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Wackerbarth: Brauchen zwei Jahre zum Aufholen

Das Staatsweingut in Radebeul muss mit herben Verlusten leben und hat neue Ziele für 2021. Der jüngste Wein wird gerade abgefüllt.

Von Peter Redlich
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Noch ein prüfender Blick, bevor die Flasche in den Karton kommt: Weinküferin Anna Eichhorn an der Abfüllanlage im Staatsweingut Schloss Wackerbarth in Radebeul. Die nächsten drei bis vier Wochen muss der Wein noch ruhen, bis er sein Aroma richtig entf
Noch ein prüfender Blick, bevor die Flasche in den Karton kommt: Weinküferin Anna Eichhorn an der Abfüllanlage im Staatsweingut Schloss Wackerbarth in Radebeul. Die nächsten drei bis vier Wochen muss der Wein noch ruhen, bis er sein Aroma richtig entf © Arvid Müller

Radebeul. Erlebnisweingut - immer wieder betonen die Mitarbeiter von Wackerbarth, dass sie nicht nur Wein und Sekt herstellen, sondern richtig gute Erlebnisse bieten. Führungen durch die Weinberge, Märkte wie zu Weihnachten und Ostern, Hochzeiten, Firmenfeiern oder einfach nur zu Livemusik einen Gläschen Wein in den Terrassen unter dem Belvedere-Schlösschen trinken. Vieles davon musste 2020/21 einfach gnadenlos abgesagt werden.

Wie sehr die Leute das mögen, hat sich in der Vorweihnachtszeit gezeigt. Das märchenhaft illuminierte Areal an den Weinbergen wurde regelrecht gestürmt. Was auch wieder nicht gut ist in Corona-Zeiten. Also beschloss das Weingut, als staatliches Unternehmen Vorbild zu sein, löschte die Lichter und schloss den Verkauf aus den Buden.

190.000 Besucher zählen in einem normalen Jahr diese Veranstaltungen. Martin Junge, Pressesprecher des Staatsweingutes, sagt, dass etwa 500 Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Veranstaltungen, bei denen die Wackerbarth-Leute ihre Weine und Sekte und das Gutshaus seine Speisen verkaufen. Trotzdem waren es übers gesamte Jahr 2020 nur etwa 50.000 Besucher weniger. Was zeigt, wie sich Menschen nach Abwechslung und etwas Schönem in der Heimat gesehnt und das in den Sommermonaten gesucht haben.

2020 war auch ohne das Virus ein durchwachsenes Weinjahr, in dem alles zusammenkommt. Das sei zumeist im Schaltjahr so, sagt Weinbauleiter Till Neumeister. Durchwachsen von knackigen Spätfrösten im Mai, von lokalen Unwettern wie Hagel am Paradiesweinberg und demzufolge einer Ernte, die mit den beiden Vorjahren nicht zu vergleichen ist. Doch Winzer jammern nicht, sondern leben mit der Natur. Kleine Menge, höhere Qualität.

Gab es aus dem Jahr 2019 bis zu 700.000 Flaschen Wein und Sekt, so werden es von 2020 nur gut 500.000. Knapp zwei Drittel davon sind Weine. An den Preisen haben die Wackerbarth-Leute dennoch noch nicht gezogen. Es gibt noch Restbestände aus den Vorjahren. Der Online-Verkauf und der im noch offenen Markt läuft gut, sagt Martin Junge. Verdreifacht hat er sich beim Online-Verkauf.

Es gibt jetzt sogar Weinverkostungen am Computer. Nicht so urig wie mitten zwischen den Reben oder im Gutshaus und der Vinothek von Wackerbarth, aber immerhin mit fachkundiger Beratung eines Experten des Weingutes. Wer sich dafür auf der Seite von Wackerbarth anmeldet, bestellt ein Weinpaket, welches zu 79 Euro für bis zu drei Personen ausreicht, bekommt eine Einladung zur Zoom-Videokonferenz und wird dann mindestens anderthalb Stunden beim Weinprobieren begleitet.

Die über 100 Mitarbeiter - einige davon derzeit immer wieder wechselnd in Kurzarbeit - ruhen nicht. Die Arbeit an den Rebstöcken muss erledigt werden. Der Vorfrühling macht sich bemerkbar. Im Weinkeller wartet kein Gärkessel, kein Fass darauf, dass Corona vorübergeht. Gerade wird mit Kellermeisterin Christiane Spieler der jüngste Wein von 2020 abgefüllt. Bacchus, Riesling und Spätburger rosé sind das vor allem.

Gegen die Spätfröste im Mai 2020 - Weinbauleiter Till Neumeister zündet Wärmefeuer zwischen den Reben, damit diese nicht erfrieren.
Gegen die Spätfröste im Mai 2020 - Weinbauleiter Till Neumeister zündet Wärmefeuer zwischen den Reben, damit diese nicht erfrieren. © Norbert Millauer

Und noch einige gute Nachrichten gibt es, trotz all der Probleme: Auf Instagram und Facebook interessieren sich zunehmend mehr Leute - jedes Jahr kommt knapp ein Fünftel dazu - für das, was Wackerbarth anbietet. „Die Menschen wollen sich gerade jetzt was gönnen“, sagt der Weingutsprecher. Dazu gehören auch die vakuumverpackten Mehrgänge-Menüs, die an den Wochenenden vom Gutshaus-Koch in der Küche vorgezaubert und zu Hause dann nur noch erwärmt werden müssen. Der passende Wein und Sekt dazu wird ebenfalls vorgeschlagen.

Wackerbarth will auch weiter investieren. Weinbergmauern müssen am Goldenen Wagen in Radebeul saniert werden. Das dortige Winzerhaus ist herzurichten. Zusammen eine Aufgabe, die siebenstellig kosten wird, sagt Martin Junge. In Radebeul am Johannisberg und in Diesbar-Seußlitz sollen neue Reben in die Weinberge kommen. Und: Glücklich und stolz sind die Winzer vom Staatsweingut, dass sie vor wenigen Wochen mit vier Sternen im maßgeblichen Weinführer Falstaff aufgeführt werden - als erstes ostdeutsches Weingut.

Dennoch, der erste und vor allem der zweite Lockdown, das Schließen von fast allem, was Umsatz bringt, hat das Staatsweingut heftig getroffen. Die Einbußen an Weintrauben wirken sich allerdings erst in den Folgejahren beim Verkauf der Wein- und Sektflaschen aus. Der Gesamtumsatz für 2020 sei glücklicherweise wesentlich geringer als die Einbußen von etwa 25 Prozent der Ernte, so Wackerbarth-Geschäftsführerin Sonja Schilg. Es werde zwei, wenn nicht sogar drei Jahre brauchen, um das wieder aufzuholen.