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Zeithain: Das sagen Ortschaftsräte zu ihrem geplanten Zwangs-Aus

Die Gemeinde Zeithain will seine Ortschaftsräte abschaffen. Wegen fehlender Resonanz der Bürger. Aber es geht wohl eher ums Geld.

Von Jörg Richter
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In Zeithain muss der Gemeinderat einen Beschluss zur Abschaffung der Ortschaftsräte zurücknehmen und am kommenden Mittwoch neu darüber entscheiden.
In Zeithain muss der Gemeinderat einen Beschluss zur Abschaffung der Ortschaftsräte zurücknehmen und am kommenden Mittwoch neu darüber entscheiden. © Sebastian Schultz

Zeithain. Es ist schon eine Farce. Die sechs Ortschaftsräte in der Gemeinde Zeithain sollen sagen, was sie davon halten, dass sie abgeschafft werden sollen. Ihr Aus hatte der Gemeinderat Ende September mehrheitlich mit den Stimmen der BIG/Linke-Fraktion und ihres Bürgermeisters beschlossen.

Das Rechts- und Kommunalamt des Landkreises Meißen intervenierte jedoch. In einem Schreiben vom 14. Februar fordert die übergeordnete Behörde die Gemeinde Zeithain auf, den Beschluss rückgängig zu machen. Eine Bedingung sei nicht erfüllt: Vorher müssten erst einmal die Ortschaftsräte die Möglichkeit erhalten, eine Stellungnahme abzugeben.

Es ist nur noch wenig Zeit bis zur nächsten Kommunalwahl am 9. Juni, bei der ursprünglich auch die Ortschaftsräte gewählt werden sollten. Um das zu verhindern, sollten die Ortschaftsräte relativ kurzfristig zusammenkommen. Das haben die meisten von ihnen gemacht. Lediglich in Gohlis und Jacobsthal gab es keine Versammlungen. Die Gemeinde wertet das als Zustimmung.

Lob für engagierte Ortsvorsteherin

Am Mittwochabend traf sich der Ortschaftsrat von Röderau-Bobersen in der Gaststätte Hänel. Mit sechs Mitgliedern ist er der größte Ortschaftsrat in der Gemeinde Zeithain und nach Informationen des stellvertretenden Bürgermeisters Dieter Wamser (BIG) auch einer der aktivsten. Er lobt das große Engagement der hiesigen Ortsvorsteherin Heike Pantel, die ebenfalls in der BIG Zeithain ist.

Wamsers anerkennende Worte können sie nicht trösten. "Ich finde es schade, dass die Ortschaftsräte eingestampft werden", sagt sie. Vor allem die Begründung stößt ihr bitter auf. Nach Einschätzung der Gemeindeverwaltung hätten die Ortschaftsräte ihre Aufgaben "rudimentär erfüllt". Ein Großteil der Aufgaben würde durch ortsansässige Vereine übernommen. Auch hätten die Sitzungen der Ortschaftsräte "zum Teil sehr unregelmäßig" stattgefunden. Und auch die gefertigten Protokolle hätten oft nicht den rechtlichen, formalen und zeitlichen Anforderungen entsprochen.

Für Heike Pantel und ihre Mitstreiter ist diese Kritik eine Ohrfeige ins Gesicht. "Ich werde oft von Leuten auf der Straße angesprochen, wenn sie Probleme haben." Nicht nur zu den Sitzungen des Ortschaftsrates sei sie ansprechbar, sondern jederzeit. "Wenn man von uns eine andere Arbeit erwartet, hätte man uns das auch mal sagen können", sagt sie. "Aber uns vorzuwerfen, dass wir es nicht ordentlich gemacht haben sollen, das ist einfach nur traurig."

In der Beschlussvorlage zur zweiten Änderung der Hauptsatzung, über die der Gemeinderat am kommenden Mittwoch noch einmal abstimmt, heißt es unter anderem: "Die Resonanz auf die Arbeit der Ortschaftsräte war gering, denn deren Sitzungen wurden nachweislich sehr selten durch die Bevölkerung besucht."

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Wagner, der extra nach Röderau gekommen ist, witzelt am Nebentisch: "Wenn das ein Kriterium wäre, dann müsste man auch den Gemeinderat abschaffen." Denn auch dessen Besucherzahlen halten sich oft im einstelligen Bereich.

Diskrepanz bei Aufwandsentschädigung

Wamser, der sowohl Gemeinde- als auch Ortschaftsrat ist, kritisiert den Beschlusstext vom Herbst ebenfalls. "Er war sch... ." Er lobt explizit auch die Arbeit des Ortschaftsrates in Lorenzkirch. "Andere sind da eher unsichtbar", sagt er. - Diese Aussage wird er später in der gleichen Sitzung revidieren. "Uns steht es nicht zu, die Arbeit der anderen Ortschaftsräte zu beurteilen", korrigiert er sich.

Der BIG-Vorsitzende lässt aber durchblicken, dass das Geld eine Rolle spielt. Die insgesamt 23 Mitglieder der sechs Ortschaftsräte würden die Gemeinde jährlich rund 23.000 Euro Aufwandsentschädigung kosten. Die 18 Gemeinderäte erhielten dagegen zusammen nur 8.060 Euro pro Jahr. Das sei eine "Diskrepanz", so Wamser, denn die Gemeinderäte treffen sich deutlich öfter.

Dieses Missverhältnis würde dadurch entstehen, weil die Ortsvorsteher seit ein paar Jahren eine relativ hohe Aufwandsentschädigung erhalten. Damit wollte Sachsens Landesregierung das Ehrenamt stärken. Vor allem die Arbeit ehrenamtlicher Bürgermeister sollte damit gewürdigt werden. Doch auch Ortsvorsteher erhalten je nach Einwohnerzahl ihres Heimatortes eine monatliche Entschädigung.

Nur eine Neiddebatte?

Bei den meisten hiesigen Ortsvorstehern liegt sie bei 242 Euro pro Monat, bestätigt der Kreinitzer Ortsvorsteher Gerhard Förster. In Röderau-Bobersen seien es mehr als 500 Euro pro Monat. - Aber an dieser Neiddebatte möchte er sich nicht beteiligen. Er kritisiert, dass die Gemeindeverwaltung es versäumt habe, die Ortschaftsräte eher über ihr Vorhaben zu informieren. Förster: "Man hätte uns das vorher erklären können, dann wäre der Druck aus dem Kessel genommen worden."

Gerhard Förster konnte am Mittwochabend die kurzfristige Sitzung des Kreinitzer Ortschaftsrats nicht durchführen. Er war der Einzige aus dem Gremium, der gekommen war. Zwei Räte waren auf Arbeit, eine Dritte ließ sich wegen eines anderen Termins entschuldigen. Wie die Gemeinde Zeithain und das Kommunalamt des Landkreises Meißen diese nicht stattgefundene Ortschaftsratssitzung wertet, bleibt abzuwarten.

In Röderau einigten sich die sechs Mitglieder auf einen gemeinsamen Text, in dem sie die Abschaffung des hiesigen Ortschaftsrates bedauern. Gleichzeitig fordern sie einen Ansprechpartner, der die Menschen in Röderau-Bobersen weiterhin vertritt.