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Zum Abschied kullern Tränen im Rewe-Supermarkt in Radebeul-Ost

Michel Reimer hat den Lebensmittelmarkt im Zentrum von Radebeul-Ost aufgebaut und fast elf Jahre geleitet. Familie und Privatleben mussten zurückstecken. Nun sei Zeit für eine Veränderung, sagt er.

Von Silvio Kuhnert
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Marktleiter Michel Reimer packte beim Einräumen der Regale oder beim Befüllen der Kisten in der Obst- und Gemüseabteilung immer wieder selbst mit an und saß auch an der Kasse. Jetzt nimmt er Abschied von seinem Rewe-Supermarkt.
Marktleiter Michel Reimer packte beim Einräumen der Regale oder beim Befüllen der Kisten in der Obst- und Gemüseabteilung immer wieder selbst mit an und saß auch an der Kasse. Jetzt nimmt er Abschied von seinem Rewe-Supermarkt. © Arvid Müller

Radebeul. Michel Reimer, Chef des Rewe-Supermarktes neben dem Radebeuler Kultur-Bahnhof, behält recht. "Es werde emotional", sagt er noch zu Beginn der Woche. Und Tränen fließen, die er am Mittwochmittag hinter einer schwarzen Sonnenbrille verbirgt. Seine Mitarbeiter haben sich im Eingangsbereich versammelt, um ihm ein Abschiedsständchen zu singen.

"Danke, wir wünschen Dir viel Glück. Wir werden immer an Dich denken", sind zwei der Liedzeilen. Immer wieder führt Reimer ein Papiertaschentuch zu seinen Augen, um diese zu trocknen. "So einen Chef bekommt man nicht so schnell wieder", sagt Birgit Reich am Rande. Er sei sehr gut zu seinem Team gewesen. Wer zum Beispiel Kinder hatte, den ließ er nur Frühschichten und keine Spätschichten machen. "Ich weiß nicht, ob man so einen Chef noch einmal bekommt", sagt Reich.

Netter und sympathischer Typ

Am Sonnabendnachmittag war Michel Reimer fast immer ab 15 Uhr selber an der Kasse anzutreffen. Beim Einräumen der Regale packte er ebenfalls immer wieder mit an. Und so gab es Anfang dieses Jahres viele anerkennende Worte und die des Bedauerns in den sozialen Netzwerken, als bekannt wurde, dass er als Marktleiter aufhört. "Das ist wirklich sehr schade. Michel Reimer hat dort tolle Arbeit geleistet, ein wunderbares Team aufgebaut, dessen Freundlichkeit nicht zu toppen ist, als Kunde fühlt man sich, dank der tollen Atmosphäre, einfach wohl und er ist ein ganz sympathischer Mensch", schrieb beispielsweise Nicole Wittig. Oder Bettina Rodewald postete: "Michel Reimer ist der perfekte Marktleiter." Und ergänzte in einem weiteren Beitrag: "Wenn ein Marktleiter freundlich lächelnd grüßt, spiegelt sich genau das auch beim Personal wider."

Als netter und sympathischer Typ bleibt er auch vielen weiteren Kunden in Erinnerung. "Er hat sich immer Zeit genommen für ein kurzes Gespräch", lobt Lydia Rothe. An diesem Donnerstag ist Michel Reimers letzter Arbeitstag. Wegen der Übergabe des Marktes und Inventur hat der Rewe im Zentrum von Radebeul-Ost an diesem 29. Februar 2024 bereits ab 14 Uhr geschlossen. Am 1. März übernimmt Björn Keyser die Geschicke, der bereits die beiden anderen Rewe-Standorte am Ost- und Westrand der Lößnitzstadt leitet.

Rund 12.000 Kunden wöchentlich

Seit fast elf Jahren ist Michel Reimer in Radebeul. Mit 28 Jahren kam er hierher und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit. "Der Markt war komplett neu. Niemand wusste, wohin die Reise geht", erinnert er sich an die Anfänge im Mai 2013. Damals war der Gebäudekomplex des Eckhauses Sidonien-, Hauptstraße mit Ärztehaus und Parkdecks neu entstanden.

Heute zählt der Supermarkt rund 12.000 Kunden in der Woche. Mit unter 20 Mitarbeitern ist Michel Reimer damals gestartet. Jetzt sind über 35 dort tätig - vom Azubi bis zur 65-Jährigen, die eigentlich den Ruhestand genießen könnte, doch immer noch als Aushilfe mit anpackt. Er habe immer Wert auf flache Hierarchien und auf Kontakt auf gleicher Augenhöhe Wert gelegt, sagt Michel Reimer. Dies wurde ihm durch Treue gedankt. Es gab bei der Belegschaft geringe Fluktuation und der Marktleiter hatte keine Probleme Personal zu finden.

Zeit für eine Veränderung

Aus dem Grüßen kommt Michel Reimer nicht heraus, wenn er Weingüter oder das Weinfest besucht, oder durch Radebeul-Ost geht. Den Stadtteil bezeichnet er als seinen Kiez. Er wohnt am Dresdner Stadtrand und erledigt im Radebeuler Osten all seine Wege, sei es zum Friseur, Tätowierer oder zur Bank. Zudem unterstützte er als Sponsor das Familienzentrum, die Weihnachtslotterie, den Radebeuler Handballverein, die Kasperiade, Kindergärten, Schulen und viele mehr.

Den Supermarkt nennt er sein Baby. Und dieses sei nun erwachsen geworden. "Es ist Zeit für eine Veränderung", sagt der gebürtige Sachsen-Anhaltiner, der noch keinen neuen Job hat. Michel Reimer möchte zunächst etwas kürzertreten. Zudem zieht es ihn zurück nach Gräfenhainichen, wo er aufgewachsen ist, Eltern und Freunde leben, wo er aktiv Fußball in einem Verein spielte. Für Hobbys blieb ihm als Marktleiter keine Zeit. Und der 39-Jährige schließt nicht aus, selbst eine Familie zu gründen.

"Mach einmal piano"

Den Schritt, als selbstständiger Marktleiter in der Rewe-Handelsorganisation nach Radebeul zu kommen, bereut er nicht und würde ihn wieder machen. Doch die Aufgabe fordere einen mental 24 Stunden am Tag und das siebenmal in der Woche. Zur Frühschicht startet der Arbeitstag fünf Uhr am Morgen. Bei der Spätschicht schließt der Letzte gegen 22.30 Uhr den Markt zu. Sechs Tage die Woche war Michel Reimer vor Ort, kam auf rund 70 Arbeitsstunden wöchentlich und saß sonnabends selbst an der Kasse. Für das Privatleben und Familie blieb so kaum Zeit. Beide mussten in den zurückliegenden elf Jahren zurückstecken.

"Prioritäten ändern sich", sagt Michel Reimer. Er will erst dieses Kapitel seines Lebens abschließen. Danach schaut er sich nach einer neuen Aufgabe um. "Alles hat einmal ein Ende", sagt Michel Reimer, der aus rein privater Entscheidung, wie er betont, diesen Schritt nun geht. "Mach einmal piano, Dein Körper wird es Dir einmal danken", war ein Gedanke, der während der Corona-Zeit in ihm reifte. Die Sorge was ist, wenn Mitarbeiter erkranken, der Markt geschlossen werden muss und andere, trieben ihm selbst nach Feierabend um. Er konnte nicht abschalten, wie er sagt. Für die bisherigen Jahre in Radebeul möchte er einfach nur Danke sagen.