Riesas Stadtpark wird 150: Warum Teile der Historie noch heute Rätsel aufgeben
Riesa. Es war am 14. März 1874: Im Saal des Hotels Kronprinz – heute befinde sich dort die Commerzbank an der Hauptstraße – wurde der Riesaer Verschönerungsverein aus der Taufe gehoben. In den Folgejahren prägte der Verein die Gestaltung des Riesaer Stadtparks. Die SZ hat anlässlich des 150. Jahrestags der Vereinsgründung mit Riesas Museumschefin Anja Hirschberg gesprochen. In ihrer Einrichtung startet in wenigen Tagen auch eine neue Schau zum Thema Grünanlagen in Riesa.
Frau Hirschberg, was befand sich eigentlich an der Stelle, an der wir heute den Stadtpark finden, bevor der Verschönerungsverein dort gewirkt hat?
Es gab einen natürlich gewachsenen Auenwald mit typischer Flora und Fauna. Zum Baumbestand zählten zum Beispiel Stieleichen und Eschen – und einst auch viele Ulmen, die aber einem Ulmensterben im 19. Jahrhundert zum Opfer fielen. Schon 1730 war für das Zeithainer Lustlager eine Schneise durch den „Riesaer Busch“ geschlagen worden. Den dabei entstandenen „Brandenburger Weg“ gibt es bis heute, er führt vom Sandsteintrog zur Elbe. Im Februar 1874 dann hatte die Stadt Riesa das Rittergut samt Wald vom Schlossherrn Heinrich Freiherr von Welck gekauft.
Also kurz vorm Start des Verschönerungsvereins. Was ist denn eigentlich über die Gründung und die Vereinsgründer bekannt?
Die Gründung hat bei einer Bürger- und Einwohnerversammlung stattgefunden. Es gab damals rund 150 Beitrittserklärungen; der Jahresbeitrag lag bei zwei Mark pro Mitglied. Erster Vorsitzender des Vereins war General a.D. Ernst Wilhelm von Standfest. Er war seit 1858 in Riesa und unter anderem Stadtratsmitglied. Standfest wurde für seine Verdienste 1883 auch zum Ehrenbürger von Riesa ernannt.
Aus welchen Motiven heraus ist der Verschönerungsverein denn eigentlich damals entstanden?
Das wichtige Anliegen war, den Wald in einen Park umzugestalten und damit die erste öffentliche Grünfläche Riesas zu schaffen. Dafür wurden Wege angelegt, ein Fest- und Konzertplatz geschaffen, Bänke aufgestellt, Bäume, Sträucher und Blumen gepflanzt. Der Verein hat die Anlage zunächst auch gepflegt und dafür ab 1894 sogar einen Parkgärtner eingestellt. Dafür gab es bereits damals Zuschüsse von der Stadt.
Man weiß also einiges über den Verein und seine Arbeit ...
Ja, durchaus. Es gibt Akten zum Verein im Stadtarchiv und auch Postkarten, die den Stadtpark zeigen. Zum Teil geben uns die Quellen allerdings auch Rätsel auf. Zum Beispiel wissen wir bei historischen Bauzeichnungen nicht immer, was davon tatsächlich umgesetzt wurde. Auch wissen wir zum Beispiel nicht, wie genau die praktische Arbeit des Vereins aussah oder organisiert wurde. Also wer genau die Leute waren, die letztlich mit anpackten.
Wo kann man denn heute noch Spuren des Vereins im Park entdecken?
Natürlich in Form der Freitreppe, die seinerzeit „Alberttreppe“ hieß: Ihr Bau ab 1878 geht auf Initiative des Vereins zurück, ebenso wie die noch heute existente Brücke über die Jahna, die allerdings später entstanden ist.
Der Verein hat aber nicht nur im Stadtpark gewirkt, denn er wollte Riesa insgesamt verschönern. Auf den Verein geht zum Beispiel auch die Umpflanzung des Turnplatzes an der Knabenschule, der heutigen Förderschule Goethestraße, mit Kastanien zurück. Der Verein war auch an der Bepflanzung des Puschkinplatzes beteiligt, der damals Kaiser-Wilhelm-Platz hieß.
Riesaer Grünanlagen sind auch Thema Ihrer neuen Ausstellung, die Sie am kommenden Freitag eröffnen. Was ist das Ziel der Schau?
Mit der Ausstellung „Im Grünen Bereich“ wollen wir den Blick auf die Geschichte der städtischen Grünflächen in Riesa lenken: Wie und wann sind sie entstanden? Wer war in welcher Zeit an der Pflege beteiligt? Dabei werden in einer Art „Vogelperspektive“ die unterschiedlichen Themen des Stadtgrüns aufgerufen – neben Stadtparks sind es andere städtische Grünflächen und -parks, Kleingärten und auch Gärtnereien, die in historischer Perspektive beispielhaft vorgestellt werden. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann und möchte die Schau dabei gar nicht erheben. Sie will die Besucher vor allem zum Nachdenken anregen: Wie grün ist Riesa eigentlich? Und welche Initiativen braucht es für die Pflege und Erhaltung des Grüns in einer Stadt?
Noch eine letzte Frage zum Verschönerungsverein, der ja Initiative in diese Richtung gezeigt hat: Was ist denn über sein Ende bekannt?
Die Quellenlage ist da etwas spärlich. Einiges deutet darauf hin, dass der Verein trotz großzügiger Spenden aus der Bürgerschaft mit schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen hatte und um 1910 in eine Krise geriet, was vermutlich zur Auflösung führte. 1938, also zur NS-Zeit, kam es zur Neugründung eines Verkehrs- und Verschönerungsvereins, die Akten dazu enden im März 1945.
Es fragte: Eric Weser.
- Die Ausstellung „Im Grünen Bereich“ eröffnet am Freitag, 22. März, um 18 Uhr. Sie ist anschließend bis 28. Juli im Stadtmuseum im Haus am Poppitzer Platz, Poppitzer Platz 3, zu sehen.
- www.stadtmuseum-riesa.de