kosten nicht angepasst. Mit steigenden Preisen durch die Inflation haben die Fami-Mitarbeiter nicht nur auf der Arbeit zu kämpfen, sondern auch privat in der eigenen Familie.

So bekam das Familienzentrum beispielsweise jährlich 40.000 Euro vom Bund für das Projekt Mehrgenerationenhaus. Doch um die realen Ausgaben zu decken, sind laut Abraham 20.000 Euro mehr vonnöten. Wegen der Finanzmisere und dem Spardruck auf Bundesebene ist derzeit noch ungewiss, wie es mit dieser Förderung weitergeht. Auch die Zuschüsse auf Landkreisebene sind nicht auskömmlich. So gebe es im Bereich der Jugendhilfe 20 Stellen kreisweit. Diese werden im Jahr mit 55.000 Euro bezuschusst. Doch nötig wären 95.000 Euro, so Abraham.

Eigenmittel erwirtschaften

Konkret fehlen dem Fami-Chef rund 215.000 Euro an Personalkosten, wenn er seine Mitarbeiter nach Tarif bezahlen würde. Die festen Stellen werden über eine Mischung aus unterschiedlichen Quellen finanziert. Projektbezogen werden verschiedene Fördertöpfe angezapft. Das Schreiben der Fördermittelanträge bindet ebenfalls viel Zeit und Arbeitskraft, diese fehlt dann an anderer Stelle, konkret für die Arbeit mit Besuchern. Zudem muss die Fami 40 Prozent an Eigenmitteln erwirtschaften, etwa durch Spenden oder Eintrittsgelder und Teilnahmegebühren.

Doch die Veranstaltungen sollen Familien auch mit kleinem Geldbeutel wahrnehmen können. So zahlten Kinder 3,50 Euro und Erwachsene 4,50 Euro Eintritt zum Kinderfasching. Im Preis waren ein Pfannkuchen und ein Getränk enthalten. Durch die Einnahmen waren jedoch nicht ansatzweise die Personalkosten gedeckt. Aufgrund der unbesetzten Stelle sowie der finanziellen Nöte muss sich das Familienzentrum auf die Aufgaben konzentrieren, die noch leistbar und in Zukunft noch zu schaffen sind. "Wir möchten nach einem realistischen Maß gefördert werden", adressiert Abraham an die Fördermittelgeber, damit nicht noch mehr Projekte und Veranstaltungen gestrichen werden müssen beziehungsweise der Kinderfasching nächstes Jahr wieder stattfinden kann.