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Riesaer Polizei stoppt Radfahrer am Puschkinplatz

Nach einem tödlichen Unfall kontrollieren die Beamten einen Vormittag lang den Verkehr. Sachsens Fahrradclub würde sich andere Maßnahmen wünschen.

Von Stefan Lehmann
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In der Riesaer Innenstadt kontrollierte die Polizei am Donnerstag den Verkehr. Der Fokus lag auf den Radfahrern - was nicht jedem schmeckte.
In der Riesaer Innenstadt kontrollierte die Polizei am Donnerstag den Verkehr. Der Fokus lag auf den Radfahrern - was nicht jedem schmeckte. © Foto: SZ/Eric Weser

Riesa. Auch im morgendlichen Halbdunkel sind die leuchtenden Warnwesten schon aus der Ferne zu sehen: Sechs Polizisten, verteilt auf die Straßenecken an der Kreuzung zwischen Puschkinplatz und Hauptstraße. Mancher Autofahrer tastet sich da extra vorsichtig an den Kreuzungsbereich heran.

Dabei haben Marcel Pietsch und seine Kollegen an diesem Morgen etwas ganz anderes im Fokus. "Wenn uns jetzt ein eklatanter Verstoß aufiele, würden wir den auch ahnden", sagt der Polizeihauptkommissar. Die Aktion am Donnerstagmorgen allerdings gilt den Radfahrern, die die Kreuzung passieren.

Gespräch statt Geldbuße: Riesaer Polizisten im Austausch mit einem Radfahrer.
Gespräch statt Geldbuße: Riesaer Polizisten im Austausch mit einem Radfahrer. © Foto: SZ/Eric Weser

So wie dem älteren Herren, der aus der Bahnhofstraße geradeaus über die Kreuzung will - und dafür nicht den Radweg benutzt, sondern die Straße. Die ist wegen der seitlich parkenden Autos relativ eng, Überholen entsprechend schwierig. "Haben Sie gesehen, wie dicht der rote Wagen an mir vorbei ist?", ist dann auch einer der ersten Sätze des Mannes, als ihn die Polizisten anhalten. Eigentlich hat er es eilig, er hat einen Arzttermin. Nach kurzer Diskussion zeigt er sich aber einsichtig: "Tut mir wirklich leid, nächstes Mal pass ich auf!"

24 Fahrradfahrer gestoppt

Abkassiert wird an diesem Morgen niemand, es geht den Polizisten um Prävention. Riesas Revierleiter Andreas Wnuck hatte bereits angekündigt, dass die Polizei den Straßenverkehr wieder stärker in den Blick nehmen will. Anlass war ein tödlicher Anfall Anfang November an einer anderen Kreuzung in Riesa. Eine ältere Frau war bei Grün geradeaus über die Ampel gefahren und von einem Lkw erfasst worden.

Man wolle wieder mehr füreinander sensibilisieren, sagt auch Marcel Pietsch. Und außerdem müsse man ja erst einmal Daten erheben; feststellen, ob denn ein Problem vorliegt. Die Kreuzung am Puschkinplatz haben die Polizisten ausgewählt, weil dort die Verkehrsdichte recht hoch ist. Auto und Fahrrad begegnen sich regelmäßig.

Die Kreuzung am Übergang vom Puschkinplatz zur Hauptstraße hatte die Polizei jetzt besonders im Blick.
Die Kreuzung am Übergang vom Puschkinplatz zur Hauptstraße hatte die Polizei jetzt besonders im Blick. © Foto: SZ/Eric Weser

Einen kurzen Blick auf das Fahrrad des Seniors werfen die Polizisten auch noch. Da funktioniert alles, auch das Licht ist dran. Insgesamt 24 Radfahrer hält die Polizei an diesem Vormittag zur Kontrolle an, zehn davon wegen Lichtverstößen. Die Mehrheit halte sich aber an alle Regeln, betont Pietsch.

Auch ein Vater samt kleinem Kind wird gestoppt. Der Knirps fährt mit dem Laufrad auf dem Radweg vorneweg, links davon Autos und Lkws. Auch die verhalten sich nicht immer korrekt, schneiden beispielsweise den Radweg beim Rechtsabbiegen.

ADFC fordert mehr Kontrollen beim Abbiegevorgang

Während die gestoppten Radfahrer die Kontrolle meist über sich ergehen lassen, bringt die Aktion Konrad Krause zum Kochen. Dass eine Radfahrerin stirbt und nun Radfahrer kontrolliert würden, nennt der Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Sachsen zynisch. "Das ist das klassische Muster der Täter-Opfer-Umkehr." Krause verweist auf eine Gesetzesnovelle, wonach Lkws beim Abbiegen mittlerweile Schrittgeschwindigkeit fahren müssen. Doch daran halte sich kaum ein Fahrer. "Der Zeitdruck der Fahrer ist das Hauptproblem."

Nur, das allein könne das Fehlverhalten nicht entschuldigen. Und damit eine Gesetzesänderung auch in den Köpfen ankomme, müsse sie öffentlichkeitswirksam kontrolliert werden. Er habe nicht den Eindruck, dass das geschehe, sagt Krause.

Aussprache statt Abstrafen hieß es auch an der Ecke Klötzerstraße/Bahnhofstraße.
Aussprache statt Abstrafen hieß es auch an der Ecke Klötzerstraße/Bahnhofstraße. © Foto: SZ/Eric Weser

Später am Vormittag nehmen die Riesaer Polizisten allerdings auch den motorisierten Verkehr ins Visier. Eine Kreuzung weiter schauen sie danach, welche Autofahrer beim Abbiegen aus der Klötzer- in die Bahnhofstraße den Radfahrern wirklich Vorfahrt gewähren. So viel ist auf dem Radweg nicht mehr los; trotzdem erwischen sie nach wenigen Minuten einen Transporterfahrer, der allzu knapp vor einem Elektromobil aus der Nebenstraße fährt. Ein kurzes Gespräch, dann darf auch er weiterfahren.

Wie sich - neben schärferen Kontrollen für Lkw-Fahrer - das Unfallrisiko reduzieren ließe, das sieht man laut Konrad Krause übrigens im Ausland: "In den Niederlanden ist man an den Hotspots dazu übergegangen, die Ampelschaltungen anzupassen." Statt gleichzeitig mit dem motorisierten Verkehr hätten zuerst Radfahrer und Fußgänger reihum Grün. Und in Japan befänden sich Fenster in der Lkw-Tür, sodass die Fahrer bessere Chancen hätten, andere Verkehrsteilnehmer neben sich zu bemerken.