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Was Hufeisennase und Co. mit dem Flutschutz für Altkö zu tun haben

Zum Schutz des Radebeuler Dorfangers Altkötzschenbroda vor Hochwasser ist eine fast 450 Meter lange Spundwand geplant. Diese führt an der Streuobstwiese vorbei, wo geschützte Fledermaus-Arten leben könnten.

Von Silvio Kuhnert
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Der Sommerdeich schützt Altkötzschenbroda nur bis zum Dresdner Elbegel von 7,40 Meter. Deshalb soll eine zweiter und höherer Flutschutzwall am Hochufer entstehen. Dazwischen liegt die Streuobstwiese mit alten Bäumen, wo Fledermäuse jagen.
Der Sommerdeich schützt Altkötzschenbroda nur bis zum Dresdner Elbegel von 7,40 Meter. Deshalb soll eine zweiter und höherer Flutschutzwall am Hochufer entstehen. Dazwischen liegt die Streuobstwiese mit alten Bäumen, wo Fledermäuse jagen. © Arvid Müller

Radebeul. Die kleine Hufeisennase hat national und international durch den Bau der Waldschlösschenbrücke Bekanntheit erlangt. Auch in den Streuobstwiesen von Kötzschenbroda in der Elbaue flattern nachts Fledermäuse herum. "Hufi" ist wahrscheinlich nicht dabei. Aber Wasserfledermaus, Großer Abendsegler und Zwergfledermaus haben dort nachweislich ihr Jagdgebiet.

Die possierlichen Tierchen können ganze Verwaltungen beschäftigen, wie bei der Informationsveranstaltung des Radebeuler CDU-Stadtverbandes zum Hochwasserschutz in Radebeul zu erfahren war. Nach der verheerenden Jahrhundertflut im August 2002, als der Dorfanger Altkötzschenbroda unter Wasser stand, wurde dessen Schutz in die höchste Kategorie des Hochwasserschutzkonzeptes entlang der Elbe aufgenommen. Im Jahr 2006 begann die Planung für eine Flutschutztrasse, die den Anger vor Überschwemmungen wie 2002 und im Juni 2013 schützen soll. 2010 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet, das seitdem läuft und noch keinen Abschluss gefunden hat.

122 Bäume in der Elbaue wurden untersucht

Zeitweise war es um die Pläne sogar ziemlich still geworden. Woran das lag, berichtete Maren Wittig, Betriebsleiterin Oberes Elbtal bei der Landestalsperrenverwaltung (LTV): "Es gab Abstimmungen mit der Landesdirektion Sachsen (LDS) zu naturrechtlichen Fragen. Es ging um Fledermäuse." Die LTV hat mit der LDS diskutiert, wie diese Probleme gelöst werden kann - und das von Juni 2020 bis Ende Februar 2022.

Die nachgewiesenen Arten wurden bereits 2009 festgestellt. 2021 erfolgte eine erneute Untersuchung, bei der nicht nur geschaut wurde, welche fliegenden Säugetiere es vor Ort gibt, sondern für welche in der Streuobstwiese auch ein sogenanntes Quartierspotenzial vorliegt. Das heißt, aufgrund er Gegebenheiten könnten sie theoretisch dort vorkommen. "Untersucht wurden insgesamt 122 Bäume, bei mindestens 32 Bäumen wurden Quartierpotenzialstrukturen in Bezug auf Fledermäuse festgestellt", heißt es in einer entsprechenden Unterlage. Diese gehört zu den Planungspapieren für die Hochwasserschutzlinie, die jüngst öffentlich auslagen.

Bäume können nicht einfach gefällt werden

Angeschaut wurden die Bäume auf der Streuobstwiese, die für jedermann zugänglich sind. Gehölze in umzäunten Privatgrundstücken konnten dagegen nicht ausreichend kontrolliert werden. Daher besteht die Möglichkeit, dass sich dort weitere, von den öffentlichen Wegen aus nicht einsehbare potenzielle Lebensräume für Fledermäuse befinden. Zwischen Jungbäumen, Zierpflanzen und Koniferen können sich die Flattertierchen auch wohlfühlen. Laut der neuesten Fledermaus-Studie wurde die Liste möglicher Arten um 17 erweitert. Unter ihnen sind Zweifarbfledermaus, Mausohr, Braunes und Graues Langohr und "Hufi", die kleine Hufeisennase.

Im Winter dieses Jahres lagen die Unterlagen erneut öffentlich aus. Und in den dicken Ordnern gab es im Wesentlichen nur ein neues Thema, und zwar das mit den Fledermäusen. Da Nist- und Wohnstätten nicht auszuschließen sind, gibt es einige Auflagen, die die LTV beim Bau der Trasse vom Pfarrgässchen bis zur Zufahrt zur Festwiese an der Elbsporthalle beachten muss. Für die rund 446 Meter lange Flutschutzlinie aus fester Spundwand und mobilen Elementen müssen auch Obstbäume gefällt werden. Bevor Holzfäller ihre Säge ansetzen, muss jedes Gehölz auf das Vorkommen von Fledermäusen noch einmal genau unter die Lupe genommen werden. Werden Tierchen festgestellt ist unverzüglich die untere Naturschutzbehörde zu informieren.

Baubeginn frühestens im Herbst 2027

In Bäumen, wo ein Vorkommen vermutet wird, darf die Säge an Ästen und Stämmen nur stückweise zum Einsatz kommen. Werden in einem Holzstück Fledermäuse entdeckt, ist der Abschnitt so zu sichern, dass ein senkrechtes Wiederaufstellen ermöglicht wird. Geborgene Tiere sind einer Auffangstation zu übergeben. Als Ausgleich muss die LTV unter anderem Nistkästen an Streuobstbäumen anbringen, die vom Bau der Hochwasserschutzlinie verschont bleiben. Außerdem muss die Behörde eine neue Streuobstwiese im Radebeuler Stadtgebiet pflanzen und eine bereits vorhandene im Klipphausener Ortsteil Hartha vergrößern.

Wittig gab einen optimistischen Ausblick, wie es nach der erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit im Planfeststellungsverfahren weitergeht. Bereits im November dieses Jahres hofft sie auf den Eröterungstermin, bei dem alle Einwände, Stellungnahmen und Hinweise besprochen werden. Ein Jahr später könnte der Planfeststellungsbeschluss vorliegen. Wenn keiner dagegen klagt, geht es mit der Ausführungsplanung weiter. Im Oktober 2027 rechnet Wittig mit dem Baubeginn und im Mai 2030 mit der Fertigstellung. An der Spundwand soll in der kalten Jahreszeit gebaut werden. Während der Sommermonate und, wenn viele Radfahrer auf dem Elberadweg unterwegs sind, legen die Bauarbeiter eine Pause ein.

Finanzierung ist noch offen

Die letzte Kostenberechnung stammt aus dem Jahr 2014. Rund 3,8 Millionen Euro sollte der Hochwasserschutz für Altkötzschenbroda damals kosten. Durch die Preissteigerungen auf dem Bau in den vergangenen zehn Jahren muss dieser Betrag weit nach oben korrigiert werden. Woher das Geld kommt, kann Wittig derzeit noch nicht sagen. Nach dem Augusthochwasser sind viele Hochwasserschutzanlagen über den Aufbauhilfefonds des Bundes finanziert worden.

Doch auf diesen Topf kann Sachsen nicht mehr zugreifen. Diese Fördermittel sind seit Juli 2021 unter anderem zum Beseitigen der Hochwasserschäden im Ahrtal bestimmt. Auch aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) hat sich die Landesbehörde Geld besorgt. Doch ob es dieses Programm in drei Jahren noch gibt, ist aktuell noch ungewiss.

"Mit den finanziellen Mitteln hat es bisher immer geklappt", zeigt sich Wittig optimistisch. Jedoch werde es immer schwieriger, diese zu besorgen. Gestrichen werden kann die Hochwasseranlage aber nicht von der Vorhabensliste. Denn auf der anderen Elbseite gibt es bereits einen Damm zum Schutz von Cossebaude. Die Radebeuler Flussseite darf im Hochwasserfall nicht schlechter gestellt sein. Deshalb steht in den Genehmigungsunterlagen sowie Auflagen für den Flutschutz auf dem anderen Ufer schwarz auf weiß, dass auch Altkötzschenbroda eine Schutzlinie zeitnah bekommen muss. "Zeitnah" ist ein interpretierbarer Begriff. Auf die Pflicht des Freistaats will Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) gegebenenfalls auf juristischem Weg pochen, kündigte er an.