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"Busendoktor" Marx: "Jungs denken, Brüste sind für sie gemacht"

In der Reihe "Luise trifft" spricht der Radebeuler Chefarzt Mario Marx vor Schülern über Brustkrebs und plastische Chirurgie mit Gewebe aus Po und Bauch und gibt Tipps fürs Leben.

Von Silvio Kuhnert
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Senologe Mario Marx schildert Schülern des Luisenstifts die Arbeit am Brustzentrum in Radebeul als seine Berufung. Hinter ihm sind Bilder von Frauen an die Wand projiziert, denen er nach einer Brustkrebs-OP zu einem neuen Busen verhalf.
Senologe Mario Marx schildert Schülern des Luisenstifts die Arbeit am Brustzentrum in Radebeul als seine Berufung. Hinter ihm sind Bilder von Frauen an die Wand projiziert, denen er nach einer Brustkrebs-OP zu einem neuen Busen verhalf. © Matthias Schumann

Radebeul. Aufgeschnittene Brust, Bauch und Po, freigelegtes und aus dem Körper genommenes blutrotes Gewebe sowie Bilder aus dem Operationssaal - die Zehnt- und Elftklässler des Radebeuler Gymnasiums Luisenstift benötigen am Dienstagmorgen starke Nerven.

Ein schwacher Magen ist auch nicht zu empfehlen, als Chefarzt Dr. Mario Marx vom Brustzentrum des Elblandklinikums den Jugendlichen einen Einblick in seinen Berufsalltag gibt. Das Frühstück halten die Mädchen und Jungen in dem voll besetzten Mehrzweckraum bei sich. Doch ab und an schauen sie nach unten oder bedecken mit der Hand die Augen, als der Chirurg Fotos aus seiner Berufspraxis zeigt.

Zu dieser gehört das Behandeln von Mammakarzinomen. Hierzu entfernt der erfahrene Arzt die gesamte Brustdrüse und rekonstruiert die Brust aus Eigengewebe vom Bauch oder von der unteren Pofalte. "Ich bin nur der Aufschneider und der Zunäher", gibt sich der 61-Jährige bescheiden. Seit Jahren wird er vom Nachrichtenmagazin Focus auf der Liste der Top-Mediziner in Deutschland geführt. Auch das Wort Handwerker fällt an diesem Morgen wiederholt. Denn vor seinem Medizinstudium hat Marx eine Ausbildung zum Facharbeiter für Maschinenbauwesen gemacht.

Bleibt fit, macht Sport und kifft nicht!

"Macht das, wozu ihr euch berufen fühlt", gibt der gebürtige Oberlausitzer den künftigen Abiturienten mit auf den Weg. Und sie sollen sich nicht entmutigen lassen, wenn eine Prüfung einmal misslingt. Als Schüler hatte er im Betragen eine vier und war versetzungsgefährdet, verrät der Arzt, der sich auch schon selbst als Busendoktor bezeichnete, zum Beispiel als der neue Anbau seines Brustzentrums am Elblandklinikum eröffnet wurde.

Nach seiner Schlosserlehre holte er in den 1980er-Jahren das Abitur an der Volkshochschule nach, arbeitete zwischendurch als pflegerische Hilfskraft und studierte von 1986 bis 1992 Medizin an der Humboldt-Universität in Berlin. Am Rande der Veranstaltung plädiert der Arzt für ein verpflichtendes soziales Jahr, damit junge Menschen zwischen Schulabschluss und Beginn des Studiums das Leben kennenlernen.

"Bleibt fit, macht Sport und kifft nicht! Man kann auch ohne das crazy sein", sagt Marx, der selbst Vater von drei Kindern ist. Sie studieren bereits und mit ihnen hat er am vergangenen Wochenende in Berlin zur Techno-Mucke abgetanzt, wie er erzählt. Auch von Zigaretten rät er ab. Raucher operiert er nicht, sagt er, als er zu Risiken bei chirurgischen Behandlungen gefragt wird. Tumorerkrankungen nehmen zu, was mit den Lebensgewohnheiten in modernen Industriegesellschaften zusammenhängt - viel essen, wenig Bewegung. Doch ver- oder beurteilt er andere nicht. "Schimpfe nur über den, den du selbst duschst", sagt Marx.

Die Brust ist ein Hochleistungsorgan

Sein Spezialgebiet ist die Brust. "Jungs denken, sie ist für sie gemacht. Das ist Quatsch", fährt der Senologe fort. Es handelt sich um eine hochkomplexe Struktur eines Milchgangsystems, ohne das wir alle nicht da wären. Die Brust sei ein sehr aktives Organ, Marx spricht auch von einem Hochleistungsorgan, das sich mit dem Zyklus der Frau jeden Monat auf eine Schwangerschaft einstellt. Durch die Veränderungen im Rahmen des Menstruationszyklus kann es zu Zellmutationen kommen, aus denen sich ein Mammakarzinom entwickeln kann.

Jede neunte bis zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Von diesen liegt bei fünf bis zehn Prozent eine genetische Ursache vor. So berichtet Marx von einer jungen Frau, dessen Großmutter in jungen Jahren daran erkrankt war und verstarb. Auch die Mutter der Frau litt an dieser Krankheit, hat ebenfalls in jungen Jahren Chemotherapien und operative Eingriffe durchgemacht.

Als die Tochter ihre Mutter zu einer Behandlung ins Brustzentrum begleitete, ließ auch sie sich untersuchen. An ihren Brustdrüsen wurde ein Tumor im Frühstadium entdeckt. Sie ließ diese komplett entnehmen und Marx ersetzte diese durch anderes Gewebe des eigenen Körpers. Die junge Frau ist heute selbst Mutter von zwei Kindern. Die Sorge vor einer Brustkrebserkrankung plagt sie heute nicht mehr.

700 Patienten warten auf eine OP

"Eine Brustamputation ist ein Cut, ein schwerer Eingriff", sagt Marx. Doch 70 Prozent des Heilungsanteils mache die Chirurgie aus. Das Abschneiden wird jedoch als entstellend empfunden. Mit seiner "Brustmanufaktur", wie er seinen Klinikbereich nennt, aus Eigengewebsrekonstruktion möchte er Frauen dazu verhelfen, sich weiterhin oder wieder weiblich zu fühlen nach einer Krebs-OP. "Die Patienten krabbeln selber auf den Tisch", sagt Marx. Derzeit stehen rund 700 auf der Warteliste für eine Operation. Auch Männer sind darunter. Denn auch sie können am Mammakarzinom erkranken.

Im OP läuft bei den Eigengewebstransplantationen klassische Musik, zum Beispiel Rachmaninow. Zweieinhalb bis drei Stunden dauert so ein Eingriff und kostet im Schnitt 20.000 Euro. Marx macht bei der Behandlung keinen Unterschied zwischen Kassen- und Privatpatient: "Ich finde es asozial, nur die zu behandeln, die Geld haben."

Wenn es ans Zunähen geht, darf es musikalisch schneller und rockiger werden. Dann laufen Rammstein oder Led Zeppelin. "Arbeit muss Spaß machen", gibt er den jungen Menschen im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Luise trifft" als Tipp. Den Vortrag nutzt der Mediziner, für seine Profession und den Beruf des Arztes zu werben, und lädt zum Praktikum in sein Brustzentrum ein.