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Ehrliche Bargeld-Finderin aus Riesa fühlt sich bestraft

Eine Seniorin entdeckt Geld auf der Straße und bringt es zur Stadt. Was ein halbes Jahr später passiert, mag sie kaum glauben.

Von Eric Weser
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Zehn Euro und 50 Cent hatte eine Riesaerin im Vorjahr in der Stadt gefunden und ins Fundbüro gebracht. Von dort bekam sie unlängst Post.
Zehn Euro und 50 Cent hatte eine Riesaerin im Vorjahr in der Stadt gefunden und ins Fundbüro gebracht. Von dort bekam sie unlängst Post. © Eric Weser

Riesa. Eigentlich wollte Marianne Ferle sich an jenem heißen Sommertag gar nicht bücken. „Ich hatte auf dem Weg etwas Goldenes blitzen sehen und dachte, vielleicht ist es ein 20-Cent-Stück.“ Aber sich bei der Wärme deswegen extra herunterbeugen? Das war der Riesaerin mit ihren mehr als 80 Jahren zu viel. Als sie zwei Schritte weiter aber einen Zehn-Euro-Schein entdeckte, bückte sie sich doch. Und hob den Zehner und die goldene Münze, die sich als 50-Cent-Stück herausstellte, auf.

Manch anderer hätte das Geld als unverhoffte Einnahme ins eigene Portemonnaie wandern lassen und sich gefreut. Marianne Ferle, die eigentlich anders heißt, entschied sich für den Gang zur Stadt Riesa. „Ich wollte das Geld ins Fundbüro bringen.“ Man wisse schließlich nicht, ob nicht jemand Armes das Geld verloren habe, der es dringend brauche, so die Riesaerin.

Geldherausgabe – gegen Gebühr

Im Rathaus habe sich die Empfangsdame der Sache angenommen, weil im Fundbüro niemand da gewesen sei. Die Stadtmitarbeiterin habe Datum, Fundort und den Namen der Finderin notiert und das Geld in Verwahrung genommen.

Ein gutes halbes Jahr später hat Marianne Ferle nun Post von der Stadt Riesa bekommen. Post, die sie ärgert. Denn in dem Schreiben heißt es, dass sie das Fundgeld bis Ende Januar abholen könne – für die Aufbewahrung aber eine Gebühr von zehn Euro erhoben werde. „Als ich das las, habe ich zu meinem Mann gesagt: Das kann doch nicht wahr sein.“

Bei einem Telefonat mit dem Rathaus macht Marianna Ferle nach eigenem Bekunden deutlich, dass sie sich bestraft fühlt. Die Dame am anderen Ende habe entgegnet, dass die Gebührenerhebung beschlossene Sache sei. Dass die Stadt also den Regeln entsprechend handelt.

Eine Quittung und ein 50-Cent-Stück

Marianne Ferle ist verstimmt, entscheidet sich aber dennoch, die Fundsache abzuholen. Mitte Januar geht sie zum Verwaltungsstandort an der Engelsstraße. Dort bekommt sie eine Quittung über die Zahlung der Aufbewahrungsgebühr und ein 50-Cent-Stück ausgehändigt. „Ich dachte, da verzichte ich nicht drauf – und wenn es ein Cent gewesen wäre.“

Auch wenn Marianne Ferle schmunzelt, als sie das sagt: Ein wenig fassungslos macht sie die Sache letztlich doch. Man könne das so nicht machen, findet sie.

Auch ihr Sohn, von Beruf Jurist, habe sich die Angelegenheit angeschaut. Nach seiner Einschätzung ist die Gebühr unverhältnismäßig hoch, sagt Marianne Ferle. Die Gebühr müsse dem Aufwand entsprechen. Kritisch habe ihr Sohn zudem angemerkt, dass die Vorschrift für die Gebührenerhebung im Schreiben der Stadtverwaltung nicht benannt werde.

Stadt Riesa: Können nicht anders verfahren

Die Vorschrift nennt sich Verwaltungskostensatzung und ist zuletzt vor einem reichlichen Jahr novelliert worden. Seither werden in Riesa nicht mehr mindestens fünf, sondern mindestens zehn Euro Aufbewahrungsgebühr für Fundsachen fällig. Daher habe man in dem Fall leider nicht anders verfahren können, so Stadtsprecher Uwe Päsler. „Auch wenn das mit den 50 Cent eine etwas kuriose Konsequenz nach sich zog.“

Die Stadt sei an die gesetzliche Vorschrift gebunden, dass Finder oder auch Eigentümer Fundsachen nur erhalten können, wenn die Aufbewahrungsgebühr bezahlt werde, betont der Rathaussprecher.

Reine Bargeldfunde landen sehr selten im Fundbüro

Reine Bargeldfunde verzeichnet das Fundbüro laut Uwe Päsler nur sehr selten. Neben Marianne Ferle hatte aber noch jemand im vorigen Jahr Fundgeld abgegeben. Auch in dem Fall seien zehn Euro Gebühr erhoben worden, sodass der Finder nach der sechsmonatigen Aufbewahrungsfrist 190 Euro erhielt und nicht die 200 Euro, die er abgegeben und deren ursprünglicher Besitzer sich nicht gemeldet hatte.

Doch wie kann jemand, der „reines“ Bargeld verloren hat, überhaupt beim Fundbüro glaubhaft machen, dass er der rechtmäßige Besitzer eines abgegebenen Geldbetrags ist? Stadtsprecher Uwe Päsler verweist auf einen Fall von vor einigen Jahren: Da habe jemand Verlusttag und -ort genau benennen können, ebenso die Höhe des Betrages sowie sehr genau die Stückelung. Damit seien die Voraussetzungen erfüllt gewesen, den Fundbetrag zu erhalten.

Marianne Ferle fragt sich derweil, was passiert wäre, wenn ihr Fundbetrag geringer gewesen wäre – zum Beispiel fünf Euro. In dem Fall hätte die Stadtkasse das Geld nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sofort vereinnahmt, erklärt der Stadtsprecher. So werde mit allen Beträgen verfahren, die geringer als zehn Euro sind.

  • Das Riesaer Fundbüro hat seinen Sitz im Rathaus am Rathausplatz.
  • Eine Liste mit abgegebenen Fundsachen (u.a. Fahrräder, Schlüssel, Handys) aus dem vergangenen halben Jahr gibt es auf der Riesaer Internetseite.
  • Eine Liste mit zum Verkauf stehenden Fundgegenständen findet sich an gleicher Stelle.
  • Kontakt zum Fundbüro unter [email protected] sowie 03525 700239.