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Elbland: Was tun, wenn überall gleichzeitig Bäume umstürzen?

Zieht ein richtiger Sturm durch Sachsen, werden die Feuerwehren zu Dutzenden Einsätzen gleichzeitig alarmiert. In Zeithain bereitet man sich darauf vor.

Von Christoph Scharf
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Ein Sturm lässt im Elbland reichlich Bäume umkippen: So etwas wie bei Sturmtief Ignatz im Herbst 2021 bei Lorenzkirch kann sich jederzeit wiederholen. Dafür wurde jetzt in Zeithain geübt.
Ein Sturm lässt im Elbland reichlich Bäume umkippen: So etwas wie bei Sturmtief Ignatz im Herbst 2021 bei Lorenzkirch kann sich jederzeit wiederholen. Dafür wurde jetzt in Zeithain geübt. © Lutz Weidler

Zeithain. Schwere Unwetter. Hochwasser. Ein Tornado. In den vergangenen Jahren musste Sachsen eine ganze Reihe von Ereignissen durchmachen, die Rettungskräfte an ihre Grenzen brachten. Denn wenn landauf, landab gleichzeitig Bäume umstürzen, Keller volllaufen und Straßen unpassierbar werden, hören die Telefone in den Rettungsleitstellen nicht mehr auf zu klingeln.

Etliche Gemeinden reagierten darauf – und richteten in den vergangenen Jahren auf dem Land sogenannte ortsfeste Befehlsstellen ein, in Riesa genauso wie in Großenhain, in Gröditz wie in Meißen. Die sind im Regelfall in den Feuerwehr-Gerätehäusern untergebracht und werden dann besetzt, wenn die Wetterprognosen Böses erahnen lassen. In solchen Fällen übernehmen speziell ausgebildete Kameraden die Koordination der Feuerwehrkräfte vor Ort – und nehmen der sonst zuständigen Leitstelle in Dresden damit viel Arbeit und zahllose Funksprüche ab.

22 fiktive Einsätze

Damit das im Ernstfall klappt, muss es auch geübt werden. Wie jetzt am Wochenende in Zeithain, wo zur Übung auch gleich noch eine Premiere kam – eine Zusammenarbeit mit Spezialisten der Bahn. Während in Riesa im Umfeld des Parteitags AfD-Gegner und Polizisten schwitzen, versuchen im Zeithainer Gerätehaus Feuerwehrleute, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn auch hier sind es am Sonnabend an die 30 Grad im Schatten.

Draußen brennt weiter die Sonne vom Himmel. In der Übungslage, die Ortswehrleiter Marco Bretschneider ausgearbeitet hat, kippt dagegen das Wetter: Dabei bildet sich plötzlich eine lokale Unwetterzelle mit Sturmböen, Gewitter, Hagel und Starkniederschlag. Innerhalb kurzer Zeit, so die Annahme, gehen zahlreiche Notrufmeldungen bei der Integrierten Regionalleitstelle in Dresden ein, sodass diese die ortsfeste Befehlsstelle in Zeithain alarmiert.

Markus Hofmann, Ortswehrleiter in Gohlis, behält die Lage bei der Zeithainer Übung im Überblick: Die taktischen Zeichen stehen für Feuerwehren, die im Gemeindegebiet fiktiv im Einsatz sind. Hier stimmt er sich mit Notfallmanagerin Daniela Thiele von der D
Markus Hofmann, Ortswehrleiter in Gohlis, behält die Lage bei der Zeithainer Übung im Überblick: Die taktischen Zeichen stehen für Feuerwehren, die im Gemeindegebiet fiktiv im Einsatz sind. Hier stimmt er sich mit Notfallmanagerin Daniela Thiele von der D © Andreas Weihs

Die fünf Kameraden aus verschiedenen Ortswehren der Feuerwehr Zeithain müssen in den kommenden Stunden insgesamt 22 fiktive Einsätze koordinieren: Wie bei solchen Wetterlagen üblich, werden vollgelaufene Keller, umgestürzte Bäume, ausgelöste Brandmeldeanlagen, ein Verkehrsunfall gemeldet.

Und als würde das noch nicht ausreichen, kommt auch noch die Evakuierung eines liegengebliebenen Schnellzuges auf die Einsatzliste. "Viele Bäume liegen im Gleisbett und auch in den Oberleitungen", erläutert Daniela Thiele, Notfallmanagerin bei der Deutschen Bahn die Lage, wie sie sich mittlerweile auf mehreren Monitoren und einem Lageplan an der Wand darstellt.

Mit einer Kollegin nimmt die für die Region Riesa zuständige Bahn-Expertin an der Übung der Zeithainer Feuerwehr teil. "Wir wollen herausfinden, wie sich im Ernstfall bei einer Großschadenslage die Zusammenarbeit zwischen einer ortsfesten Befehlsstelle, Notfallmanager der Bahn und den Einsatzkräften vor Ort gestaltet - und ob in diesem Zusammenhang Optimierungsbedarf besteht."

Nicht um jeden Baum muss sich die Feuerwehr kümmern

Eine Übung gemeinsam mit dem Notfallmanagement der Deutschen Bahn – das hatte es noch nicht gegeben. "Als Einzeleinsatz ist die Zusammenarbeit mit dem Notfallmanager der DB AG für uns Routine", sagt Marco Bretschneider, der die Übung zusammen mit Daniela Thiele leitet. "Kommen allerdings mehrere Einsätze auf einmal zusammen, ist eine enge Abstimmung mit dem Notfallmanagement der Bahn notwendig, um die Kräfte der Bahn und der Feuerwehr zielgerichtet einsetzen zu können", sagt der Zeithainer Ortswehrleiter.

Zum Beispiel müsse nicht jeder Baum im Gleis durch die Feuerwehr beseitigt werden – dafür hält die Bahn auch eigene Kräfte vor. Außerdem sei es wichtig, die Einsatzstellen nach Dringlichkeit zu ordnen. Und Feuerwehrleute müssen jederzeit wissen, welche Bahnstrecke gerade für den Zugverkehr gesperrt ist – denn durch Zeithain verlaufen gleich mehrere wichtige Bahnstrecken: Dresden-Leipzig, Chemnitz-Elsterwerda, Röderau-Falkenberg.

Außerdem stellt sich immer die Frage, ob auch die Oberleitung abgeschaltet ist oder nicht. Die Übung sah vor, dass die Oberleitung an mehreren Stellen durch umstürzende Bäume beschädigt ist, Funken schlägt und auch noch einen Brand auslöst. Viel zu tun also für die fünf Kameraden in der ortsfesten Befehlsstelle, resümiert Marco Bretschneider.

Funkgerät, Telefon, Computer: die Arbeitsmittel von Marcus Hoffmann, der in der ortsfesten Befehlsstelle Zeithain die Arbeit der Einsatzkräfte vor Ort koordiniert.
Funkgerät, Telefon, Computer: die Arbeitsmittel von Marcus Hoffmann, der in der ortsfesten Befehlsstelle Zeithain die Arbeit der Einsatzkräfte vor Ort koordiniert. © Andreas Weihs

Feuerwehr und Bahn – das sind zwei Welten mit eigenen Begrifflichkeiten, Arbeitsweisen, Abläufen. Die Übung sollte helfen, die jeweils andere Seite besser zu verstehen, um im Ernstfall möglichst reibungslos zusammenarbeiten zu können. Auch für die Bahn-Experten war die Arbeit in einer ortsfesten Befehlsstelle eine Premiere – und beide Seiten werten sie im Anschluss als Erfolg.