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"Die Poliklinik nimmt uns den Elbblick"

Bis jetzt haben viele Anwohner an der Bahnhofstraße in Riesa fast freie Sicht zur Elbe. Dass sich das ändern könnte, verstimmt sie.

Von Eric Weser
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Der Blick aus der Wohnung von Christian Nowotny geht über Bahnhofstraße und das frühere Chlorodont-Fabrik-Gelände bis über die Elbe.
Der Blick aus der Wohnung von Christian Nowotny geht über Bahnhofstraße und das frühere Chlorodont-Fabrik-Gelände bis über die Elbe. © Eric Weser

Riesa. Elbblick vom Schlafzimmer aus – das hat nicht jeder. Christian Nowotny hat diese Aussicht. Seit fünf Jahren leben er und seine Frau in einer Mietwohnung im ersten Obergeschoss an der Riesaer Bahnhofstraße. Das von der städtischen Wohnungsgesellschaft bewirtschaftete Haus dürfte fast jeder kennen, denn das Wirbel-Design an der Fassade ist extrem auffällig.

Es war auch der Ausblick aus der Wohnung zur Elbe, der die Familie 2017 bewog, vom Karl-Marx-Ring an die Bahnhofstraße umzuziehen, erzählt Christian Nowotny. Umso erstaunter war der ehemalige Riesaer Linken-Stadtrat, als voriges Jahr bekannt wurde, dass auf der Brache zwischen dem Wohnblock und der Elbe eine neue Poliklinik entstehen soll.

Foto: Eric Weser
Foto: Eric Weser © Eric Weser

„Die wird uns den Elbblick nehmen“, ärgert sich der Anwohner – und ist überzeugt, dass auch etliche Nachbarn das ähnlich kritisch sehen. Eine Nachbarin habe eigentlich auch eine Unterschriftenaktion machen wollen. Denn: Selbst aus den oberen Etagen und dem Penthouse im Block werde der Blick zum Fluss verloren gehen.

Für den Riesaer passen die Pläne nicht so recht zusammen mit Aussagen der Stadt, wonach Riesa mehr zur Elbe hin geöffnet werden soll. Der Neubau werde eher zum Gegenteil führen – zumindest für die Bewohner in seinem Eingang und einigen anderen daneben. Dass die Poliklinik-Beschäftigten oder Patienten künftig etwas vom Elbblick haben, stellt der Rentner infrage. „Die müssen arbeiten, dafür bleibt ihnen doch gar keine Zeit.“

Aus Sicht von Christian Nowotny wären andere Stellen in Riesa besser als Klinik-Standort geeignet gewesen. Als ein Beispiel nennt er den Chemnitzer Bahnhof – das verfallende Gebäude zwischen Riesaer Bahnhof und Chemnitzer Hohle. Nicht nur hätte dort ein marodes Gebäude belebt worden können, findet er. Auch die Verkehrsanbindung sei deutlich besser.

Sorge um mehr Verkehr

Gerade das Thema Verkehr macht dem ehemaligen Stahlwerker Sorgen. „Es fahren jetzt schon viel mehr Autos hier, seitdem letztens die Berliner Straße länger gesperrt war“, findet der 68-Jährige und schaut aus einem Schlafzimmerfenster auf die Bahnhofstraße. „Wenn dann noch die Klinik steht, nimmt das weiter zu.“

Die Stadt Riesa erklärt auf Nachfrage, die Betrachtung zu erwartenden Verkehrsströme sei Teil des laufendenden Genehmigungsverfahrens für die neue Klinik.

Das Rathaus gesteht zu, dass es eine gewisse Verlagerung von Verkehrsströmen geben könnte, weil die künftig in der Klinik gebündelten Praxen derzeit im Stadtgebiet verteilt liegen. Die Straßen im Umfeld des neuen Standorts seien aber öffentlich gewidmete Straßen – und dafür geeignet.

Was die Öffnung zur Elbe hin angehe, sei das nicht nur auf Blickbeziehungen gemünzt, erklärt Stadtsprecher Uwe Päsler. Es gehe vielmehr darum, „den Fluss für die Menschen besser erlebbar zu machen“, indem Verbindungen zwischen Hauptstraße/Puschkinplatz und den ufernahen Bereichen geschaffen würden. Der Stadtsprecher nennt als Beispiele die vorgesehene Umverlegung des Elberadwegs oder den geplanten neuen Spielplatz an der Gasanstalt sowie das Muskator-Projekt.

Diese Visualisierung zeigt, wie die geplante Poliklinik einmal aussehen soll. Der WGR-Block steht aus dieser Perspektive gesehen links (nicht im Bild).
Diese Visualisierung zeigt, wie die geplante Poliklinik einmal aussehen soll. Der WGR-Block steht aus dieser Perspektive gesehen links (nicht im Bild). © pdw. Architekten Ingenieure GmbH

Davon, dass die Klinik den Anwohner den Elbblick verbaut, geht man im Rathaus zudem nicht aus. Das Medizinische Versorgungszentrum, wie die Klinik auch bezeichnet wird, werde um einiges tiefer als die Wohngebäude an der Bahnhofstraße stehen, so der Stadtsprecher.

Wie hoch die Klinik einmal in die Höhe ragen soll, ist seit Kurzem bekannt: Gut zwölf Meter soll das insgesamt 7,5 Millionen Euro teure Neubauprojekt an der höchsten Stelle werden, hatte Investor Hentschke Bau kürzlich auf Nachfrage mitgeteilt. Was genau diese Höhe für die Blickachsen dem benachbarten Wohnhaus bedeutet, bleibt aber vorerst offen.

Christian Nowotny ist nicht besonders optimistisch. Er hätte so oder so lieber eine andere Nutzung der Grünbrache zwischen seinem Wohnblock und der Elbe gesehen, sagt er. Etwa als Biergarten oder, wenn schon ein Gebäude, dann zum Beispiel ein Seniorenheim. Er und seine Frau überlegen inzwischen, von der Bahnhofstraße wegzuziehen. Nicht allein wegen des geplanten Klinikbaus – aber auch deswegen.